| # taz.de -- Sozialpädagogen über Inklusion: „Eine radikale Herausforderung�… | |
| > Sollten alle Kinder mit Behinderung zur Regelschule? Für den | |
| > Sonderpädagogen Andreas Hinz ist das fällig, für den Kollegen Uli Hoch | |
| > Überforderung. | |
| Bild: Wo Inklusion drauf steht, ist nicht immer Inklusion drin | |
| taz: Herr Hinz, wie ist das Lernen mit Behinderung zu einem Thema für Sie | |
| geworden? | |
| Andreas Hinz: Ich bin einen Teil meiner Jugend auf der Anscharhöhe in | |
| Hamburg aufgewachsen, wo es Heime für Kinder mit Behinderung gibt und ich | |
| hatte zu einigen von ihnen Kontakt. Das hat mich fasziniert. Nach dem Abi | |
| habe ich überlegt, wie ich Zugang finden kann zu Menschen, die anders | |
| kommunizieren, und habe mich entschlossen, Zivildienst zu machen in einer | |
| Gruppe für schwer mehrfach behinderte Kinder. Das war an einer Schule für | |
| geistig Behinderte, so hieß sie damals, bei einer Gruppe mit acht Kindern, | |
| die bis dahin überhaupt nicht zur Schule durften. Ich habe den letzten | |
| Schritt dahin mitbekommen, dass tatsächlich alle das Recht auf Schule | |
| bekamen. | |
| Gab es bei Ihnen auch so einen frühen prägenden Kontakt, Herr Hoch? | |
| Uli Hoch: Ich wollte immer schon Lehrer werden und nach der Schule habe ich | |
| Sonderpädagogik studiert. Ein sehr guter Freund von mir war stark | |
| sehbehindert und lernbehindert, wir hatten viel Austausch und das war sehr | |
| bereichernd. | |
| Andreas Hinz: Darf ich noch etwas hinzufügen – eigentlich ist der Anfang | |
| bei mir gewesen, dass mein Vater nur zehn Prozent Sehfähigkeit hat. Ich | |
| erzähle das deshalb, weil der Zugang zu diesem Feld ganz häufig mit | |
| biografischen Aspekten zu tun hat. | |
| Wie sähe für Sie die ideale Schullandschaft für Kinder mit Behinderung aus? | |
| Andreas Hinz: Ich war in den 1990er-Jahren in der wissenschaftlichen | |
| Begleitung von integrativen Grundschulen im sozialen Brennpunkt in Hamburg | |
| und da habe ich einige Schulen gesehen, die ziemlich dicht an das | |
| herankamen, was ich als die ideale Schule sehe. Allerdings ist für mich | |
| Inklusion wesentlich mehr als die Frage von Behinderung. Für mich ist die | |
| ideale inklusive Schule diejenige, die tatsächlich für alle Kinder ihres | |
| Einzugsbereichs ohne Ausnahme – und da redet der Zivi der „schwer mehrfach | |
| behinderten Kinder“ mit – da ist und versucht, den unterschiedlichen | |
| Bedürfnissen und Bedarfen dieser bunt gemischten Gruppe gerecht zu werden. | |
| Können Sie das näher beschreiben? | |
| Andreas Hinz: Ich habe in Bergedorf in einer Grundschule KollegInnen | |
| erlebt, die das toll gemacht haben. Da hatte ich das Gefühl: In die | |
| Grundschule wäre ich als Kind gerne gegangen, wo die Kinder die Chance | |
| hatten, dass ihre Menschenrechte wichtig genommen werden, dass sie Raum | |
| haben, ihren eigenen Lernweg zu gehen, und das im Kontext mit anderen | |
| Kindern. Die Kolleginnen haben sich stark als begleitend und viel weniger | |
| als führend begriffen. Ich erinnere eine Situation, wo eine Kollegin mit | |
| einem Kind am Tisch saß, und sie fragte das Kind, das noch nicht lesen und | |
| schreiben konnte: Was ist für dich wichtig? Ich schreib für dich auf, | |
| diktier’ mir mal. Diese Verteilung von Funktionen hat mich damals sehr | |
| beeindruckt. | |
| Uli Hoch: Ich unterstütze das, was Andreas Hinz über die ideale Schule | |
| sagt. Als Praktiker habe ich aber auch die aktuelle Schullandschaft im | |
| Blick und sehe, dass immer noch eine große Anzahl der Schülerinnen in den | |
| Sonderschulen ist durch die Entscheidung der Eltern, die wählen können | |
| zwischen allgemeiner und Sonderschule, die die Kinder angemessen fördert. | |
| Herr Hinz sagt zu Recht, dass alle Kinder so mitgenommen werden müssen, wie | |
| sie sind, und entsprechend gefördert werden. Und da sehe ich noch eine | |
| große Schwierigkeit: Wir haben eine ganz große Bandbreite von Kindern von | |
| Hochbegabung bis schwerste Behinderung. Der Anspruch, eine so heterogene | |
| Gruppe so zu fördern, zu unterrichten und zu erziehen, ist mit den | |
| Ressourcen, die wir jetzt haben, kaum einzulösen. | |
| Warum nicht? | |
| Uli Hoch: Für die Kinder an der Förderschule steht der Leistungsgedanke | |
| weniger im Vordergrund. Wir sind eine große Familie mit überschaubaren | |
| Strukturen zwischen 150 und 250 Schülern. Die Schüler orientieren sich in | |
| diesen kleineren Einheiten gut, wir wollen ja, dass sie selbstständiger | |
| werden. Ich halte nichts von ganz großen Schulen, wie wir sie als | |
| Regelschulen nun häufig haben. Wenn ich wie heute in der Grundschule bin, | |
| wo wir schon Probleme haben, die sechs bis acht Kinder, die alle | |
| unterschiedliche Päckchen zu tragen haben, zu integrieren und ausreichend | |
| zu fördern – da hätte ich große Bedenken, wenn man sagte, wir würden noch | |
| ein Kind mit schwerster Behinderung und ein Kind mit deutlichem Autismus in | |
| diese Klasse dazubekommen. Die Gruppengröße ist dafür oft noch viel zu | |
| groß. | |
| Andreas Hinz: Zum Stichwort große Schule: Ich erinnere mich noch, wie ich | |
| das erste Mal in den 1980er-Jahren in die [1][integrierte Gesamtschule | |
| Köln-Holweide] kam, einer der Leuchttürme der Integration in der | |
| Sekundarstufe I in Deutschland. Und ich war entsetzt: ein Riesenbetonbau | |
| mit 1.800 Schülerinnen und Schülern von der fünften bis zur 13. Klasse. | |
| Aber sie haben eine derartig gute Binnenstruktur, wo drei Parallelklassen | |
| in einem Haus sind, sodass es überschaubar wird. Ich möchte noch etwas zur | |
| besonderen Förderung sagen. Da muss ich Uli Hoch ein bisschen auf die Füße | |
| treten: Manches, was wir an Förderschulen als besondere Förderung | |
| veranstalten, hat damit zu tun, dass da so wenig Kinder sind und so | |
| wahnsinnig viele Erwachsene und dass die Kinder so wenig Anregung durch | |
| andere Kinder bekommen. | |
| Hätten Sie da ein Beispiel? | |
| Andreas Hinz: Als ich Zivi war, gab es in der Schule für geistig Behinderte | |
| eine Übungstreppe, da konnte man auf der einen Seite drei Stufen hochgehen | |
| und auf der anderen drei Stufen runter. Das ist für mich ein Beispiel, wie | |
| manches, was als besondere Förderung initiiert wird, in einer integrativen | |
| Situation nicht mehr notwendig ist, weil da 20 Kinder sind, die eine Treppe | |
| raufrennen und sich mit darum kümmern, dass ein Kind, das da | |
| Schwierigkeiten hat, auch die Treppe raufkommt. | |
| Uli Hoch: Man kann auch in Zwischenschritten auf dem Weg zur Inklusion | |
| denken: etwa indem man Kooperationen vertieft. In Schweden gibt es eine | |
| Schule, wo auf einem Gelände alle Möglichkeiten vorhanden sind, auch die | |
| spezielle Förderung. | |
| Andreas Hinz: Das Thema Kooperation finde ich ein ganz schwieriges. Wir | |
| haben ja auch Erfahrungen aus Bundesländern, in denen das gegliederte | |
| Schulwesen viel stärker als Tradition vorhanden ist als in Hamburg. In | |
| Bayern und Baden-Württemberg etwa wurde lange behauptet, Kooperation sei | |
| der Weg zu Inklusion – aber da sind die Erfahrungen zweischneidig. Ich habe | |
| eine Freundin in Baden-Württemberg, die in eine Außenklasse einer Schule | |
| für geistig Behinderte in der Grund- und Hauptschule gegangen ist. Sie hat | |
| sich schon als Schülerin sehr kritisch darüber ausgelassen, dass die | |
| Sonderpädagogen immer wollten, dass sie in die „kleine Klasse“ geht und | |
| dass da alles noch einmal besprochen wird. Aber für sie war immer klar, | |
| dass sich das Leben in der „großen Klasse“ abspielt. | |
| Uli Hoch: Man muss dabei auch sehen, dass die Sonderschulen seit Jahren | |
| konstante Schülerzahlen haben. Die Eltern wählen in gleichem Umfang | |
| Inklusionsschulen an und ich finde beides gut, weil man das vom Kind aus | |
| betrachten muss. Das ist Elternrecht und meiner Meinung nach kann man es | |
| ihnen nicht nehmen. | |
| Andreas Hinz: Menschenrechtlich gesehen hat das Kind das Recht auf Teilhabe | |
| und Partizipation in der allgemeinen Schule und die Eltern haben die | |
| Aufgabe, das Recht dieses Kindes stellvertretend wahrzunehmen – das ist | |
| nicht ins Belieben der Eltern gestellt. In Deutschland ist das | |
| Elternwahlrecht sozusagen das Friedensangebot, dass wir nicht zu heftig auf | |
| einen Systemwechsel losgehen, um den Elternwiderstand klein zu halten – in | |
| beide Richtungen. Aber es hat sehr problematische Konsequenzen, wenn wir | |
| dauerhaft zwei Systeme parallel vorhalten – das ist das Teuerste, was man | |
| machen kann, es verlangsamt die Entwicklung insgesamt und schafft | |
| Verteilungskämpfe um Ressourcen. Und es steht nicht mit der | |
| [2][UN-Konvention] in Übereinstimmung. | |
| An der Schule Weidemoor in Hamburg, die Uli Hoch lange geleitet hat, haben | |
| LehrerInnen erzählt, dass sie immer wieder SchulrückkehrerInnen aus | |
| Inklusionsklassen bei sich haben. Zeigt das nicht, dass sich eben nicht | |
| alle dort aufgehoben fühlen? | |
| Andreas Hinz: Ich weiß aus Integrationsklassen, dass einige Eltern eine | |
| wahre Odyssee durch unterschiedlichste Förderschulformen vollzogen haben | |
| und nirgendwo zufrieden waren. Häufig ist der Wunsch, das Kind in eine | |
| Förderschule zu geben, die Folge der nicht gelungenen Kommunikation | |
| zwischen KollegInnen und Eltern, wo nicht genügend vermittelt wird, was | |
| gemacht wird und warum es gemacht wird, was realistische Erwartungen für | |
| das Kind sind, was nächste Schritte sein können. | |
| Uli Hoch: Ich glaube, dass sich da einiges geändert hat. Die Eltern können | |
| hospitieren in den Schulen, es findet ein sehr offener und transparenter | |
| Austausch statt. Und ich möchte deutlich widersprechen: Wenn ich heute in | |
| einer Grundschulklasse bin, dann sind da viele Kinder, die gar nicht die | |
| Zuschreibung Behinderung haben, die aber sehr viel Unterstützung und | |
| zusätzliche Hilfen benötigen. Da sind Gruppen zwischen 19 und 24 Kindern. | |
| Was Andreas Hinz übers Treppehochlaufen gesagt hat, kann ich voll | |
| unterstützen: Nicht behinderte Kinder sind positiv für Kinder mit | |
| Einschränkungen. Ich meine trotzdem, dass im Sonderschulbereich die | |
| Kompetenz ist, die Kinder direkter abzuholen. Jetzt in der Grundschule ist | |
| es so, dass die Kollegen auch fragen: Ihr seid die Experten. Sind wir nicht | |
| nur, manchmal sieht es der eine besser als der andere, aber man braucht – | |
| und da muss ich sagen, die Sonderpädagogik hat sich weiterentwickelt – | |
| dieses Pfund. | |
| Können Sie das konkret beschreiben? | |
| Uli Hoch: Das beste Beispiel ist die ehemalige Gehörlosenschule in Hamburg, | |
| die jetzt Bildungszentrum Hören und Kommunikation heißt. Da sitzt ganz viel | |
| Kompetenz für Kinder mit Hörschädigung und die Schule unterstützt seit | |
| vielen Jahren Kinder, die mit einer Schwerhörigkeit in Inklusionsklassen | |
| sind. Sie haben sich geöffnet, jetzt können alle Eltern ihr Kind für | |
| Klassen anmelden, wo Hörgeschädigte und Hörende zusammensitzen und es gibt | |
| ganz viele Anmeldungen. Natürlich geht es um das Kindesrecht – aber die | |
| Eltern müssen einschätzen, was braucht das Kind. Das Kind kann das häufig | |
| nicht. Die Jugendlichen nachher, die können das eher. | |
| Und was sagen die? | |
| Uli Hoch: Ich war eine Zeit lang Vertrauenslehrer an einer Sonderschule, wo | |
| lernbehinderte Kinder waren in Klassen mit zehn bis 14 Kindern, und die | |
| haben gesagt: „Es ist toll bei euch. Hier werden wir angenommen, hier | |
| werden wir gefördert und hier können wir unsere eigenen Sachen machen. Das | |
| einzig Blöde ist, dass wir als Lernbehinderte tituliert werden.“ Die | |
| Paralympics laufen integrativ, aber ich kenne niemanden, der geistig | |
| behindert ist und in der Fußballnationalmannschaft spielt. Da haben | |
| Menschen mit geistiger Behinderung ihre Nationalmannschaft, blinde Menschen | |
| die eigene Fußballbundesliga. Alle Förderschulen haben inzwischen | |
| Schülerfirmen, sie haben ihren Schülerrat, sie haben ihre eigenen | |
| Wettkämpfe. Der Kreisschülerrat der Sonderschulen hat klare Forderungen an | |
| die Behörde formuliert. Mir wäre es wichtig in der Inklusion, dass die | |
| behinderten Jugendlichen auch berücksichtigt werden, und das sehe ich im | |
| Augenblick nicht so stark. | |
| Ist echte Inklusion überhaupt möglich, solange Bildungspolitik vor allem | |
| danach schaut, wie SchülerInnen in internationalen Rankings abschneiden? | |
| Andreas Hinz: Es gibt da deutliche Spannungsverhältnisse: Wenn man | |
| einerseits in Richtung einer Schule für alle, also eine immer | |
| diskriminierungsärmere Schule geht, und andererseits wollen wir China in | |
| Sachen Mathe überholen – das verträgt sich nicht wirklich. Wobei ich es | |
| falsch finde, Inklusion Leistungsfeindlichkeit zu unterstellen. Inklusion | |
| ist äußerst leistungsfreundlich – nur eben jeweils auf individuellem Level. | |
| Jedes Kind soll das lernen können, wozu es in der Lage ist. Nur | |
| verabschiedet sich Inklusion von einer Normalitätsvorstellung des Lernens | |
| mit Vergleichsarbeiten, dem landesweiten Abitur und Ähnlichem. | |
| Ist von dieser Idee schon etwas in der Praxis angekommen? | |
| Andreas Hinz: Inklusion ist eine sehr radikale Herausforderung des | |
| Schulwesens, so wie es bei uns ist. Die menschenrechtliche Anforderung | |
| steht in einem massiven Kontrast zu dem, was in Deutschland passiert. Zur | |
| Ehrenrettung von Hamburg würde ich sagen, Hamburg macht es noch relativ | |
| wenig schlecht im Vergleich mit allen Bundesländern. Aber allein, dass hier | |
| zwei Sonderpädagogen sitzen und über Inklusion sprechen, finde ich | |
| bezeichnend, und dass wir so austauschbare Begriffe wie Integrations- und | |
| Inklusionsklasse haben, zeigt, dass es eher eine rhetorische Entwicklung | |
| ist als eine reale. Aus meiner Sicht macht Hamburg nach wie vor | |
| Integration, das hat mit Inklusion nicht viel zu tun. | |
| Wo liegt der Unterschied? | |
| Andreas Hinz: Wenn ich die menschenrechtliche Basis von Inklusion angucke, | |
| dann geht es um sämtliche Aspekte von Diskriminierung. Und wo kümmert man | |
| sich in Hamburg bei Inklusion um die problematische Situation des | |
| Coming-out von homosexuellen SchülerInnen, wo kümmert man sich um die | |
| Diskriminierung von People of Colour? In Hamburg ist immer noch primär die | |
| Sonderpädagogik für die sogenannte Inklusion zuständig. | |
| Wer ist die Gruppe, die am meisten am standardisierten Leistungsgedanken | |
| hängt: Eltern, LehrerInnen, Politik? | |
| Uli Hoch: Was den Leistungsanspruch angeht, das sehe ich genau so wie Herr | |
| Hinz: Jeder Schüler braucht seinen individuellen Lernweg, natürlich im | |
| Klassenverband. Und da muss man als gemeinsame Gruppe aktiv werden: sodass | |
| wir gemeinsam an einem Lerngegenstand arbeiten können. Dann ist es die | |
| Aufgabe der Pädagogen zu gucken, wie kann ich es planen, dass auch die | |
| Kinder, die große Schwierigkeiten haben, sich das anzueignen, einen Zugang | |
| finden. Sie sollen nicht nur da sein, sie sollen sich gemeinsam mit den | |
| anderen entwickeln. Die inklusive Grundschule Ernst-Henning-Straße, an der | |
| ich arbeite, sortiert nicht aus, wir nehmen fast alle Kinder aus dem | |
| Wohngebiet auf, das ist ein Weg in Richtung inklusive Schule. Was nicht | |
| erreicht wird, dass wir schwerstbehinderte Kinder aufnehmen – da gibt es | |
| nur wenige Schulen in Deutschland. Auch diese Kinder haben den Anspruch, in | |
| eine allgemeine Schule zu gehen. | |
| Warum hält sich die Idee, dass Inklusion leistungsfeindlich sei, so | |
| unerschütterlich trotz aller gegenteiliger Studien? | |
| Uli Hoch: Ich denke, wir alle müssen ein bisschen umdenken, was für eine | |
| Schule wollen wir. Wir wollen, dass jeder Schüler etwas leistet, wir wollen | |
| ja eine Entwicklung. Aber die Frage ist: Müssen die ganzen Testereien sein? | |
| Die ganze Gesellschaft muss da schauen, und noch sind wir auf einer | |
| Zwischenstufe. | |
| Andreas Hinz: Wir haben eine sehr starke Tradition des Denkens in | |
| Homogenität. Allein wenn Sie sich überlegen, wie die Jahrgangsklasse in | |
| Preußen entstanden ist: das preußische Militär wollte die jungen Männer im | |
| gleichen Alter für das Militär zur Verfügung haben. Und die Idee, dass der | |
| lernende Flottenverband nur so schnell fahren kann wie das langsamste | |
| Schiff, ist genauso alt – alle lernen im Gleichschritt. Den Glauben, dass | |
| Homogenität leistungsförderlich ist, gibt es seit Jahrhunderten, es stimmt | |
| aber nicht. Solches Denken zu verändern, das sind die dicksten Bretter, die | |
| wir vor uns haben. Wenn man sagt, Lernen ist ein individueller Prozess, | |
| dann muss man auch einen individuellen Maßstab heranziehen. Natürlich ist | |
| es legitim, wenn eine Gesellschaft sagt: Nach zwölf oder 13 Jahren sollst | |
| du das und das können, aber die wichtigste Bezugsnorm ist die individuelle. | |
| Das ist der wirklich zentrale Wechsel, dass wir lernen zu akzeptieren, dass | |
| Kinder Subjekte ihres Lernens sind. | |
| Werden die Kinder inzwischen gehört? | |
| Uli Hoch: Da hat sich viel getan. Die Schüler, auch die Schwerstbehinderten | |
| – an meiner alten Schule gab es Schwerstbehinderte, die stellvertretende | |
| Schulsprecher waren – äußern ihre Bedürfnisse und ihre Forderungen an die | |
| Lehrer, Erzieher und die Schulgemeinschaft, die sind wesentlich | |
| selbstbewusster geworden. Das Selbstbewusstsein zu fördern, ist ein genauso | |
| wichtiger Anspruch wie das Lernen. Und da kann man noch viel machen, da | |
| sind wir noch in der Entwicklung. | |
| 27 Feb 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Friederike Gräff | |
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