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# taz.de -- Geflüchtete und Homeschooling: Am falschen Ende gespart
> Der Senat will benachteiligte Kinder beim Homeschooling unterstützen.
> Dazu bräuchte es als erstes Internet in allen Flüchtlingsheimen.
Bild: Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Kreuzberg
Am Dienstag hat der Senat auf Vorlage von Bildungssenatorin Sandra Scheeres
(SPD) beschlossen, in den bevorstehenden Winterferien eine Ferienschule
anzubieten. „Insbesondere Schülerinnen und Schüler, die in beengten
Wohnverhältnissen leben und mangelnde Hilfe durch erwachsene Bezugspersonen
erhalten, können während der pandemiebedingten Schulschließung weniger gut
vom Lernen zu Hause profitieren als andere Kinder“, heißt es in einer
wohlklingenden Erklärung. Das Angebot gelte besonders für zugewanderte
Kinder und Jugendliche und andere, bei denen die LehrerInnen einen
Lernrückstand sehen. „Mir ist wichtig, dass kein Schüler, keine Schülerin
mit pandemiebedingten Lernrückständen alleine gelassen wird“, so Scheeres.
So gut gemeint ein solches Angebot ist, so sehr zeigt es, wie weltfremd
Politik sein kann. Nach zehn Monaten Pandemie und etlichen Wochen
Homeschooling ist evident, dass SchülerInnen mit „pandemiebedingten
Lernrückständen“ sehr wohl alleine gelassen werden.
Es fängt bei der Diagnose an: Beengte Wohnverhältnisse und mangelnde Hilfe
durch Eltern sind zwar auch ein Problem. Aber bei vielen Familien, die in
Wohnheimen leben müssen, fängt es weit vorher an: Sie haben nicht einmal
Internet! Oder kein für Onlineunterricht ausreichend schnelles.
Dass fast ein Viertel der Flüchtlingsheime bis heute kein WLAN haben, wie
das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) zugibt, kann man nach
fast einem Jahr im Krisenmodus nicht mehr mit „baulichen Problemen“
rechtfertigen – zumal es zum Teil Gebäude betrifft, die gerade neu gebaut
worden sind. Wer baut denn heutzutage Häuser ohne fette Datenleitung oder
der Möglichkeit dazu? Das sollten sich Gewobag oder Deutsche Wohnen mal bei
einem Neubauprojekt erlauben.
Aber klar, für Geflüchtete soll, darf oder muss es gar möglichst einfach
sein. Die Heimverwaltung kriegt auch in den problematischen Neubauten
Internet, da werden keine Kosten und Mühen gescheut. Die BewohnerInnen
dürfen sich mit etwas Netz im Aufenthaltsraum begnügen (wo zurzeit, wenn
überhaupt, immer nur einzelne hineindürfen). Da stellt man auch ein, zwei
Computer hin, das muss dann für ein paar hundert Menschen reichen.
## Viele Schüler ohne Computer
Apropos Computer: Es war absehbar, dass auch die 51.000 verteilten Tablets
längst nicht für alle bedürftigen Kinder dieser Stadt, ob geflüchtet oder
nicht, reichen. Abgesehen davon, dass die Vergabe der Geräte durch die
Schulen nicht transparent war und manche sie offenbar nur zögerlich
herausgerückt haben: Viele SchülerInnen müssen noch immer mit Handys
arbeiten – was ziemlich nervig ist bei längeren Zoom-Konferenzen, bei
Recherchen – oder wenn die Lehrerin andauernd neue PDFs schickt, die man
eigentlich auch noch ausdrucken soll.
Aber hört man von Frau Scheeres etwas dazu, wie sie allen, die es brauchen,
die nötige Grundausstattung fürs digiale Lernen beschaffen will? Hört man
von Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke), wie sie dem LAF und der
landeseigenen Immobiliengesellschaft BIM Beine macht, damit in ihren
Häusern digitaler Unterricht überhaupt laufen kann?
Klar ist das alles deutlich teurer als eine einwöchige Ferienschule. Dafür
würde es aber wirklich etwas bringen.
15 Jan 2021
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Homeschooling
Geflüchtete
R2G Berlin
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)
Sandra Scheeres
Elke Breitenbach
Bremerhaven
Religion
Flüchtlinge
Wochenkommentar
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)
Schwerpunkt Coronavirus
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