Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinder- und Jugendbücher im Herbst: Nichts ist perfekt
> Ein Skizzenbuch von Elisabeth Steinkellner, ein Roman von Susin Nielsen
> und ein Comic von Kim Fupz Aakeson erzählen von Krisen und Freundschaft.
Bild: Zwischen Ramadan und Hipstertum: „Hugo und Hassan“ von Kim Fupz Aakes…
Maia ist sechzehn Jahre alt und kann sehr gut zeichnen. Mit ihren jüngeren
Schwestern, Ruth und Heidi, teilt sie sich in der beengten Zweiraumwohnung
ein Dreietagenbett. Abgekämpft kehrt ihre alleinerziehende Mutter abends
nach Hause. Die Vorräte, der Platz, das Geld und die Zeit füreinander –
alles ist bei ihnen knapp. Ihre Gedanken über den Alltag mit der Familie
und den Freunden hält Maia in ihrem Skizzen- und Tagebuch fest.
In „Papierklavier“ entwickelt die österreichische Autorin Elisabeth
Steinkellner diese Coming-of-Age-Geschichte in engem Zusammenspiel mit der
Illustratorin Anna Gusella als einen lebendigen Mix. In den Aufzeichnungen
der heranwachsenden Protagonistin [1][fließen Text- und Bildebenen
übergangslos ineinander], kommunizieren und ergänzen sich. Ganzseitige
Zeichnungen in Schwarz und Hellblau wechseln ab mit handschriftlich
anmutender Typografie. Stimmungslagen verwandeln sich in feine Linien oder
grobe Striche.
Der Roman beginnt mit dem Tod der hilfsbereiten Nachbarin und geliebten
Ersatzoma Sieglinde. Maias jüngste, sehr musikalische Schwester Heidi hat
nun auch keine Möglichkeit mehr auf dem Flügel der alten Dame zu spielen.
In der Not bastelt sich das Mädchen eine Klaviatur aus Papier, während Maia
mit Doppelschichten in einem Saftladen versucht, neben der Schule noch Geld
für den Musikunterricht aufzutreiben. Oft übernimmt die Sechzehnjährige die
Verantwortung für die jüngeren Schwestern, um ihre Mutter zu entlasten.
Doch auch wenn Maia von einem Leben mit weniger Problemen träumt, fühlt sie
sich in ihrer Familie, so wie sie ist, gut aufgehoben.
Außerdem gibt es noch Alex, die mit ihr die gleiche Klasse besucht, und
Carla, die offiziell eigentlich Engelbert heißt. Ihnen kann Maia zu hundert
Prozent vertrauen. Gemeinsam hinterfragen sie gesellschaftliche Normen und
Schönheitsideale, die so wenig mit ihrer eigenen Realität zu tun zu haben
scheinen. Mit genügend Selbstvertrauen und an der Seite ihrer Freundinnen
sucht Maia ihren eigenen Weg im Leben – weit davon entfernt, perfekt zu
sein.
## Große Herausforderung
Auch das Zuhause von Felix Knutsson in Susin Nielsens ereignisreichen Roman
„Adresse unbekannt“ ist alles andere als komfortabel. Seit Monaten schon
lebt der Zwölfjährige mit Astrid, seiner Mutter, und Horacio Blass, der
Rennmaus, in einem geborgten Campingbus in Vancouver. Was im Sommer wie ein
verlängerter Urlaub und eine willkommene Abwechslung begann, verwandelt
sich für den Jungen spätestens mit dem neuen Schuljahr und beginnenden
Herbst in eine riesige Herausforderung.
Längst ist Felix klar, dass seine psychisch labile Mutter wieder in einer
tiefen Krise steckt, sie weder Geld hat noch Arbeit finden wird. Doch
Astrid hat ihrem Sohn nicht nur in die verschiedenen Kategorien der Lüge
eingeführt, sondern ihm auch von klein auf eingeschärft, sich niemanden
anzuvertrauen. Die Fürsorge würde sie beide sofort voneinander trennen.
Einfühlsam schildert die kanadische Kinderbuchautorin die Erfahrung von
Obdachlosigkeit sowie die Scham und Erschöpfung angesichts der prekären
Situation altersgerecht aus Felix’ Perspektive. Der spannend erzählte Roman
beginnt mit einem Verhör auf der Polizeiwache. Rückblickend berichtet der
Zwölfjährige von dem wechselhaften Leben mit Astrid und von ihrer Zeit im
Bus. Sie benutzen die Toiletten am Strand, das kostenlose WLAN in der
Bibliothek und die Duschen im Gemeindezentrum.
Doch trotz aller Anstrengung die Situation zu verbergen, entdecken Dylan
und Winnie, Felix’ ungleiche Freunde an der neuen Schule, irgendwann seine
Notlage. Gemeinsam schmieden die drei Außenseiter einen abenteuerlichen
Plan, um das Schicksal des aufgeweckten Jungen zu ändern. Fieberhaft
trainieren sie für „Wer, was, wo, wann“, bis Felix schließlich im Finale
der beliebten Quizsendung steht.
## Großsprecher und Raufbolde
Temporeich und witzig verhandelt der dänische Comic „Hugo und Hassan“ den
urbanen Alltag der achtjährigen Protagonisten zwischen Computerspiel,
Ramadan und Hipstertum. Hugo und Hassan lernen sich im Hinterhof ihres rot
geklinkerten Wohnblocks kennen. Bald sind die beiden Großsprecher und
Raufbrüder unzertrennliche Freunde. Aufmerksam beobachten sie ihre
Umgebung. Mit Beanie und Basecap auf dem Kopf stürmen sie los:
Fünfmeter-Sprungturm oder Halloweengrusel – [2][fließend sind die Übergän…
zwischen Hybris und Kleinmut].
Ihr Dilemma fasst Hugo im Sandkasten liegend philosophisch zusammen: „Man
ist zu klein für das, was man gerne machen möchte, und das, wozu man groß
genug ist, möchte man nicht.“ Andererseits verzweifeln die beiden immer
wieder an der Weltfremdheit der Erwachsenen. Als Hugos Mutter in die
Zockpartie platzt, um die Jungs an die frische Luft zu treiben, wundert
sich Hassan: „Weiß sie überhaupt, was online bedeutet?“
Realitätsnah und kurzweilig gelingt es Autor Kim Fupz Aakeson zusammen mit
Illustrator Rasmus Bregnhøi auch in Episoden über Karatekurse, Stiefväter
oder Flaschenpfand, die Erlebniswelt und Freundschaft der beiden Jungs in
all ihren Facetten festzuhalten.
14 Nov 2020
## LINKS
[1] /Neue-Kinder--und-Jugendbuecher/!5671138
[2] /Kinder--und-Jugendbuch-im-Fruehjahr/!5681536
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Literatur
Kinderbuch
Jugendbuch
Comic
Roman
Literatur
Kinder- und Jugendbücher
Kinderbuch
Jugendbuch
Buch
taz.gazete
Literatur
Literatur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kinder- und Jugendbücher: Von Geschichte erzählen
Neues von A. E. Hotchner, Klaus Kordon und Rose Lagercrantz: Junge
Protagonisten verhandeln Flucht, Witschaftskrise und Deportation.
Neue Jugendromane für den Sommer: Kurz davor, erwachsen zu werden
Neue Jugendromane: Coming of Age in der Steinzeit und die heftige Wut eines
Teenagers. Ein Manga zeigt Parallelwelten einer Grundschule.
Kinder- und Jugendbuch im Frühjahr: Vorsicht, Wasserschwein!
Zirkusbären, Riesenschnecken oder Wasserschweine werden gerne unterschätzt.
Dabei bieten sie überraschende Geschichten für junge Leser:innen.
Jugendliteraturpreis für Antarktisbuch: Vom Südpol lernen
In “A wie Antarktis“ ermutigt David Böhm mit ansteckender Begeisterung, die
Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
„Der Sandler“ von Markus Ostermair: Panorama des Lebens auf der Straße
Jede Figur hat ein Anrecht auf ihre Geschichte. Autor Markus Ostermair
schreibt in seinem Roman über Obdachlose.
Nachruf auf Pädagogen Remo Largo: „Jedes Kind ist ein Unikat“
Remo H. Largo klagte die Schulen an, dass sie der Verschiedenheit von
Kindern zu wenig gerecht werden. Ein Nachruf zum großen Autor und
Pädagogen.
Kinder- und Jugendbuch im Frühjahr: Alles anders als gedacht
Turbulente Bildgeschichten über neue Freunde und Homeoffice sowie coole
Pflegeeltern im Roman „Home Girl“ – diese Kinderbücher erscheinen im
Frühjahr.
Neue Kinder- und Jugendbücher: Da macht sogar Handy-Henri mit
Erzählungen von Anete Melece, Philip Waechter, Anke Kuhl und Jason Reynolds
führen ans Meer, zu Verwandten oder in die Vergangenheit
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.