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# taz.de -- Trumps Kandidatin fürs Oberste Gericht: Eine erzkonservative Katho…
> Donald Trump nominiert Amy Coney Barrett für den Obersten Gerichtshof.
> Sie lehnt Obamas Gesundheitsreform und Abtreibungen ab.
Bild: Ins Rennen geschickt: Donald Trump und Amy Coney Barrett im Weißen Haus …
New York taz | Donald Trump hat die kühnsten Träume seiner AnhängerInnen
erfüllt. Am Samstag nominierte er Amy Coney Barrett als seine Kandidatin
für das oberste Gericht. Der Präsident nannte die Richterin eine „Frau von
bemerkenswertem Intellekt und Charakter“ und „einen der begabtesten
juristischen Köpfe unserer Nation“. Außerdem hielt er es für passend, sie
als eine „zutiefst hingebungsvolle Mutter“ zu preisen.
Falls die republikanische Mehrheit im Senat Barrett bestätigt – wonach es
aussieht –, bekommt das Gericht erstmals nach Jahrzehnten wieder eine
solide konservative Mehrheit von sechs zu drei Stimmen. Das reicht, um
zahlreiche Reformen zu kippen oder auszuhöhlen: von den Rechten von Frauen,
von ImmigrantInnen und von Minderheiten über Sozialleistungen bis hin zu
der Gesundheitsreform Obamacare. Es wird zugleich die oberste juristische
Instanz im Land, auf deren Tisch irgendwann alle umkämpften politischen
Projekte landen, weit über die nächste Präsidentschaft hinaus rechts
verankern. Denn das Amt gilt auf Lebenszeit und Barrett ist erst 48.
Trump [1][hatte es eilig], die durch [2][den Tod von Ruth Bader Ginsburg]
frei gewordene Position neu zu besetzen. Die 87-Jährige war nach langer
Krankheit am Freitag der vorausgegangenen Woche gestorben. Nach Angaben aus
ihrer Familie hatte sie kurz zuvor ihrer Enkelin Clara Spera einen letzten
Willen diktiert: „Mein sehnlichster Wunsch ist es, dass ich nicht ersetzt
werde, bis ein neuer Präsident im Amt ist.“
Aber Trump hat schon in seinem ersten Wahlkampf im Jahr 2016 versprochen,
dass er die Gerichte mit Konservativen, die „Roe gegen Wade“ kritisch
gegenüberstehen, füllen will. Das Grundsatzurteil aus dem Jahr 1973 hat
Frauen in den USA das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gegeben. Für
fundamentalistische Evangelikale, deren Stimmen Trump im November braucht,
ist die Abschaffung – oder zumindest Aushöhlung – von „Roe gegen Wade“…
Obsession. Mit Barrett könnte Trump den Erfolg des juristischen Kreuzzugs
vermelden, den die RepublikanerInnen in Washington seit Jahrzehnten
vorbereitet haben. In den zurückliegenden knapp vier Jahren hat er mit der
Nominierung von mehr als 200 BundesrichterInnen – darunter bereits zwei für
das oberste Gericht – die Gerichtslandschaft nachhaltig verändert.
Unabhängig von kommenden Wahlen können diese RichterInnen in Zukunft die
Richtung bestimmen, die das Land nimmt. Trumps RichterInnen sind jung
(Altersdurchschnitt bei der Nominierung: 48 Jahre), mehrheitlich weiß (85
Prozent) und rechts.
Bei der Barrett-Nominierung im Rosengarten des Weißen Hauses bemühte der
US-Präsident sich noch um einen gewissen überparteilichen Gestus. Aber
schon wenige Minuten später, in einem Kommuniqué, beschrieb er seinen
Schachzug mit den Worten, die er auch im Wahlkampf benutzt. Darin ist
Barrett „entscheidend, um Amerika wieder groß zu machen“.
## Vom anderen Ende des Spektrums
Als Nachfolgerin der linksliberalen „RBG“ würde Barrett davon profitieren,
dass die Verstorbene die Wege für Frauen an die Spitze der Macht geebnet
hat. Aber politisch und juristisch kommt sie vom extremen anderen Ende des
Spektrums. Die Juraprofessorin und gegenwärtige Berufungsrichterin Barrett
gehört zu derselben konservativen „Federalist Society“ wie die fünf
konservativen Männer, die bereits am obersten Gericht sind. Die Mitglieder
dieser Gruppe nehmen für sich in Anspruch, dass sie die Verfassung so
interpretieren, wie sie am Ende des 18. Jahrhunderts gemeint gewesen sein
soll. Barrett nennt sich eine „Textualistin“ und „Originalistin“. Die
Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper, gleiche Rechte für
Homosexuelle und der Schutz des Wahlrechtes von AfroamerikanerInnen kamen
in den Köpfen der Gründerväter nicht vor. Als sie ihre Verfassung
schrieben, hatten Frauen politisch nichts zu sagen und schwarze Männer und
Frauen waren SklavInnen.
Die Katholikin Barrett gehört der erzkonservativen Gruppe von
charismatischen Christen „People of Praise“ an. Und ist auch eine der
JuristInnen in der Antiabtreibungsgruppe „Faculty for Life“.
Religionsfreiheit ist ihr wichtiger als der Schutz besonderer Rechte.
Nach dem Tod der schwerkranken Bader Ginsburg hat die Demokratische Partei
den Senat aufgefordert, mit der Nominierung eineR NachfolgerIn bis zum
Amtsantritt des nächsten Präsidenten zu warten. [3][Die DemokratInnen
erinnerten den republikanischen Senatschef Mitch McConnell daran], dass er
selbst es im Wahljahr 2016 abgelehnt hat, Obamas Kandidaten für die
Nachfolge des verstorbenen Richters Antonin Scalia überhaupt anzuhören.
McConnell argumentierte damals, so kurz vor den Wahlen sei eine
Neubesetzung des obersten Gerichts nicht möglich. Scalia starb acht Monate
vor den Wahlen von 2016, Bader Ginsburg nur sechs Wochen vor den kommenden
Wahlen.
McConnell und fast allen anderen RepublikanerInnen ist die Verortung des
Supreme Courts nach rechts wichtiger als die Parole, die sie selbst vor
Jahren ausgegeben haben. Gegenwärtig erwägen nur zwei republikanische
Senatorinnen, vor den Wahlen nicht über das oberste Gericht abzustimmen.
Selbst ohne diese beiden haben die RepublikanerInnen genügend Stimmen, um
Trumps Richterin zu bestätigen.
## Demokraten fehlt eine Strategie
Die Demokratische Partei, die noch vor wenigen Tage optimistisch auf die
kommenden Wahlen schaute, steht seit dem Tod von „RBG“ mit dem Rücken zur
Wand. Eine politische Strategie, um Barretts Bestätigung im Senat zu
verhindern, hat die Partei bislang nicht. Ihr Präsidentschaftskandidat Joe
Biden appelliert lediglich an das „Gewissen“ der republikanischen
SenatorInnen. Andere DemokratInnen drohen, dass sie in Zukunft die Zahl der
Mitglieder des obersten Gerichtes aufstocken wollen (ein Schritt, der in
demokratischen Reihen umstritten ist).
Linke Gruppen und Bürgerrechtsorganisationen warnen davor, dass Barretts
Bestätigung viele Rechte gefährdet und überfällige Reformprojekte in schier
unerreichbar weite Ferne rückt. Mit einer soliden konservativen Mehrheit im
Gericht wird der finanzielle Einfluss von Konzernen auf PolitikerInnen
wachsen, ist keine Unterstützung für Umwelt- und Klimapolitik zu erwarten,
kann sich die Waffenlobby auf langfristige Unterstützung von ganz oben
einrichten und werden längst überholte Institutionen, die aus den
Anfangsjahren der USA stammen – wie das Electoral College, das den
US-Präsidenten wählt –, unangetastet bleiben.
Die RepublikanerInnen im Senat wollen schon am 12. Oktober mit den
Anhörungen von Barrett beginnen und sie wenige Tage vor den Wahlen am 3.
November bestätigen. Sollte es klappen, könnte sie schon eine Woche nach
den Wahlen über das wichtigste Reformprojekt von Obama, die
Gesundheitsreform, mitentscheiden. Im Jahr der Pandemie, die schon jetzt in
den USA mehr als 200.000 Menschenleben gekostet hat, könnte das Millionen
Menschen die Krankenversicherung kosten. Und falls das Ergebnis der
Präsidentschaftswahl vor Gericht angefochten wird – wovon auszugehen ist –,
würde Barrett als Richterin auch über den nächsten Präsidenten der USA
mitentscheiden.
Trotz ihrer Opposition gegen Barrett, müssen die DemokratInnen ihr
gegenüber einen vorsichtigeren Ton anschlagen, als bei der letzten
Nominierung von Trump für das Oberste Gericht. Anders als [4][Brett
Kavanaugh], der angesichts von Vergewaltigungsvorwürfen kein guter
Vertreter seiner eigenen Sache war, hat Barrett ein gewinnendes Auftreten.
Damit, und mit geschickt gewählten Antworten und Auslassungen, hat die
Juristin schon 2017 bei ihrer Nominierung an ein Berufungsgericht
beeindruckt.
Am Samstag kam sie mit ihrem Ehemann und ihren sieben Kindern – darunter
zwei Adoptivkindern aus Haiti – zu der Zeremonie. Einziger Fauxpas: Zu dem
abschließenden Gruppenfoto mit dem Präsidenten und seiner Gattin kam das
jüngste Kind, das Downsyndrom hat, nicht mit auf die Bühne.
27 Sep 2020
## LINKS
[1] /Nach-dem-Tod-von-Ruth-Bader-Ginsburg/!5715074
[2] /Zum-Tod-von-Ruth-Bader-Ginsburg/!5715048
[3] /Die-USA-nach-dem-Tod-von-Bader-Ginsburg/!5715053
[4] /Trotz-Uebergriffsvorwuerfen-bestaetigt/!5541859
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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