# taz.de -- Nach Corona-Stopp: Union will wieder abschieben | |
> Die Innenminister von CDU und CSU wollen nach dem pandemiebedingten | |
> Abschiebestopp bald wieder ausweisen – sogar nach Syrien. | |
Bild: Drohen bald wieder: Abschiebungen wie hier vom Flughafen Leipzig-Halle na… | |
BERLIN taz Es ist ein pandemiebedingter Abschiebestopp: Seit Wochen finden | |
fast keine Ausweisungen von Geflüchteten aus Deutschland mehr statt. Nun | |
aber sollen die Abschiebungen wieder anlaufen. Bundesinnenminister Horst | |
Seehofer (CSU) und einige Länder machen hier Druck. | |
Nach taz-Informationen wird das Thema auf der am Mittwoch beginnenden | |
Innenministerkonferenz (IMK) in Erfurt besprochen. Seehofer soll dort laut | |
Tagesordnung vortragen, „in welchen Schritten und in welchem zeitlichen | |
Rahmen mit der Wiederaufnahme der Dublin-Rücküberstellungen und der | |
Abschiebungen gerechnet werden kann“. Wie das BMI auf taz-Anfrage mitteilt, | |
gab es im März 923 Abschiebungen, im April 30. Die Zahlen für Mai liegen | |
noch nicht vor. Ein Sprecher Seehofers sagte der taz, dass die | |
Rückführungen „langsam wieder anlaufen sollen“, vor allem bei Gefährdern | |
und Straftätern. | |
Die Position wird vor allem von den unionsregierten Ländern geteilt. Er | |
gehe davon aus, dass sich im zweiten Halbjahr der Luftverkehr intensivieren | |
werde und Rückführungen wieder möglich seien, sagte Bayerns Innenminister | |
Joachim Herrmann (CSU). Pro Asyl dagegen besteht auf der Verlängerung | |
[1][coronabedingter Abschiebestopps]. Die Pandemie sei noch immer nicht | |
vorbei, in manchen Ländern im globalen Süden stünde diese erst am Anfang, | |
warnt der Verband. Die IMK dürfe „nicht auf ein schnelles business as usual | |
bei Abschiebungen drängen“. | |
In Erfurt wird auch erneut über [2][Abschiebungen nach Syrien] diskutiert. | |
Umgesetzt werden diese wegen des dortigen Bürgerkriegs seit Jahren nicht, | |
Deutschland unterhält dort seit 2012 keine Botschaft mehr. Zuletzt wurde | |
der Abschiebestopp nach Syrien halbjährlich verlängert. | |
Geflüchtetenverbände fordern nun einen unbefristeten Abschiebestopp für | |
Syrien. | |
## Entscheidung nach Einzelfall | |
Die CDU-Innenminister möchten dagegen, dass zumindest die Abschiebung von | |
Gefährdern, Intensivstraftätern oder Heimatbesuchern nach Syrien künftig | |
wieder möglich sein soll. Bereits auf der vergangenen IMK im Dezember wurde | |
das Bundesinnenministerium per Beschluss auch mit SPD-Stimmen gebeten, | |
Voraussetzungen zu schaffen, um Abschiebungen solcher Personen „bei | |
differenzierter Betrachtung im Einzelfall möglich zu machen“. | |
Noch aber ist es nicht so weit: Für das Treffen in Erfurt einigten sich die | |
Innenminister nach taz-Informationen in Vorgesprächen, den | |
Syrien-Abschiebestopp erneut um ein halbes Jahr zu verlängern. Das | |
bekräftigte am Sonntag auch Georg Maier (SPD), Thüringens Innenminister und | |
in diesem Jahr Vorsitzender der IMK: „Ich kann doch beim besten Willen | |
nicht Leute dorthin abschieben, wo ein Terrorregime herrscht“, sagte er | |
der taz. | |
Für Svenja Borgschulte von der [3][Organisation Adopt a Revolution] ist die | |
Gefahr damit nicht gebannt. „Das Problem ist auch der Diskurs an sich. Es | |
wird in den Raum gestellt, dass es sicher sei, nach Syrien abzuschieben“, | |
sagt sie. | |
Streit dürfte es auf der IMK über die Aufnahme von weiteren Geflüchteten | |
geben, die seit Monaten in überfüllten Lagern in Griechenland festsitzen. | |
Anfang März hatten sich die EU-Innenminister nach langem Zögern geeinigt, | |
bis zu 1.600 kranke oder unbegleitete Kinder und Jugendlicher aus den | |
Lagern aufzunehmen, 350 davon durch Deutschland. Mitte April waren die | |
ersten 47 Kinder hier eingetroffen. Seehofer kündigte zuletzt an, demnächst | |
weitere 243 Kinder einzufliegen. | |
## Länder wollen mehr Geflüchtete aufnehmen | |
Einige Länder aber wollen mehr. So beschloss erst zu Monatsbeginn Thüringen | |
ein eigenes Landesaufnahmeprogramm: Bis Ende 2022 will man dort [4][bis zu | |
500 Geflüchteten aus Griechenland] eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis | |
erteilen. Auch Berlin bot Seehofer zuletzt an, mindestens 70 Kinder | |
aufzunehmen. Seehofer aber lehnt das bislang ab. | |
Das Ringen wird sich nun auf der IMK fortsetzen. So wollen die | |
SPD-Innenminister dort einen Beschluss fällen, „Solidarität mit | |
Griechenland und mit in Not geratenen Flüchtlingen, besonders Angehörigen | |
vulnerabler Gruppen wie Minderjährigen, zu zeigen“. Und: „Die Bereitschaft | |
einzelner Länder zur Aufnahme besonders schutzbedürftiger Personengruppen | |
wird besonders betont.“ | |
Diesen Satz aber wollen die Unionsminister nach taz-Informationen nicht | |
mittragen. Auch soll die Aufnahme nach ihrem Willen konkret auf | |
„unbegleitete Minderjährige, kranke Kinder und ihre Kernfamilien“ begrenzt | |
werden. | |
Auch Seehofer mauert weiter. Die Migration sei ein europäisches Problem und | |
müsse dort gelöst werden, betonte er zuletzt. Auch ein Sprecher betont die | |
„klare Gesetzeslage“, wonach die Aufnahme von Geflüchteten der Bund regeln | |
müsse. Der Berliner Innensenator Geisel (SPD) dagegen schrieb zuletzt an | |
Seehofer, ein „mit Augenmaß initiiertes Sofortprogramm“ sei „nicht nur | |
machbar, sondern ein klares Signal an Europa, dass die solidarische | |
Übernahme von Verantwortung möglich“ ist. | |
## Kritik am Bund | |
Thüringens grüner Migrationsminister Dirk Adams sagte der taz, auch er | |
würde eine europäische Lösung immer vorziehen. „Aber das ist bis heute | |
nicht geglückt – und diese Kraftprobe zwischen den EU-Staaten darf nicht | |
auf dem Rücken der Menschen in den Lagern ausgetragen werden.“ Er wünsche | |
sich, dass die Innenministerkonferenz das Recht der Länder unterstreicht, | |
eigene Landesaufnahmeanordnungen wirksam zu machen. | |
In der gerade von Thüringen beschlossen Anordnung heißt es mit Blick auf | |
den Bund unmissverständlich: „Die Aufnahme von wenigen hundert Flüchtlingen | |
durch Deutschland ist völlig unzureichend.“ | |
16 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Gefluechtete-in-Europa/!5667913 | |
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[4] /Interview-mit-Adopt-a-Revolution/!5046457 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
Konrad Litschko | |
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