| # taz.de -- Senat will Geflüchtete aus Moria holen: Das Prinzip Hoffnung | |
| > Berlin hat ein Landesprogramm für die Aufnahme von 300 Geflüchteten aus | |
| > Griechenland beschlossen. Ob das mehr ist als Symbolpolitik, muss sich | |
| > zeigen. | |
| Bild: Warten auf eine bessere Zukunft: Gefüchtete im Camp Moria auf der griech… | |
| Berlin taz | Wenn man Menschen in Notlage helfen könne, sagte Innensenator | |
| Andreas Geisel (SPD) am Dienstag in der Pressekonferenz nach der | |
| Senatssitzung, dann müsse man das auch tun. Was Geisel konkret damit meint: | |
| Der Senat hat nun doch – nachdem der [1][Innensenator selbst lange | |
| gezögert] hatte –, ein eigenes Landesaufnahmeprogramm für 300 Menschen | |
| beschlossen, die sich derzeit in den völlig überfüllten Flüchtlingslagern | |
| auf den griechischen Inseln befinden. „Dort droht eine humanitäre Notlage | |
| in eine Gesundheitskatastrophe zu kippen und deshalb müssen wir handeln“, | |
| begründete Geisel seinen Sinneswandel. | |
| Kommen darf allerdings nicht jede*r: Das Landesaufnahmeprogramm richte sich | |
| insbesondere an unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Alleinerziehende, | |
| Schwangere und schwerkranke oder traumatisierte Menschen. Auch ältere | |
| Menschen über 60 Jahren die zur Covid-19-Hochrisikogruppe gehören, dürfen | |
| hoffen. | |
| Und selbst für diese Menschen bleibt das Prinzip Hoffnung explizit | |
| bestehen: „Das alles gilt vorbehaltlich der Zustimmung des | |
| Bundesinnenministers“, betonte Geisel. Blockiert Horst Seehofer (CSU) | |
| weiterhin Aufnahmeprogramme der Länder – wie er es bisher zuverlässig getan | |
| hat –, dann kommen exakt null Geflüchtete aus Moria und den anderen Lagern | |
| in der Ägäis an. Geisel betonte, Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes | |
| verlange nun mal ganz klar das Einvernehmen mit dem Innenministerium. | |
| [2][Seehofer verweigert seine Zustimmung] zu einzelnen Landesprogrammen | |
| bisher mit der Begründung, es gebe ja bereits ein Bundesprogramm. Das läuft | |
| seit März und sieht die Aufnahme von bis zu 1.500 Geflüchteten, allerdings | |
| nur Minderjährigen, vor. Angekommen sind davon allerdings erst 47, davon | |
| acht in Berlin. Das sei ihm zu wenig, bemerkte Geisel am Dienstag. | |
| „Deutschland kann mehr und Berlin will da vorangehen.“ | |
| ## Hoffen, dass der Schwung trägt | |
| Mal abgesehen von der Tatsache, dass eigentlich Thüringen mit einem | |
| Landesprogramm vorangeschritten ist, klingt das natürlich schwungvoll. Und | |
| hoffen, dass der Schwung trägt, das wollte am Dienstag auch die engagierte | |
| Zivilgesellschaft, genauso wie die rot-rot-grünen Koalitionäre. Der | |
| Beschluss sei grundsätzlich „sehr begrüßenswert“, sagte Georg Classen vom | |
| Flüchtlingsrat auf taz-Anfrage. Auch wenn, schränkt er ein, „300 Menschen | |
| natürlich zu wenig“ seien. | |
| „Horst Seehofer kann jetzt eigentlich gar nicht mehr anders, als sein | |
| Einvernehmen zu geben“, glaubt die Berliner Grünen-Fraktionschefin Antje | |
| Kapek. „Ich habe große Hoffnung, dass das jetzt endlich klappt“, | |
| schließlich werde die Not der Menschen in Moria immer schlimmer. Das zu | |
| ignorieren „kann sich auch ein Bundesinnenminister irgendwann nicht mehr | |
| leisten“, sagte sie der taz. | |
| Inzwischen hätten sich außerdem „so viele Kommunen und auch das Land | |
| Thüringen bereit erklärt, Geflüchtete aufzunehmen“, dass man schon fast von | |
| einer „bundeseinheitlichen Lösung“ sprechen könne, so Kapek. „Insofern … | |
| eine Weigerung Seehofers absolut nicht nachzuvollziehen.“ Man hoffe auf | |
| „einen Dominoeffekt, dass weitere Bundesländer nachziehen“, sagte auch | |
| Katina Schubert (Linke). | |
| Classen fordert, Geisel müsse bei einer weiteren Blockade Seehofers | |
| rechtliche Schritte prüfen, um die Zustimmung des Bundes im Zweifel | |
| einzuklagen. Das forderte am Dienstag auch der Republikanische | |
| Anwaltsverein: Das Recht auf Schutz und Asyl werde permanent gebrochen. Die | |
| Länder müssten deshalb „den Rechtsweg beschreiten“, wenn die Unterstützu… | |
| aus dem Bund ausbliebe. | |
| Kritisch sah der Flüchtlingsrat am Dienstag auch, dass viele praktische | |
| Fragen offen blieben: „Wer sucht die Menschen aus, wie und von wem bekommen | |
| sie ihre Papiere?“, fragt Classen. Laut dem Senatsbeschluss sind für die | |
| Auswahl des „begünstigten Personenkreises“ die Senatsverwaltungen Bildung | |
| und Integration/Soziales „federführend“ zuständig, die Innenverwaltung ist | |
| nur beteiligt. „Letztere ist aber diejenige Verwaltung mit dem Knowhow | |
| sowie den Kontakten zum Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt“, | |
| erklärt der Experte. | |
| Die Innenverwaltung sei daher jetzt gefordert, Verantwortung zu übernehmen | |
| und konstruktiv an der konkreten Umsetzung vor Ort in Griechenland | |
| mitzuarbeiten. Geisel hatte es ja im Prinzip auch selbst gesagt: „Menschen, | |
| denen wir helfen können, müssen wir helfen.“ | |
| 16 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
| Susanne Memarnia | |
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