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# taz.de -- Kritik an Nothilfe für Studierende: Zu spät und zu wenig Geld
> Studierende in Not, die weniger als 500 Euro auf dem Konto haben, sollen
> nun Zuschüsse vom Bund erhalten. StudierendenvertreterInnen sind empört.
Bild: Vielleicht bietet die Fachliteratur Aufschluss über die Bundesregierung
Berlin taz | Kellnern in der Kneipe oder Kartenabreißen im Kino, das sind
klassische StudentInnenjobs. Zwei Drittel der Studierenden sind
erwerbstätig, die Einkünfte aus den Nebenjobs sind neben den Zahlungen der
Eltern die wichtigste Einnahmequelle für Studierende. Diejenigen, deren
Eltern wenig verdienen, sind umso stärker auf Nebenjobs angewiesen, wie
eine in dieser Woche veröffentlichte Studie des Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt. Nun sind in der Coronakrise durch den
wirtschaftlichen Shutdown viele der klassischen Nebenjobs in Bars und
Kneipen weggefallen.
Ende April hatte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) daher
schnelle und unbürokratische Hilfe für Studierende in Not angekündigt. Sie
sollen einerseits zinslose Kredite von bis zu 650 Euro beantragen können.
Für Härtefälle wollte Karliczek einen Nothilfefonds mit 100 Millionen Euro
aufgelegen, aus dem die Betroffenen Zuschüsse erhalten, die nicht
zurückgezahlt werden müssen.
Nun fast einen Monat später sind auch der Fahrplan und die Konditionen für
den Fonds klar. Studierende, die nachweisen können, dass sie weniger als
500 Euro auf dem Konto haben, bekommen einen Zuschuss. Und zwar maximal
drei Monate lang. Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach dem Kontostand.
Wer 100 Euro auf dem Konto hat, bekommt 400 Euro, wer 400 Euro vorweisen
kann nur 100 Euro. Maximal werden 500 Euro ausgezahlt, Studierende, deren
Kontostand bereits im Minus liegt, können also keine Schulden zurückzahlen.
Anders als im April verkündet, sollen auch Studierende profitieren, die
Bafög-berechtigt sind. Sie müssen aber, wie alle anderen AntragstellerInnen
auch, mit Kontoauszügen über drei Monate belegen, dass ihr Kontostand durch
natürlichen Mittelabfluss gen Null gesunken ist und nicht durch Überweisung
riesiger Rücklagen auf Auslandskonten.
## 500 Euro reichen gerade mal für die Miete
Doch zunächst müssen sich die Studierenden noch ein wenig gedulden. In
Absprache mit den Studentenwerken, die die Auszahlung verwalten, lässt das
BMBF zunächst ein Onlinetool entwickeln, über welches die Anträge via
Internet gestellt werden können. Das soll bis 8. Juni einsatzbereit sein,
so dass die ersten Gelder ab 22. Juni fließen können.
Die Freude auf Seiten der Studierenden hält sich in Grenzen. Zu spät und zu
wenig, so der Tenor. „Nur der Anschein des Helfens soll erweckt werden“,
kritisiert Jacob Bühler vom [1][Freien Zusammenschluss von
Student*innenschaften (fzs)]. Studierenden, die in finanzielle Not geraten
sind, könne so nicht geholfen werden. „Die Realität ist: Viele Studierende
müssen alleine für ihre Miete über 500 Euro bezahlen“, so Bühler. Der
studentische Dachverband fordert die Entlassung Karliczeks.
Unterstützung erhalten die StudierendenvertreterInnen von Grünen und Linken
im Bundestag, ebenso auch von den Gewerkschaften. Der grüne Bildungsexperte
Kai Gehring kritisiert die „Bummelei“ des Ministeriums: „Mindestens vier
weitere Wochen dauert es, bis die Nothilfe der Studierenden ankommt.“
Ähnlich äußerte sich auch Nicole Gohlke, hochschul- und
wissenschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion: „Hunderttausende
Studentinnen und Studenten hängen in einer Warteschleife aus Ankündigungen
und Dementis fest, und dem Bundesbildungsministerium fällt nach fast drei
Monaten nichts Besseres ein, als ein Antragstool für die mickrigen 100
Millionen Euro zu entwickeln.“
## Wer verhinderte die Öffnung des Bafögs?
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack erklärte die Nothilfe
angesichts von Lebenshaltungskosten, die im Durchschnitt über 800 Euro
lägen, für vollkommen unzureichend. „Hier wird ein großer bürokratischer
Aufwand betrieben, um den Anspruch auf einen viel zu geringen Zuschuss
nachzuweisen“, so Hannack.
Kritik kommt auch vom Koalitionspartner, der SPD. Die Bildungsministerin
habe schnelle und unbürokratische Hilfe für Studentinnen und Studenten in
Not versprochen, dieses Versprechen aber nicht eingehalten, so deren
bildungspolitischer Sprecher im Bundestag Oliver Kaczmarek. „Hätten wir,
wie von uns und nahezu der gesamten Fachwelt gefordert, das Bafög befristet
geöffnet, gäbe es längst Hilfe für in Not geratene Studierende“,
kritisierte Kaczmarek.
Dass das nicht geklappt hat, soll aber nicht nur an der Union, sondern auch
an SPD-Finanzminister Olaf Scholz gelegen haben, so berichten es
BildungspolitikerInnen von Union und Grünen. Denn eine Erweiterung des
Kreises der Bafög-Empfänger hätte vermutlich mehr als eine Milliarde Euro
gekostet.
29 May 2020
## LINKS
[1] https://www.fzs.de/
## AUTOREN
Anna Lehmann
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