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# taz.de -- Menschen mit systemrelevanten Berufen: Auf sie kommt es jetzt an
> In der Corona-Krise halten die Beschäftigten in Krankenhäusern,
> Supermärkten, Praxen das System am Laufen. 13 von ihnen berichten aus
> ihrem Alltag.
Bild: Ob in Brescia, Berlin oder Bamberg – viele Menschen gehen ein persönli…
## „Die Leute sehen uns mit anderen Augen“
Nicole Meyer, 51, arbeitet als Supermarkt-Verkäuferin in Sulzbach
Seit Wochen kaufen die Kundinnen und Kunden alles leer, was sich lange
lagern lässt: Mehl, Nudeln, Dosengemüse. Schon bevor der Laden öffnet,
bildet sich eine Schlange vor der Tür. Die Menschen wollen als Erstes ihren
Einkauf erledigen. „Wir können die Regale gar nicht so schnell wieder
auffüllen, wie sie leergeräumt werden“, sagt Nicole Meyer.
Die Arbeit im Einzelhandel ist schlecht bezahlt. Das Bruttomonatsgehalt von
Verkäuferinnen und Verkäufern liegt laut einer Umfrage der
Hans-Böckler-Stiftung bei durchschnittlich 1.890 Euro. Zwei Drittel der
Befragten gaben an, unzufrieden mit ihrer Bezahlung zu sein. Die Arbeit der
Branche wird vor allem von Frauen geleistet: 70 Prozent der Beschäftigten
im Einzelhandel sind weiblich. Viele von ihnen arbeiten in Teilzeit,
kümmern sich um die Kinder oder pflegen nebenher Angehörige.
In dem Supermarkt, in dem Nicole Meyer arbeitet, fehlen aktuell fünf ihrer
Kolleginnen. Sie müssen ihre Kinder betreuen, weil Kitas und Schulen
geschlossen sind. Das bedeutet: mehr Arbeit und Überstunden für alle
anderen. Und da zurzeit tagsüber immer viele Kassen geöffnet sind, arbeitet
weniger Personal auf der Supermarktfläche.
Nicole Meyer leidet an Diabetes Typ 1 und gehört zur Risikogruppe. Sie
versucht positiv zu bleiben, obwohl sie selbst Angst vor dem Virus hat.
Kontakt zu Kundinnen und Kunden gehört schließlich zum Beruf dazu. Als
Vorsichtsmaßnahme gibt es bereits 1,5-Meter-Markierungen an den Kassen, von
denen auch nur noch jede zweite geöffnet wird, wegen des Abstands.
Die Stimmung der Menschen beim Einkauf habe sich verändert, erzählt Meyer.
Viele wirkten fast panisch. Es gebe aber auch Kundinnen und Kunden, die für
ihre Lage Verständnis zeigen. Die sich bedanken und ihr sagen, dass sie
froh sind über ihre Arbeit. „Ich habe das Gefühl, dass uns viele Menschen
durch diese Notlage mehr wertschätzen und mit anderen Augen sehen.“ Text:
Steven Meyer; Nicole Meyer ist seine Mutter
* * *
## „Wir dürfen die anderen Patienten nicht vergessen“
Luise Braun, 32, arbeitet als Krankenschwester an der UKS Homburg
„Bei uns im Krankenhaus gab es bisher nur einen Corona-Fall auf der
Intensivstation. Trotzdem beschäftigen wir uns auch bei uns auf der Station
für Nierenheilkunde fast nur mit Katastrophenplänen und damit, was kommen
könnte – und vergessen dabei fast, dass wir noch andere schwerkranke
Patienten haben, die unsere Hilfe brauchen.
Zum Beispiel haben wir angefangen, die Station in verschiedene Bereiche zu
teilen, in einen geschützten Bereich für immungeschwächte
nierentransplantierte Patienten, und in einen infektiösen Bereich, in den
könnten dann Corona-positive Fälle aufgenommen werden. Wie wir die
vorhandenen Patienten da einsortieren, darüber gab es vor ein paar Tagen
auch Missverständnisse und Diskussionen – also die Nerven liegen schon
blank gerade! Das merke ich auch bei der Hygiene. Die Basics hab ich
natürlich alle total verinnerlicht, aber momentan überprüfe ich alles
nochmal doppelt. Und erwische mich auch mal dabei, wie ich meine Kollegen
kritisch beäuge.
Aktuell werden auch die Einfahrten zum Krankenhaus kontrolliert, jeder muss
seinen Dienstausweis zeigen. Allerdings dürfen die Leute vom Ordnungsamt
wohl immer noch rein. Am Montag habe ich nämlich ein Knöllchen bekommen.
Schon jetzt steigt unsere Arbeitsbelastung, denn gerade werden von jeder
Station Leute abgezogen, um die Intensivstationen personell besser
auszustatten. Gestern hätten wir zum Beispiel eigentlich zu viert
gearbeitet – aber ein Kollege wurde in die Basics der Beatmung eingewiesen.
Zu dritt ging es auch ganz gut, denn wir haben ja auch alle Patienten
entlassen, die fit genug sind.
Seit Mittwoch habe ich eine Woche frei, das war schon vorher geplant. Aber
natürlich habe ich meinen Kollegen und Chefs gesagt, dass sie mich im
Notfall anrufen sollen. Es ist sicherlich gut, vor dem Sturm nochmal kurz
verschnaufen zu können, etwas Zeit im Garten und mit dem Dackel verbringen
zu können. Aber richtig ablenken kann ich mich halt auch nicht – ich kann
gerade an nichts anderes denken.
Bei alldem mache ich mir um mich selbst weniger Sorgen. Aber ich wohne mit
meiner 90-jährigen Oma unter einem Dach, da hab ich natürlich Angst, dass
ich irgendwas mitbringe.“ Protokoll: Michael Brake
* * *
## „Wir halten die Ängste aus“
Petra Schimmel, 61, leitet die Telefonseelsorge in Hamm
„Bei uns rufen Menschen an, die einsam sind, Depressionen oder Ängste
haben. Das Coronavirus verstärkt die Themen dieser Menschen. Wenn wir die
Anruferzahlen dieser Woche mit denen einer durchschnittlichen Woche aus
Februar oder Januar 2020 vergleichen, haben wir 50 Prozent mehr Anrufe. Es
sind ältere Menschen dabei, aber auch jüngere und aus allen Berufsgruppen.
Normalerweise ist nur eine Person am Telefon und eine im Chat. Jetzt haben
wir deutlich aufgestockt.
Wir tun, was wir immer tun: Wir sind da, und das verstärkt. Wir hören zu,
wir halten die Ängste aus. Und wir fragen: Was ist die Angst eigentlich?
Was steckt dahinter? Für mich geht es darum, das richtige Maß für alles zu
finden. Wer jetzt zu Hause sitzt, einsam ist und den ganzen Tag nur
Fernsehen schaut, dem versuche ich zu sagen, dass das zu viel ist und nur
Angst und Not verstärkt. Manchmal schweige ich auch mit den Anrufenden. Mit
anderen versuche ich eine Tagesstruktur zu entwerfen.
Für mich ist die Corona-Lage auch eine Chance, dass wir merken: Wie viel
brauchen wir eigentlich, um zu leben? Was bedeutet diese Lage für uns? Und
wie gut ist es, auch mal in Stille zu sein? Viele der Anrufenden können mit
Stille und Einsamkeit gar nicht umgehen.
Wahr ist auch: Viele Menschen, die bei uns arbeiten, gehören zur
Risikogruppe. Die meisten sind über 55 Jahre alt. Alle arbeiten im
Einzelbüro, für die Übergaben haben wir Regeln gefunden, um Abstand zu
halten und uns vor einer Ansteckung zu schützen.
Im Homeoffice zu arbeiten ist für uns nicht so einfach. Wer bei uns
arbeitet, schlüpft in eine Rolle, ist Beraterin. Zu Hause ist es viel
schwieriger, diese Rolle dann wieder abzustreifen. Wir haben
Supervisionsgruppen für alle Mitarbeitenden, um Themen aus dem Chat oder
aus den Telefongesprächen zu besprechen. Diese Gespräche können wir online
oder über Telefon machen.
Angst kann man nicht verbieten. Aber es ist gut, alles dafür zu tun, dass
die Angst uns nicht beherrscht. Eine gute Möglichkeit ist es, miteinander
zu reden.“ Protokoll: Tanja Tricarico
* * *
## „Unsere Schutzbrillen dichten nicht ab“
Hannah H., 26, ist Intensiv-Krankenschwester bei einer Leasingfirma in
Berlin
„Ich arbeite als Intensiv-Krankenschwester in einem Zeitarbeitsbetrieb, der
uns an die Berliner Intensivstation verleiht, die gerade am dringendsten
Schwestern und Pfleger braucht. Wir Leasing-Leute sind vor den
grenzwertigen Arbeitsbedingungen im Krankenhaussystem geflohen, zumindest
verdienen wir gut.
Schon ohne Corona-Fälle ist die Arbeit auf Intensiv fast nicht zu
bewerkstelligen, jetzt sollen wir ohne zusätzliches Personal die
zusätzlichen Corona-Patienten versorgen. Auch wenn jetzt mehr
Intensivbetten angeschafft werden – am Personal wird es mangeln.
Gesundheitsminister Spahn strebt einen Pflegeschlüssel von einer
Pflegekraft zu zwei Patienten an. Wir betreuen aber gerade eins zu vier
Patienten. Darunter sind schwerste Fälle, die jede halbe Stunde zu
reanimieren sind. Die Schwester, die jetzt für den abgeschotteten
Corona-Bereich zuständig sein soll, fehlt bei der übrigen Arbeit. Wenn die
Schichtleitung bei den Corona-Patienten war, kann sie bei anderen nicht mit
reanimieren. Die Übertragungsgefahr ist zu groß – die ist aber auch im
Team gegeben, weil man nie weiß, wer infiziert ist.
Patienten kommen bei uns fraglich instabil an und werden abgestrichen. Der
Test dauert aber 12 bis 24 Stunden, weil die Labore überlastet sind. Es ist
auch keine passende Schutzkleidung da. Die Schutzbrillen, die wir haben,
dichten nicht komplett bis unter den Mundschutz ab. Wir haben den Chefarzt
gefragt, wie wir das in der kommenden Zeit bewerkstelligen sollen, er
meinte darauf: ‚Ihr könnt mich steinigen, aber wir müssen jetzt halt alle
den Gürtel enger schnallen.‘
Alle auf der Station reden sich im Moment den Mund fusslig. Die Schwestern
kommen zum Dienst und leisten, was sie schaffen. Jeder, der kann, muss
jetzt helfen, muss ans Bett. Einige haben ihren Urlaub abgesagt. Noch gibt
es nicht so viele schwerkranke Corona-Infizierte, aber wir sind nicht
gerüstet. Mal schauen, was in zehn Tagen ist. Wir Schwestern arbeiten immer
schon am Limit, jetzt wird auf uns geschaut. Ich hoffe, dass sich jetzt
auch was bewegt.“ Protokoll: Stefan Hunglinger
* * *
## „Von Tag zu Tag das Richtige tun“
Pamela Perona, 49, ist Ärztin für Allgemein- und Reisemedizin in Bamberg
taz am wochenende: Frau Perona, gerade haben Sie Sprechstunde. Was ist bei
Ihnen los?
Pamela Perona: Ich habe meine Sprechstunde aufgeteilt. Von 8.30 bis 10 Uhr
behandle ich Patienten, die nichts mit Corona zu tun und wichtige und
akute Anliegen haben. Einige von ihnen sitzen jetzt noch im Wartezimmer. An
Nachmittagen nehme ich Corona-Abstriche, das tue ich aber draußen im Hof.
Im Hof?
Wir haben einen Hinterhof mit einem Parkplatz für ein Auto. Die Leute
kommen im Viertelstundentakt, damit sie nicht aufeinandertreffen. Sie
klingeln. Dann werfen wir uns oben in die Montur, also die Schutzkleidung,
ich nehme den Abstrich an der Tür. Anschließend werden Türe und Klingel
desinfiziert. Zurzeit sind es vielleicht zehn bis fünfzehn Abstriche pro
Tag, das ist überschaubar. Außerdem habe ich sogenannte Pandemiedienste
übernommen, das heißt, ich fahre für Abstriche auch zu Menschen nach Hause.
Sie arbeiten deutlich mehr als sonst.
Ja, normalerweise arbeite ich etwa 40 Stunden, zurzeit sind es eher 60.
Als Ärztin sind Sie zurzeit besonders „systemrelevant“. Wie fühlt sich das
an?
Ganz ehrlich: Auch nicht wesentlich anders als sonst. Als Ärztin hat man
immer Verantwortung. Ich war immer bereit, dort zu arbeiten, wo Ärzte
wirklich gebraucht werden, dafür habe ich ja Medizin studiert. Zurzeit habe
ich vor allem Sorge um meine älteren Patienten und jene mit chronischen
Erkrankungen.
Um sich sorgen Sie sich nicht?
Nein. Ich habe lange am Tropeninstitut München gearbeitet und komme somit
aus der Infektiologie, da kann man keine großen Infektionsängste haben. Ich
finde es auch schwierig, wenn sich manche Ärzte jetzt nicht einbringen
wollen. Ein Pilot kann auch nicht sagen: Es ist schlechtes Wetter, ich
fliege nicht. Wenn ich meine zwei Kinder in Gefahr wüsste, würde mich das
sicherlich aus der Ruhe bringen. Aber das Virus ist für Jüngere nicht
gefährlicher als viele andere Keime, die uns umgeben. So geht es darum: Wie
können wir dafür sorgen, dass das System nicht kollabiert, dass die
vulnerablen Patienten geschützt sind? Ich passe natürlich auf, weil ich
kein Verteiler sein will, deshalb bin ich genau.
Was tun Sie?
Ich achte auf die Schutzkleidung, die Hygienemaßnahmen. Ich finde auch,
alle Menschen in den systemrelevanten Berufen sollten regelmäßig
abgestrichen werden, damit sie das Virus nicht weitergeben. Auch Hausärzte
müssten strikt Masken tragen.
Das machen sie bislang nicht?
Es ist im Moment noch sehr viel Unsicherheit da, vor allem bei
niedergelassenen Ärzten. Klare Vorgaben wären hilfreich. Sehr viele
Kollegen und Hilfskräfte sind sehr engagiert, das ist toll. Aber das
übergeordnete System ist träge.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Anfangs war vorgesehen, dass die Ärzte für Abstriche zu den Menschen nach
Hause kommen. Ich bin für einen körperlich fitten Patienten über anderthalb
Stunden im Auto unterwegs gewesen, dabei hätte der auch selbst fahren
können. In der Zeit hätte ich sehr viele Menschen abstreichen können. Ich
bin ja zu allem willig und bereit. Man kann mich irgendwo hinstellen und
ich mache es. Aber es soll sinnvoll sein. Die Ressourcen werden im Moment
nicht vernünftig eingesetzt. Wir fahren immer noch Menschen ab, die sehr
wohl selbst kommen könnten.
Sie testen jetzt auch in Nürnberg an einem neuen Drive-in-Testzentrum.
Gestern war ich zum ersten Mal dort. Ich hätte viele der Menschen nicht
abgestrichen, die da so kamen, im SUV, mit Maske, Spülhandschuhen und
leichtem Reizhusten. Aber ich entscheide nicht, wer getestet wird, das
macht inzwischen oft jemand von der Kassenärztlichen Vereinigung am
Telefon. Wenn jeder abgestrichen wird, gibt es wahrscheinlich nicht genug
Röhrchen und Laborkapazitäten. Ich hielte es für richtig, nur die
Multiplikatoren und sehr kranken Menschen zu testen. Die Vorgaben, bei wem
ein Abstrich gemacht wird, erscheinen mir im Moment sehr willkürlich.
Was meinen Sie, wie geht es weiter?
Ich bemühe mich keine Prognosen abzugeben, sondern versuche, von Tag zu Tag
das Richtige zu tun. Interview: Antje Lang-Lendorff
* * *
## „Der Rückhalt spendet Kraft“
Simone Marks, 41, ist Sozialarbeiterin an einer Grundschule in Dortmund
„Als wir von den Schulschließungen erfahren haben, war es
Freitagnachmittag. Da blieb keine Zeit mehr, noch irgendetwas zu
organisieren. Aber wir haben schnell umgeschaltet. Heute betreuen wir nur
noch die Kinder der sogenannten Schlüsselpersonen wie Ärzte, alle anderen
Kinder dürfen wir nicht mehr betreuen.
Bis 11.30 Uhr übernehmen die Lehrer der Grundschule die Notbetreuung,
danach sind wir an der Reihe. An manchen Tagen kommen zwei, an anderen vier
Kinder. Nicht alle Eltern, die Anspruch hätten, nutzen unser Angebot, auch
sie wollen ihren Beitrag leisten. Wir teilen die Betreuung in unserem Team
auf, nur die beiden Kolleginnen, die über 60 Jahre alt sind, bleiben jetzt
zu Hause.
Wir sind ein tolles Team, das auch herzlich miteinander umgeht, sich mal
drückt und in den Arm nimmt. Darauf plötzlich zu verzichten, ist wahnsinnig
schwierig, es dauert, da umzuschalten. Besonders im Umgang mit Kindern ist
es nicht einfach. Kinder sind impulsiv und wollen Körperkontakt, dann
springen sie einem auch einfach mal in die Arme. Und es ist Bestandteil
unserer Arbeit, zu trösten und Nähe zu spenden. Gerade in Zeiten wie
diesen, da auch die Kinder verunsichert sind und sich Zuneigung wünschen.
Wir erklären ihnen dann, dass wir nicht wollen, dass das Virus von uns auf
sie rüberspringt und umgekehrt. Das verstehen sie.
Und trotzdem ist es natürlich schwierig, beim Spielen immer die
Zwei-Meter-Abstand-Regel einzuhalten. Wir versuchen, ihnen Alternativen zu
bieten, basteln viel, singen, spielen Gitarre und lesen ihnen neuerdings
„Harry Potter“ vor.
Ich beobachte in den sozialen Medien, wie viel Anerkennung unsere Arbeit
plötzlich erfährt, und finde das ganz großartig. Das macht richtig was mit
mir. Die ganze Situation ist emotional ja für niemanden einfach, aber
dieser Rückhalt spendet Kraft. Da geht ein Ruck durch die Gesellschaft, das
spüre ich.“ Protokoll: Hanna Voß
## * * *
## „Abstand halten geht bei uns nicht“
Paul Hierse, 32, ist Altenpfleger in Falkensee, Brandenburg
„Ich arbeite in der Tagespflege. Das heißt: Die pflegebedürftigen Menschen
sind tagsüber bei uns. Wir holen sie zu Hause ab, betreuen sie, essen
zusammen, wir bringen sie am Nachmittag nach Hause. Das entlastet die
Angehörigen. Wir haben 16 Plätze und sind voll belegt. Insgesamt 45 Gäste
kommen im Laufe der Woche zu uns, manche die ganze Woche, manche nur
einzelne Tage.
Jetzt nicht mehr: Seit Mittwoch ist unser Haus geschlossen. Wir sind eine
zu große Gruppe, das Ansteckungsrisiko wäre zu hoch.
Die Gäste und ihre Angehörigen haben verständnisvoll auf die Schließung
reagiert. Wir bieten ihnen an, sie zu Hause zu besuchen. Besonders zu
denen, die keine Familie haben, halten wir engen Kontakt. Gleich fahre ich
noch für ein bis zwei Stunden zu einer Frau mit Demenzerkrankung, die von
ihrem Mann versorgt wird. Sie ist sonst fünf Tage die Woche bei uns.
Menschen mit Demenz zu erklären, warum sie nicht mehr kommen können, ist
schwer. Ich weiß nicht, wie sie reagieren, wenn die eingespielte Routine
wegfällt.
Durch die Schließung habe ich erst mal weniger Arbeit, ich konnte mich
heute sogar im Garten um die Blumen kümmern. Aber das kann sich schnell
ändern. Zu unserer Niederlassung gehört auch ein ambulanter Pflegedienst,
wir versorgen rund 120 Menschen zu Hause. Noch sind wir in der glücklichen
Lage, dass keine der Pflegekräfte krank wurde. Aber das ist eine Frage der
Zeit. Wenn Sie Menschen pflegen, sie waschen, sie medizinisch versorgen,
können Sie nicht 1,50 Meter Sicherheitsabstand halten. Wenn jemand
ausfällt, springe ich ein.
Sollten wir Pflegebedürftige nicht mehr versorgen können, weil sie sich zum
Beispiel selbst mit Corona infiziert haben, müssten das die Angehörigen
übernehmen. Menschen ohne Familie müssten wir ins Krankenhaus einliefern
lassen.
Ich bin stellvertretender Leiter der Tagespflege. Die Schließung des Hauses
ist für uns ein wirtschaftliches Desaster. Wir haben ja laufende Kosten,
die Miete, das Personal, die geleasten Busse. Die Einnahmen fallen jetzt
auf einen Schlag weg. Die Situation ist belastend, das nehme ich nach
Feierabend auch mit nach Hause.
Und wer weiß, vielleicht werde ich irgendwann sogar in eine Klinik
abbeordert? Ich habe eine Zusatzausbildung für Beatmungspflege. Irgendwann
können die Kollegen im Krankenhaus vielleicht nicht mehr, dann werden
möglicherweise ausgebildete Pflegekräfte aus der ambulanten Versorgung
abgezogen. Das wäre der Worst Case.
Aber so weit muss es nicht kommen. Zurzeit denken wir nur von Tag zu Tag.“
Protokoll: Antje Lang-Lendorff
* * *
## „Es eine schwierige Situation für unsere Leute“
Charlotte Wong, 28 Jahre, Helferin in der Notübernachtung der Stadtmission
in Reinickendorf
„Ich studiere eigentlich Business Management an der Berlin International
University of Applied Sciences in Charlottenburg. Ehrenamtlich arbeite ich
als Abendverantwortliche in der Notübernachtung der Stadtmission in
Reinickendorf. Das heißt, ich muss anderen Mitarbeiter Aufgaben zuweisen,
die Übernachtungsgäste am Einlass abholen und sie auf Waffen, Alkohol und
Drogen abtasten.
Derzeit sind es mehr Aufgaben geworden. Ich muss dafür sorgen, dass die
Gäste sich beim Einlass richtig die Hände waschen. Wenn ein Gast auffällig
husten oder andere Corona-Symptome zeigen würde, würden wir ihn nicht
einlassen, sondern den Krankenwagen rufen.
Ich muss mich jetzt auch mehr um die Mitarbeiter kümmern. Wir haben
gefragt, ob Ehrenamtliche ihre Schichten aus Sorge vor Corona abgeben
möchten. Die meisten finden ihre Arbeit auch in dieser Situation sinnvoll.
Wenn die Gäste auf der Straße übernachten müssten, wäre die
Ansteckungsgefahr für sie noch größer. Solange die Notübernachtung offen
hat, wollen wir helfen, das ist unser Ziel.
Es eine schwierige Situation für unsere Leute, aber die Gäste befolgen alle
Regeln und bieten sogar an, zu helfen. Sie haben die Situation gut
verstanden. Bis jetzt ist alles noch in Ordnung. Ich habe von den Gästen
aber schon gehört, dass sie sich Sorgen machen, dass die Notübernachtung
frühzeitig schließt. Da sollte ich der Regierung von Deutschland vertrauen.
Bei der Arbeit habe ich eigentlich keine große Sorge, wir tragen Mundschutz
und Handschuhe, wir haben auch von den Hauptamtlichen eine Einführung
bekommen, worauf zu achten ist. Ich trage auch beim Einkaufen und in der
U-Bahn einen Mundschutz. Manche lachen dann über mich und sagen, nur Kranke
würde so einen Mundschutz tragen. Ich glaube, das ist ein kultureller
Unterschied zwischen Asien und Europa, zwischen Hongkong, wo ich herkomme,
und Berlin.“ Protokoll: Stefan Hunglinger
* * *
## „Wir alle führen ein Symptomtagebuch“
Anonym, Gesundheits- und Krankenpfleger, 22, Rettungsstelle eines
Krankenhauses in Berlin
„Unsere oberste Aufgabe ist es den normalen Alltag in der Rettungsstelle
trotz Corona zu erhalten. Denn wir behandeln dort erstmal alles: von
Herzinfarkt bis Hundebiss. Daher wurde nun eine, der Notaufnahme
ausgelagerte, Teststelle für Corona-Verdachtsfälle eingerichtet.
Verständlicherweise wollen sich viele Menschen testen lassen, denen müssen
wir kommunizieren, dass sie das dort machen sollen, um die
Ansteckungsgefahr innerhalb der Notaufnahme zu minimieren und
funktionsfähig zu bleiben.
Wenn aber PatientInnen mit schwerwiegenderer respiratorischer Symptomatik
eingeliefert werden, findet die Behandlung natürlich trotzdem in der
Rettungsstelle statt. Das führt mitunter zu Herausforderungen, da die
baulichen Gegebenheiten nicht auf ein so hohes Aufkommen streng zu
isolierender PatientInnen ausgelegt sind. Dann müssen wir
Behandlungszimmer, die für mehrere PatientInnen ausgelegt sind, zu
Einzelzimmern umfunktionieren, was die adäquate Behandlung anderer
PatientInnen erschwert.
Um die Ausbreitung des Virus unter dem Personal zu erschweren, gilt nun
eine generelle und permanente Mundschutzpflicht für MitarbeiterInnen der
Notaufnahme. Außerdem sollen alle für mindestens zwei Wochen ein
Symptomtagebuch führen, inklusive eigener Temperaturkontrollen während
jeder Schicht.
Ich halte es trotz all dieser Maßnahmen für durchaus wahrscheinlich, mich
selbst zu infizieren. Solange eine ausreichende Versorgung mit
Schutzkleidung, Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel gewährleistet ist,
kann das Risiko zwar geringgehalten werden, ausschließen kann man es jedoch
nicht. Sorgen mache ich mir vor allem darum, dass ich noch gesunde
PatientInnen während der Inkubationszeit anstecken könnte. Außerdem um
meine Eltern und meine Oma. Deshalb werde ich vorerst auf direkten Kontakt
mit ihnen verzichten.
Wenn man den Blick auf andere Staaten wirft, bei denen die Infektionen
schon weiter vorangeschritten sind, hoffe ich, dass alles irgendwie
glimpflicher verläuft. Richtig vorstellen kann mich mir eine Lage wie
momentan in Italien nicht. In den kommenden Wochen wird sicherlich noch
deutlicher werden, wie wichtig eine gute und gesicherte pflegerische
Versorgung ist.
Das Resultat dieser Pandemie muss eine Umstellung des Gesundheitssystems
sein, dass nicht schon bei normaler Belastung an seine Grenzen gerät,
sondern genügend Reserven und Puffer hat, um auch in Krisensituationen die
Versorgung aufrechtzuerhalten.“ Protokoll: Judith Rieping
* * *
## „Wir moderieren 24/7“
Daniel Plötz, 36 Jahre, Administrator der Facebook-Gruppe „#Coronahilfe
Hamburg“
taz am wochenende: Herr Plötz, die Facebook-Gruppe #Coronahilfe Hamburg ist
stark gewachsen. Wie behalten Sie den Überblick?
Daniel Plötz: Die Gruppe soll für die Vermittlung von Helfenden und
Hilfesuchenden dienen. Wir sind mittlerweile ein Team von dreizehn Leuten
und 24/7 dran, die Beiträge zu moderieren und strukturieren.
Wie funktioniert das?
Wir ordnen die Beiträge nach Postleitzahl. Anfangs gab es Leute, die durch
die ganze Stadt gefahren sind, um zu helfen. Das ist auf der einen Seite
super cool …
… aber auf der anderen Seite nicht der Sinn von Nachbarschaftshilfe.
Genau. Wir versuchen mit der Ärztin, die wir an Bord haben, den Helfern an
die Hand zu geben, was sie beachten müssen. An vielen Fronten müssen wir
jetzt den Überblick behalten. Es wenden sich nun Menschen an uns, die
eigene regionale Gruppen bilden wollen, die wir auch mit Tipps und einem
Headerbild unterstützen.
Welche Hilfe wird in der Gruppe angeboten?
Hauptsächlich Einkaufs- und Botengänge. Oder mit dem Hund eine Runde zu
gehen. Es gibt aber auch sehr vielfältige Angebote: Einer hat sich bereit
erklärt, Fahrräder fit zu machen, um öffentliche Verkehrsmittel zu meiden.
Eine andere Person hat angeboten, Selbstständigen beim Ausfüllen von
Jobcenter-Formularen zu helfen. Eine Zahnarztpraxis auf der Suche nach
Masken erhielt sofort einige Anlaufstellen.
Die Hilfsbereitschaft wird also in Anspruch genommen?
Ja! Es ist leichter Hilfe anzubieten, als sich einzugestehen diese zu
benötigen. Wir versuchen die Betroffenen daher zu ermutigen, sich privat an
uns zu wenden, wenn sie es nicht öffentlich machen wollen. Dann vermitteln
wir den Direktkontakt, um vertrauensvoll mit den Daten umzugehen.
Wie fühlt sich die Solidarität und Unterstützung an?
Es ist ein super Gefühl, etwas so Sinnvolles zu tun. Alle von uns haben
einen Job, aber packen jetzt an, wo wir können. Wir wollen auf keinen Fall,
dass das als Geschäftszweck genutzt wird. Es ist pures Ehrenamt.
Wird die Gruppe auch nach der Corona-Krise für Nachbarschaftshilfe
bereitstehen?
Auf jeden Fall! Niemand kann einschätzen, wie die Gesellschaft nach der
Krise sein wird, aber ich glaube, dass Viele merken, wie wertvoll es ist,
füreinander da zu sein. Ich glaube, dass die Werkzeuge, die wir jetzt
nutzen weiterhin ihre Daseinsberechtigung haben werden. Jemand meinte
schon, dass alle sich – wenn alles vorbei ist – an der Elbe treffen und in
den Arm nehmen sollten. Interview: Sarah Zaherr
* * *
## „Corona wirft uns auf uns selber zurück“
Christine Schlund, 53, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde am
Weinberg, Berlin
Als Christine Schlund am vergangen Sonntag die Kirchentür hinter sich ins
Schloss fallen ließ, wusste sie: Das war es erstmal. Was die Behörden zwei
Tage später offiziell anordneten, war der Pastorin da längst klar: Es war
ihr vorerst letzter Gottesdienst in der Berliner Sophienkirche. Für wie
lange? Keiner weiß es.
Schon dieser letzte Gottesdienst am 15. März stand ganz im Zeichen der
Krise, erzählt die 53-jährige Pastorin am Telefon. Besucher*innen mussten
sich in eine Liste eintragen. Es kamen weniger als sonst, etwa 50 Menschen.
Mehr wären auch nicht erlaubt gewesen. Auf den Kirchbänken wurde Abstand
zueinander gehalten. Man betete zusammen, und doch irgendwie jeder für
sich.
Seit Montag arbeitet also auch Pfarrerin Christine Schlund von zuhause aus.
Eine Hirtin im Homeoffice. Geht das überhaupt?
„Die Woche war sehr diffus und hektisch“, sagt Schlund. In
Telefonkonferenzen bespricht sie sich mit ihren Pfarrkolleginnen und
-kollegen aus Evangelischen Gemeinde am Weinberg. Wie umgehen mit dem
Ausnahmezustand? Sie planen ein Video-Streaming, der Gottesdienste über das
Internet überträgt. Sie beraten den Haushalt, der durch den zu erwarteten
Konjunktureinbruch und die fehlenden Kollekten, obsolet geworden ist. Und
sie telefonieren mit vielen Gemeindemitgliedern, singen und beten zusammen.
Sie spüre viel Enttäuschung und Sehnsucht, aber auch Verständnis, sagt
Schlund.
Natürlich könne sich die Kirche keine Extrarolle herausnehmen. Das sei eine
Frage der Solidarität. Sie sagt aber auch: „Gerade jetzt ist es nötig,
Menschen Halt zu geben.“ Immerhin: Ganz geschlossen ist die Kirche nicht.
Die Tür steht, Stand jetzt, weiter offen. Wer will kann hinein gehen, ein
wenig Ruhe außerhalb der eigenen vier Wände finden, eine Kerze anzünden.
Religion wird – wie so Vieles im Moment – eine sehr private Angelegenheit.
„Corona wirft uns auf uns selber zurück“, sagt auch Schlund. „Jetzt merk…
wir erst, wie sehr wir uns über Arbeitsbezüge und unser Sozialgefüge
definieren.“ Theologisch stellen sich durch die Krise neue Fragen. Und auch
organisatorisch ist das Corona-Virus zwar zunächst eine Herausforderung,
könnte aber auch neue Wege ebnen. „Wir werden nach dieser Krise definitiv
eine andere Kirche, eine andere Gemeinde sein“, sagt Schlund.
Wann das sein wird, ist momentan kaum abzusehen. Bis zum größten und
wichtigsten Fest des Christentums sind es nur noch drei Wochen. Schlund
hegt vage Hoffnungen auf einen kleinen Gottesdienst an Ostern – im Freien,
mit Abstand und Teilnehmerbegrenzung.
Die Fastenzeit, die Christen bis dahin begehen, steht bei der evangelischen
Kirche in diesem Jahr unter dem Motto: „Zuversicht! Sieben Wochen ohne
Pessimismus!“
„Das fordert uns durchaus heraus in dieser Zeit“, sagt Schlund. „Aber wir
werden dieses Motto nicht vergessen.“ Text: Daniel Böldt
* * *
## „Keiner meckert, alle sind motiviert“
Ingeborg Vries*, 50, arbeitet als Anästhesie-Schwester in einem Berliner
Klinikum
„Wir fahren zurzeit sämtliche OP-Termine runter, um Platz auf den
Intensivstationen zu schaffen. Alle Operationen, die nicht wirklich nötig
sind, werden abgesagt oder verschoben. Dringende Krebs-Operationen
durchaus. Zwei Intensivbetten halten wir dauerhaft frei für Notfälle. Es
wird also wirklich ernst, wie ernst, werden wir sehen. Im Moment haben wir
Extra-Schulungen für den Umgang mit den Beatmungsgeräten, wenn es losgeht,
muss ich auf die Intensivstation.
Angst habe ich keine, aber ich habe Respekt vor diesem Virus. Und ich
glaube, dass die Maßnahmen noch immer nicht ausreichen: Wir haben zum
Beispiel längst ein Besuchsverbot in der Klinik, es kommt niemand mehr rein
außer Personal mit Ausweis. Aber stattdessen treffen sich dann Patienten
und Besucher draußen. Unten auf dem Rasen stehen sie, das kann man vom
Fenster aus sehen. Ich verstehe auch nicht, warum die Maßnahmen so spät
kommen: Am Potsdamer Platz sitzen alle in den Cafés draußen. Zu meinen
Nachbarn habe ich gestern Abend gesagt: Sie müssen nicht jeden Tag
einkaufen gehen! Es reicht doch einmal die Woche.
Wie ich es finde, dass jetzt über unser Gehalt diskutiert wird? Also: Das
Gefühl, dass wir schlecht bezahlt werden, benutzt werden, das ist schon
immer da. Da brauche ich keine Corona-Krise. Und es wird auch nicht besser
werden. Wenn das vorbei ist, werden sie genau so weitermachen, wie immer.
Es geht immer ums Geld. Ich bin jetzt 50 und zu alt für eine Umschulung.
Wir machen ja auch weiter: Keiner meckert, alle sind motiviert, zu tun, was
zu tun ist. Und ich persönlich wünsche mir einfach nur, dass meiner Mutter
nichts passiert und wir da alle heil rauskommen.“ Protokoll: Martin
Reichert
*Name geändert
* * *
## „Es herrscht Ratlosigkeit“
Elisa Lindemann, 28, ist Leiterin der Notunterkunft „Marie“ für obdachlose
Frauen in Berlin
taz am wochenende: Frau Lindemann, Sie leiten eine Übernachtungsunterkunft
für obdachlose Frauen in Berlin. Haben Sie daran gedacht, die Einrichtung
wegen des Coronavirus zu schließen?
Elisa Lindemann: Ja, auch bei uns in der Stiftung gab es solche
Überlegungen. Wir haben uns aber dagegen entschieden, da wir unseren
Nutzerinnen so lange wie möglich eine sichere Anlaufstelle bieten wollen.
In der derzeitigen Situation überlegen wir jedoch jeden Tag neu, wie wir
unser Angebot zum Wohle der Nutzerinnen bestmöglich aufrechterhalten
können.
Was hat sich konkret verändert bei Ihnen in den vergangenen Tagen?
Normalerweise haben wir hier zehn Plätze, die mussten wir auf sechs
reduzieren, um die geforderten Abstände einhalten zu können. Die Vorgabe,
dass die Frauen maximal 14 Nächte am Stück hier schlafen können, haben wir
ausgesetzt. Die Frauen, die hier sind, können jetzt erst mal unbefristet
bei uns bleiben, um mögliche Infektionsketten zu vermeiden.
Das öffentliche Leben macht derzeit eine Vollbremsung. Was bedeutet das für
obdachlose Menschen?
Es gibt viel weniger Anlaufstellen für die Menschen. Orte, an denen sie
ansonsten auch mal zur Ruhe kommen, ein Buch lesen können, haben auf einmal
geschlossen. Das belastet. Wir merken, dass die Stimmung unter den Frauen
gereizter ist. Sie fangen schneller an zu streiten. Diskussionen werden
schneller lauter.
Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen gut über das Coronavirus informiert
sind?
Ja, die Informationspolitik ist ja schon sehr umfassend. Die Frauen sind
untereinander sehr aufmerksam, erinnern sich gegenseitig an die
Händehygiene und ans richtige Niesen und Husten. Das Hauptthema ist aber:
Was bedeuten diese Einschränkungen für mein Leben? Die Angst ist groß, dass
auch noch Parks geschlossen werden. Dann gibt es kaum noch Orte, wo die
Menschen hinkönnen. Und was passiert bei einer Ausgangssperre? Da gibt es
bis jetzt noch keine Antworten.
Was würde passieren, wenn eine von Ihren Bewohnerinnen sich nachweislich
mit dem Virus infiziert hat?
Das ist eine der vielen Fragen, die noch ungeklärt sind. Unsere Einrichtung
müsste dann schließen, weil natürlich auch unsere Mitarbeiterinnen in
Quarantäne müssten. Aber was passiert mit den Bewohnerinnen? Die können ja
nirgendwo in Quarantäne. Ehrlich gesagt herrscht da Ratlosigkeit. Sowohl
bei uns als auch bei den Behörden. Keiner weiß wirklich, wie es dann
weitergehen soll. Interview: Daniel Böldt
21 Mar 2020
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Niedriglohnsektor in Deutschland: Billig und systemrelevant
VerkäuferInnen haben 2018 im Schnitt 1.872 Euro verdient. Brutto. Zum Glück
können sie grad mit Beifall aufstocken.
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befürchtet, dass sich durch die Coronakrise traditionelle Rollenbilder
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haben. Bei HIV vergingen Jahre, bis Politik und Gesellschaft reagierten.
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Corona-Krise weltweit: Italien schließt Unternehmen
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Miethilfen in der Corona-Krise: Kündigungsschutz wird ausgeweitet
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Protokoll zu Corona im Pflegeheim: „Ein Gefühl der Traurigkeit“
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