Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Niedriglohnsektor in Deutschland: Billig und systemrelevant
> VerkäuferInnen haben 2018 im Schnitt 1.872 Euro verdient. Brutto. Zum
> Glück können sie grad mit Beifall aufstocken.
Bild: Die KassiererInnen und PflegerInnen verdienen wenig, können aktuell jedo…
Na, auch endlich beim Frisör gewesen? Jetzt hat man mal wirklich gemerkt,
was man an denen hat. Man konnte sich in der Zoomkonferenz mit den
Agenturkolleg*innen ja kaum noch blicken lassen mit seiner Coronamatte.
Dementsprechend standen zur Wiedereröffnung von Mata Haari, Haart aber fair
& Co. mitunter lange Schlangen davor – hoffentlich mit Mindestabstand.
Ein bisschen mulmig ist einem ja schon gewesen, dann im Salon mit so vielen
Menschen um einen rum. Hoffentlich hat man sich da nichts weggeholt. Es ist
wie beim Einkaufen im Supermarkt. Jede Tüte Milch eine Virus-Challenge. Und
als dieser etwas schwitzige Typ mit den glasigen Augen einem am Nudelregal
entgegenkam, hat man doch lieber kurz die Luft angehalten.
Die, die nicht die Luft anhalten können, sind die Kassierer*innen. Weswegen
wir auch nicht müde werden, sie dafür zu preisen, dass sie [1][„den Laden
am Laufen“ halten]. Umso mehr, weil sie dafür echt nicht viel verlangen:
Hier und da mal ein Lächeln, mehr brauchen die nicht! Und 1.872 Euro im
Monat, [2][wie das Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der
Linken-Bundestagsfraktion gerade verkündet hat]. Brutto, versteht sich.
71,6 Prozent von ihnen [3][arbeiten im Niedriglohnbereich]. Die
Friseur*innen kommen sogar mit noch weniger aus – die stehen für 1.637 Euro
ganztags mit Maske vor den potenziellen Infektionsherden. So billig ist
Systemrelevanz mit Dauerwelle zu haben.
## Dank vom Herzen
Eine Kompensationsprämie ist jetzt immerhin für Altenpfleger*innen
beschlossen worden – dafür, dass diese Laden-am-Laufen-Halter wochenlang
ohne Schutzkleidung im Virussturm standen, während die nicht
systemrelevanten, aber gut verdienenden Konzeptdesignerinnen und Creative
Producer sich in ihren Homeoffices verschanzten: Bis zu 1.500 Euro je nach
Bundesland für Vollzeit, das sollte reichen.
Bei den branchenüblichen Überstunden kommen die eh nicht dazu, die Kohle
auszugeben; und wenn sie später selbst auf der Isolierstation liegen, haben
sie auch keine Ausgaben mehr.
Für die anderen Systemrelevanten sind solch horrende Ausgaben jetzt
allerdings nicht mehr drin, das Geld brauchen wir für die Autoindustrie.
Aber wir wollen allen von Herzen danken! Und etwas Beifall spenden. Oder,
einfach mal so, eine kleine Liebeserklärung.
17 May 2020
## LINKS
[1] /Der-Wert-von-Systemrelevanz/!5669123
[2] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1136634.loehne-und-gehaelter-syste…
[3] /EU-Kommission-zu-Mindestlohn/!5652478
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
systemrelevant
Niedriglohnsektor
Arbeitsministerium
Pflegekräftemangel
IG
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Systemrelevante Jobs in Coronakrise: Ihr beklatscht euch selbst
Unser Autor findet das Klatschen für Pflegekräfte verlogen. Er ist selbst
Pfleger und fordert: Kümmert euch lieber um die Alten und Vulnerablen.
Menschen mit systemrelevanten Berufen: Auf sie kommt es jetzt an
In der Corona-Krise halten die Beschäftigten in Krankenhäusern,
Supermärkten, Praxen das System am Laufen. 13 von ihnen berichten aus ihrem
Alltag.
Der Wert von Systemrelevanz: Besonders wichtig, mies bezahlt
Wie kann es sein, dass die Arbeit derjenigen, auf die wir in diesen
Krisenzeiten am wenigsten verzichten können, uns – finanziell – so wenig
wert ist?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.