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# taz.de -- Bundeskabinett beschließt Kohleausstieg: Der Nutzen fürs Klima is…
> Das Bundeskabinett bringt das Gesetz zum Kohleausstieg ins Parlament ein.
> Im Entwurf ist alles geregelt – nur nicht, wie viel CO2 eingespart wird.
Bild: Darf trotz Kohleausstieg erstmal ans Netz gehen: das Steinkohlekraftwerk …
Berlin taz | Beim Eigenlob waren sie sich einig: Ein „Durchbruch zu
deutlich mehr Klimaschutz“, ein „großer Schritt“, ein „rundes Paket“…
das „Gesetz zur Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung“, sagten am
Mittwoch die MinisterInnen für Wirtschaft, Peter Altmaier (CDU), für
Finanzen, Olaf Scholz, und für Umwelt, Svenja Schulze (beide SPD), im
Bundestag. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Gesetz beschlossen, es
geht nun ins Parlament. Damit sollen [1][die Kohlenutzung] bis 2038 beendet
werden, Subventionen für die Regionen und Unternehmen fließen und die
Beschäftigten abgesichert werden.
Uneinigkeit gab es nur im Detail: Das Gesetz werde die deutschen
CO2-Emissionen um ein Drittel senken, so Altmaier. Bei Schulze dagegen ist
das nur ein Viertel. Kein großer Dissens – aber so detailreich der
Gesetzentwurf von 202 Seiten den Ausstieg regelt, so wenig sagt er darüber,
wie sehr das Gesetzeswerk tatsächlich dem Klima nutzt.
Denn bei der CO2-Reduktion lässt das Gesetz Fragen offen. So wird etwa der
Beschluss der „Kohlekommission“ nicht umgesetzt, dass 2025 zusätzlich 10
Millionen Tonnen eingespart werden sollten. Jetzt sind das laut
Umweltschützern nur 2,5 Millionen Tonnen, der Rest kommt später. Weil die
Braunkohle später und in zwei großen Schüben auslaufe, entstünden 40
Millionen Tonnen mehr CO2 als nötig, hatte schon letzte Woche der
Energieexperte des Öko-Instituts, Felix Matthes, berechnet. Und in der
zentralen Frage, wie viel weniger CO2 insgesamt tatsächlich ausgestoßen
wird, gibt es weiterhin nur Rätselraten. Die Regelung wird nach Ansicht von
Experten zwar dazu führen, dass Deutschland seine nationalen Ziele 2030
beim Klimaschutz erreicht. Ob aber in Europa die gleiche Menge an
Emissions-Zertifikaten stillgelegt werden und damit tatsächlich die
Atmosphäre entlastet wird, ist unklar.
Die Regierung gibt das auch offen zu. Die Zertifikate, die nach dem
Abschalten der Kraftwerke frei werden, sollen gelöscht werden, damit nicht
anderswo in Europa damit CO2 freigesetzt wird. „Gleichzeitig kann der
Umfang einer solchen Löschung heute nicht konkretisiert werden“, weil die
Menge der freiwerdenden Zertifikate „im Vorhinein nicht jahresscharf
beziffert werden kann“, heißt es offiziell vom Wirtschaftsministerium. Ein
Teil – schätzungsweise 20 bis 30 Prozent – der Zertifikate sollen in der
„Marktstabilitätsreserve“ (MSR) geparkt werden und sind damit bis 2030 vom
Markt. Wie viel CO2-Reduktion und damit weniger Zertifikate die
Abschaltungen dann wirklich bringen, sollen später zwei Gutachten klären.
Legt die Regierung dabei zu wenig Zertifikate still, könnte das in
Deutschland vermiedene CO2 in anderen EU-Ländern entstehen.
## „Ende Gelände“-Proteste im August
Diese Unsicherheit über den tatsächlichen Klimanutzen des Gesetzes ist
vielen Umweltverbänden ein Dorn im Auge. Der BUND spricht von einem „herben
Rückschlag“, Greenpeace erklärt, es „blamiere Deutschland“, weil man si…
von Westeuropa verabschiede, wo die Länder früher aus der Kohle aussteigen.
Allgemein monieren die Vertreter der Umweltseite in der „Kohlekommission“,
die Regierung habe die Beschlüsse der Kommission zur CO2-Reduktion nicht
genügend umgesetzt. Die Aktionsplattform „Ende Gelände“ rief zu
massenhaftem Protest auf: Im Mai am neuen [2][Kohlekraftwerk Datteln 4], im
August im Rheinland.
„Der Beitrag dieses Ausstiegsgesetzes zum Klimaschutz ist weiterhin nicht
klar“, sagt auch Brigitte Knopf, Expertin des Mercator-Instituts (MCC).
Dazu komme: Der eigentliche Kohleausstieg erfolgt erst nach 2030 – dann
aber könnten die Zertifikate aus der MSR europaweit wieder auf den Markt
kommen und für mehr Emissionen sorgen. Deshalb sei es schwer, jetzt zu
sagen, welche Menge an Zertifikaten stillzulegen sei.
Allerdings erwarten alle Experten, dass die EU ihre Klimaziele für 2030
verschärft – und dafür vor allem die Anzahl der möglichen Zertifikate im
Emissionshandel verringert. Die wahrscheinliche Folge: Der Preis steigt,
Kohlekraftwerke werden unrentabel und gehen vom Netz. Dann gäbe es
Abschaltungen der Kraftwerke, ohne dass die Unternehmen entschädigt würden.
Das Ausstiegs-Gesetz sieht dagegen vor, dass insgesamt 4,35 Milliarden Euro
an Entschädigung für die Unternehmen gezahlt werden. „Wenn man auf
schärfere EU-Ziele 2030 setzt, die über den Emissionshandel umgesetzt
werden, dann ist die jetzige Entschädigung schwer zu erklären“, sagt Knopf.
„Das ist sehr günstig für die Unternehmen und sehr teuer für den
Steuerzahler.“
29 Jan 2020
## LINKS
[1] /Kohle/!t5010881
[2] /Proteste-gegen-Kohlekraftwerk/!5656199
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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