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# taz.de -- Wildunfälle an Grenzzaun: Tödliches Hindernis
> Der als Wildschweinbarriere gedachte Metallzaun an der deutsch-dänischen
> Grenze entpuppt sich als tödliche Falle für Rehe und Rotwild.
Bild: Soll Wildschweine abhalten, erwischt aber Rehe: der Metallzaun an der deu…
Neumünster taz | Der Kopf der Hirschkuh liegt im Matsch, ihr rechter
Hinterlauf hängt verwinkelt in den Maschen eines Metallzauns. Eigentlich
soll dieser Zaun, den Dänemark an der Grenze zu Schleswig-Holstein
errichtet hat, Wildschweine abhalten. Doch nun sterben hier Rehe und
Rotwild.
Das Bild der toten Hirschkuh, das in einem Fernsehbeitrag des NDR zu sehen
war, spricht eine deutliche Sprache: Das Tier ist beim Versuch, den
Metallzaun zu überspringen, hängen geblieben und gestürzt. Das ist kein
Einzelfall: „Ich weiß von sechs toten Tieren, fünf Rehen und einem Stück
Rotwild“, sagt Thomas Carstensen, Kreisjägermeister in Nordfriesland. Eine
vollständige Statistik werde erst zum Ende des Jagdjahres im März
vorliegen.
Generell seien Rehe und Rotwild durchaus in der Lage, den gut 1,50 Meter
hohen Zaun zu überwinden, sagt der Jäger. Anders sei es, wenn die Tiere
etwa wegen eines Autos oder Hundes in Panik gerieten. Er geht zwar davon
aus, dass sich das Wild an die neue Grenze gewöhnen werde – doch das
brauche Zeit: „Wir sehen noch dreißig Jahre nach Öffnung der
deutsch-deutschen Grenze, dass Tiere bis zu den alten Öffnungen wandern“,
sagt Carstensen. Die Zahl von sechs toten Tieren findet er an sich nicht
dramatisch, aber: „Jedes ist unnötig, denn wir brauchen diesen Zaun nicht.“
Naturschutzverbände hatten schon [1][vor dem Bau des Zaunes vor den Risiken
für Rehe und Dammwild gewarnt] und die Jägermeister der beiden grenznahen
Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg hätten bereits vor Monaten
versucht, mit den dänischen Behörden über die zu erwartenden Probleme zu
sprechen, berichtet Carstensen. „Aber im Amt in Sonderjylland konnten wir
keinen Gesprächspartner finden.“ Der Eindruck der deutschen Jäger: „Die
haben von Kopenhagen einen Maulkorb bekommen. Das ganze Thema Zaun ist ganz
oben aufgehängt“, sagt Carstensen.
Tatsächlich hatte der dänische Folketing, also das dänische Parlament, den
Zaunbau mit großer Mehrheit beschlossen. Der Metallzaun soll eine Barriere
gegen grenzgängerische Wildschweine darstellen, die die Afrikanische
Schweinepest nach Dänemark einschleppen könnten.
Dänemark fürchtet einen Ausbruch der Krankheit, die für Menschen harmlos
ist, aber Wild- wie Hausschweine tötet: Der Handel mit Ferkeln und
Schlachtfleisch macht einen deutlichen Teil des dänischen
Bruttoinlandsprodukts aus. Daher hat die Barriere vor allem einen
symbolischen Wert: Das Land signalisiert den asiatischen Märkten, wirklich
alles gegen die Pest zu tun. Fachliche Argumente – etwa dass es im Norden
von Schleswig-Holstein praktisch keine Wildschweine gibt und dass ein Zaun,
der an Straßen und Wasserläufen Lücken aufweist, Wildschweine nicht
aufhalten würde, spielen da keine Rolle.
[2][Der NDR hatte berichtet, dass es infolge der aktuellen Wildunfälle ein
Gespräch zwischen Jäger*innen und dänischen Behörden geben sollte.] Thomas
Carstensen konnte das nicht bestätigen: „Wir zuständigen Kreisjägermeister
waren zumindest nicht einbezogen.“
Dass sogenannte Vergrämungsmaßnahmen wie Krach oder Lichtsignale helfen
könnten, Tiere zu verscheuchen, hält Carstensen für unwahrscheinlich: Rehe
ästen in der Nähe von Schießanlagen, Gänse zupften direkt unter
Knallapparaten Gras. „Es tritt sehr schnell ein Gewöhnungseffekt ein“, sagt
Carstensen. Retten könnten die Tiere feinere Maschen im oberen Teil des
Zauns, meint der Kreisjägermeister: So würden die Hufe nicht hängen
bleiben, das Wild könnte also entkommen. Eine solche Maßnahme ist offenbar
von dänischer Seite angedacht, doch die Umsetzung nicht bestätigt.
13 Dec 2019
## LINKS
[1] /Daenische-Grenzsicherung/!5594927
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Wildschweinzaun-Enge-Masc…
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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