# taz.de -- Debatte der Innenminister: Doch abschieben nach Syrien? | |
> Die Innenminister wollen Straftäter nach Syrien abschieben. Das wird | |
> vorerst aber nicht passieren. Die Empörung ist dennoch groß. | |
Bild: Horst Seehofer mit seinen Länderkollegen vor Beginn der Innenministerkon… | |
BERLIN taz | Pro Asyl übt scharfe Kritik an der Vereinbarung der | |
Innenminister von Bund und Ländern, Straftäter nach Syrien abschieben zu | |
wollen. „Angesichts der desaströsen Menschenrechtssituation in Syrien und | |
der glasklaren Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes ist dieser Beschluss | |
unverantwortlich“, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, | |
der taz. Das Vorhaben komme „völlig überraschend“ und sei offenbar | |
„politisches Wunschdenken“. | |
Bisher gilt nach Syrien ein Abschiebestopp wegen der dortigen | |
Bürgerkriegslage. Die Innenminister, die sich derzeit [1][in Lübeck zu | |
ihrer halbjährlichen Konferenz treffen], einigten sich nun aber laut ihrem | |
Vorsitzenden Hans-Joachim Grote (CDU) auf eine Lockerung: Union und SPD | |
seien sich einig, Abschiebungen gefährlicher Straftäter nach Syrien | |
perspektivisch zu erlauben. „Wir wollen das morgen abschließend | |
beschließen“, sagte Grote am Donnerstag in Lübeck. | |
Grote verwies aber auch auf Schwierigkeiten. Momentan gebe es in Syrien | |
keine Ansprechpartner. Deswegen gelte der Abschiebestopp weiter. „Aber der | |
Wille, auch Straftäter nach Syrien [2][wie nach Afghanistan] abzuschieben, | |
ist da.“ Es sei den BürgerInnen nicht zu vermitteln, dass Menschen, die | |
schwere Straftaten begingen, dennoch den Schutzstatus eines Flüchtlings | |
behielten, so der Innenminister von Schleswig-Holstein. | |
## Abschiebungen nach Syrien derzeit nicht umsetzbar | |
Tatsächlich wird es vorläufig zu keinen Abschiebungen nach Syrien kommen. | |
Dies scheitert schon an der praktischen Umsetzung. Denn Deutschland | |
unterhält in Syrien schon seit 2012 keine Botschaft mehr. Um die | |
Abschiebungen umzusetzen, müssten die deutschen Behörden anderweitig mit | |
dem syrischen [3][Assad-Regime] kooperieren. Wie das geschehen könnte, ist | |
völlig unklar. | |
Erst Ende November hatte ein Bericht des Auswärtigen Amtes vor der Lage in | |
Syrien gewarnt: Weiterhin gebe es dort keine sicheren Gebiete für | |
RückkehrerInnen. „Immer wieder sind Rückkehrer, insbesondere – aber nicht | |
nur – solche, die als oppositionell oder regimekritisch bekannt sind oder | |
auch nur als solche erachtet werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen bzw. | |
[4][Repressionen, bis hin zu unmittelbarer Gefährdung für Leib und Leben | |
ausgesetzt]“, heißt es in dem Lagebild, das der taz vorliegt. Es gebe | |
„zahlreiche glaubhafte Berichte über eine systematische, politisch | |
motivierte Sicherheitsüberprüfung jedes Rückkehrwilligen“. | |
Auch halte eine Verhaftungswelle im Land an und „gefährdet potentiell auch | |
rückkehrwillige Syrer“, so das Auswärtige Amt. Verwiesen wird auf eine | |
Datenbank mit 1,5 Millionen Namen, die vom syrischen Regime mit Haftbefehl | |
gesucht würden. Viele syrische Geflüchtete hätten sich darauf mit korrekten | |
Angaben wiedergefunden. Zudem würden Vereinbarungen zu Rückkehrinitiativen | |
verletzt. Auch eine im September verkündete Generalamnestie für Deserteure | |
bleibe in der Umsetzung „bislang wirkungslos“, konstatiert der Bericht. | |
## Innenminister wollen „differenzierte Betrachtung“ | |
Die Innenminister wollen denn auch den bisherigen Abschiebestopp um ein | |
halbes Jahr, bis Ende Juni 2020, verlängern. Gleichzeitig wird aber die | |
Bundesregierung laut Beschlussvorlage gebeten, bei ihrer künftigen | |
Lagebewertung zu Syrien „mit Blick auf Rückführungsmöglichkeiten für | |
Gefährder und Straftäter, die sich schwerer Straftaten schuldig gemacht | |
haben, eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen“. | |
Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, verteidigte den | |
Vorstoß. Im Einzelfall und nach sorgfältiger Prüfung müssten bei | |
Schwerkriminellen auch Abschiebungen nach Syrien möglich sein. Gleiches | |
müsse auch für SyrerInnen gelten, die für Urlaube in die Heimat flögen. Zur | |
Umsetzung der [5][Abschiebungen] erklärte Reul: „Wenn man einen Weg finden | |
will, findet man auch einen.“ | |
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich kritischer: | |
„Ich bin da sehr skeptisch. Ich habe dem auch nur schweren Herzens | |
zugestimmt, um überhaupt einen Abschiebestopp hinzubekommen.“ Bei | |
Abschiebungen von Straftätern nach Syrien könne es perspektivisch nur um | |
Einzelfälle gehen, „und vor allen Dingen nicht jetzt“, so Pistorius. | |
Pro Asyl: Auch Straftäter haben Menschenrechte | |
Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte das Vorgehen | |
insgesamt. Er betonte, dass Straftäter zwar ihren Flüchtlingsstatus | |
verlieren könnten – „nicht aber das Recht als Mensch vor Folter und | |
erniedrigender Behandlung geschützt zu sein“. Die Europäische | |
Menschenrechtskonvention gelte auch für sie. | |
Burkhardt verwies auch auf das [6][Vorgehen gegen afghanische Geflüchtete]. | |
Auch dort sei anfangs mit der Abschiebung von schweren Straftätern begonnen | |
worden, um dann Zug um Zug die Abschiebungen auszudehnen. Bayern etwa | |
schiebt inzwischen ohne Einschränkungen nach Afghanistan ab. | |
Ende 2018 lebten laut Statistischem Bundesamt 745.645 SyrerInnen in | |
Deutschland. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes ist der Anteil an | |
Straftaten, bei denen SyrerInnen verdächtigt würden, „deutlich niedriger“ | |
als der bei anderen Zuwanderergruppen. (mit dpa) | |
5 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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