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# taz.de -- Polizeiliche Prognosen: Dann doch lieber Algorithmen
> Wenn das Bauchgefühl von Beamt*innen zur Abschiebung eines vermeintlichen
> Islamisten führen kann, wird es gefährlich.
Bild: Vielleicht kein so guter Entscheider: Bauch eines Polizisten
Bremen taz | Manche finden ja Precrime schlimm, also die Prognose von
Verbrechen, um sie abzuwehren. Und es ist ja auch zum Gruseln, so ein
Strafverfolgungsinstrument, das dafür sorgt, dass Taten nie begangen, aber
geahndet werden, wie in Philip K. Dicks Sci-Fi-Story „Minority Report“.
Aber wer [1][den Fall von Ahmet K. aus Göttingen] verfolgt, muss zugeben:
Lieber das, als auf Einschätzungen der niedersächsischen Landespolizei
angewiesen sein.
Denn längst ist ja, schlimm genug, durch den [2][Gefährderparagrafen 58a]
das rechtsstaatliche Prinzip unterhöhlt, nach dem es ohne schuldhafte
Handlung keine Strafe geben darf: Menschen ohne deutschen Pass droht die
Abschiebung als Sanktion aufgrund einer von der Polizei allein erwarteten
schlimmen Tat.
Angesichts dieser unerträglichen Praxis muss man die Algorithmen der
computergestützten Risikoanalysesysteme, wie sie das Bundeskriminalamt
nutzt, als Garanten einer Rest-Objektivität rühmen. Sie basieren immerhin
auf robusten psychologischen Erkenntnissen, sind wissenschaftlicher
Überprüfung zugänglich, ihre Trefferquote kann quantifiziert werden.
Manchmal ist dieses Instrument zuverlässiger als ein Münzwurf.
Das alles lässt sich übers Bauchgefühl niedersächsischer
Landespolizist*innen leider nicht sagen. Ihnen fehlt für eine solche
Prognose die psychologische Kompetenz. An Empirie steht ihnen nur die
persönliche Erfahrung zu Gebote. Und ihr Urteil kann dadurch beeinflusst
werden, dass die unspezifischen, abstrakten Gewaltfantasien, die sie Ahmet
K. abgelauscht haben wollen, gegen sie selbst gerichtet waren: die Polizei,
oder zumindest gegen jene Kolleg*innen, die ihn mit einer Hausdurchsuchung
geärgert hatten.
Eine abstrakte Gewaltfantasie liegt vor, wenn jemand sauer ist und sagt –
in die Richtung ging's hier wohl: „Euch kann ich alle kalt machen.“ Klingt
schlimm, ist aber als anlassbezogene Affektäußerung erwartbar. Sie lässt
sich nicht als Hinweis auf Radikalisierung oder Salafismus deuten. Und eben
auch nicht als konkrete Bedrohung. Insofern klingt die Gefährder-Einstufung
der Landespolizei doch arg nach Willkür. Wenn das zur Abschiebung reicht,
wird's wirklich gefährlich.
13 Jan 2020
## LINKS
[1] /Klage-gegen-Abschiebung/!5654474
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__58a.html
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Abschiebung
Polizei Niedersachsen
Justiz
Salafismus
Justiz
Schwerpunkt Syrien
Abschiebung
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