Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Reformjudentum in Hamburg: Beistand für Tempelruine
> Wo 1817 das Reformjudentum Gestalt annahm, bröckeln heute Mauerreste:
> Hamburgs Liberale Jüd*innen werben für die Rettung des Tempels
> Poolstraße.
Bild: Denkmalgeschützt und verfallend: Reste des Hamburger liberalen Tempels
Hamburg taz | Warum liegt ein Stein auf jedem Stuhl? Diese Backsteinstücke
lägen einfach so herum, sagt Galina Jarkova mit Blick auf den Hinterhof in
der Poolstraße, Hamburg-Neustadt: Was da draußen vor sich hinbröckelt, sind
die Reste eines jüdischen Tempels; des zweiten, den hier [1][ab 1844 das
Hamburger Reformjudentum betrieb]. Die Pogromnacht im November 1938
überstand das Gebäude – auch weil die Lage im Hinterhof aus Sicht der
Brandstifter die Häuser nebenan gefährdet hätte (mit ihren „arischen“
Bewohner*innen).
1944 dann schlug eine Bombe ein, es stehen von dem neogotischen Bau nur
noch das Eingangsportal und das östliche Ende: die bröckelnde Apsis. Den
Hof, der mal Tempel-Inneres war, nutzt seit Langem eine Autowerkstatt.
Immerhin: Seit 2003 steht das Objekt unter Denkmalschutz – ohne sichtbare
Folgen.
In den noch begehbaren Eingangsbereich des Tempels hat Jarkova, die
Vorsitzende der heutigen, seit 2004 existierenden [2][Liberalen Jüdischen
Gemeinde], eingeladen. Zusammen mit den Historiker*innen Miriam Rürup
und Wolfgang Kopitzsch sowie dem Künstler Michael Batz möchte sie um
Aufmerksamkeit werben – und um Unterstützung: Die Ruine sei in Gefahr.
Nicht nur, dass „jahrelang nicht genug getan wurde, um diesen wertvollen
Ort zu schützen“, so Jarkova, zudem gebe es Begehrlichkeiten, in dieser
zentralen Lage eine Handvoll Eigentumswohnungen zu bauen.
Inzwischen steht die Poolstraße auch auf einer Liste besonders bedrohter
Objekte, die die Londoner [3][Foundation for Jewish Heritage] erstellt hat.
Und eben erst, am 22. November, hat die Stadt [4][nach Angaben des
Denkmalvereins] eine „Sicherungsverfügung“ an die Eigentümer verschickt:
Diese wären damit verpflichtet, die Ruine nicht einfach weiter Wind und
Wetter auszusetzen – ein mäßig scharfes Schwert allerdings, wie sich etwa
[5][im Fall der Schilleroper] im Stadtteil St. Pauli gezeigt hat.
„Wir begrüßen das wachsende Interesse am jüdischen Leben in Hamburg“, sa…
Jarkova. Das klingt nach dem, was man so oft hat hören können in den
vergangenen Wochen: seit [6][im Oktober in der Bürgerschaft] der
Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks sich ein positives, ein sichtbares
Zeichen eben dieses lebendigen Judentums gewünscht hat. So wie eine
Synagoge auf dem Joseph-Carlebach-Platz eines sein könnte, der mal
Bornplatz hieß, im Grindelviertel, gleich neben dem Uni-Campus.
Überraschend schnell hat diese Debatte an Fahrt aufgenommen, eine
Machbarkeitsstudie hat die Stadt beauftragt, das Geld dafür beschafften
Mitte November die beiden Hamburger Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse
(CDU) und Johannes Kahrs (SPD), mit Ergebnissen rechnen optimistische
Beobachrter*innen in einem Jahr. Es sitzen dabei nur nicht alle
Hamburger Jüd*innen mit am Tisch – die Liberale Gemeinde etwa fehlt. Die
wünscht sich aber auch einen Ort: für sich und die eigenen Aktivitäten,
aber auch für die Begegnung. Was sie nicht verlangt: den Tempel
wiederherzustellen, einfach so.
Miriam Rürup, Direktorin des [7][Instituts der Geschichte der deutschen
Juden] und selbst aufgewachsen „in einer typischen nachkriegsdeutschen
Einheitsgemeinde“, [8][hat in der Bornplatz-Diskussion dafür geworben], die
Machbarkeitsstudie breiter anzulegen: Die Poolstraße sei „Stein gewordene
Erinnerung an ein vielfältiges, pluralistisches Judentum, wie es im 19.
Jahrhundert hier in Hamburg entstand“, so Rürup.
Fürs Erste will [9][Lichtkünstler Michael Batz] am 1. Advent ab 16 Uhr die
Ruine illuminieren und für ein paar Stunden wenigstens daran erinnern, wie
er einmal aussah, der alte Tempel.
29 Nov 2019
## LINKS
[1] /200-Jahre-Reformjudentum/!5464453
[2] http://davidstern.de/
[3] http://www.foundationforjewishheritage.com/projects-hamburg.html
[4] https://www.denkmalverein.de/gefaehrdet/gefaehrdet/vergessener-tempel
[5] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Schiller-Oper-Stadt-droht-mit-Zwangs…
[6] https://www.hamburgische-buergerschaft.de/eventSearch/eventsForDay/4408372/…
[7] http://www.igdj-hh.de/IGDJ-home.html
[8] /Neue-alte-Synagoge/!5640874
[9] https://www.michaelbatz.de/info/aktuelles.html
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Judentum
Hamburg
Geschichte
Shoa
Denkmalschutz
Hamburg
Stadtentwicklung Hamburg
Judentum
Judentum
Denkmalschutz
Judentum
Judentum
## ARTIKEL ZUM THEMA
Innerjüdische Debatte in Hamburg: Liberale fordern mehr Respekt
Ist das Liberale Judentum in Gefahr – da wo es entstand? Israelitischer
Tempelverein Hamburg fordert erneut mehr Anerkennung und bessere
Behandlung.
Hamburg macht historischen Tunnel dicht: Ein Denkmal für die Zukunft
Ein Versorgungstunnel sollte in Hamburg einst das ewige Aufreißen der
Straße beenden. Nach 130 Jahren wird er verfüllt – bis auf ein kleines
Stück.
Historiker über liberales Judentum: „Wandel gab es im Judentum immer“
Es ist die stärkere, aber weniger sichtbare Strömung: Der Historiker
Hartmut Bomhoff hat ein Buch über 250 Jahre liberales Judentum verfasst.
Historikerin über Synagogen und Tempel: „Zeichen jüdischer Emanzipation “
Die Bornplatz-Synagoge wird wohl neu aufgebaut, der liberale Tempel in der
Poolstraße harrt der Sanierung. Miriam Rürup über Hamburgs jüdische Bauten.
Anna Joss über Denkmalschutz: Eine Lanze für den Brutalismus
Anna Joss ist die neue Chefin des Hamburger Denkmalschutzamts. Sie wünscht
sich, dass mehr brutalistische Bauten erhalten werden.
Neue alte Synagoge: Bewegung am Hamburger Bornplatz
Der Wiederaufbau von Hamburgs einst prächtigster Synagoge nimmt Formen an.
Vor zu viel Rückwärtsgewandtheit warnt die Historikerin Miriam Rürup.
Hamburgs Reformjuden sind wieder da: Im Clinch mit den Orthodoxen
In Hamburg gibt es seit 13 Jahren wieder eine Liberale Jüdische Gemeinde.
Sie steht im Schatten der Orthodoxen und kämpft bis heute um Geld – und um
einen eigenen Ort.
200 Jahre Reformjudentum: Die Hamburger Schule
In Hamburg feiern liberale Juden die Gründung des Vereins „Israelitischer
Tempel“. Vor 200 Jahren begann so der Versuch, sich möglichst weit zu
assimilieren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.