| # taz.de -- Hamburger jüdische Initiative Mit2wo: Raus aus der Trauerecke | |
| > Konstruktiv und ausdrücklich offen in alle Richtungen: Der Hamburger | |
| > jüdische Kulturverein Mit2wo setzt auf Dialog und Bündnisfähigkeit. | |
| Bild: Brücken bauen: Peggy Parnass (drinnen) mit Michael Batz und Giorgio Paol… | |
| Man musste es beinahe als Kommentar verstehen. Als der jüdische | |
| Kulturverein Mit2wo am Dienstagvormittag zum Gespräch ins Hamburger | |
| Schanzenviertel bat, da näherte sich anderswo in der Stadt gerade [1][ein | |
| Rechtsstreit zwischen zwei jüdischen Gemeinden] seinem Ende. Dass jüdische | |
| Menschen in Deutschland allzu oft als zerstritten und rechthaberisch | |
| wahrgenommen würden, das zu ändern, war 2022 sozusagen die Gründungsidee | |
| [2][des Vereins]. | |
| An [3][Peggy Parnass] erinnerte nun zum Auftakt der Vereinsvorsitzende | |
| Giorgio Paolo Mastropaolo: „Was können wir tun?“, habe ihn die Autorin, | |
| Schauspielerin und Gerichtsreporterin, selbst Shoa-Überlebende, einmal | |
| gefragt. Ganz konkret: „Du und ich, was können wir tun?“ Das war durchaus | |
| auf den sich zunehmend offen zeigenden Antisemitismus bezogen. Den redeten | |
| auch jetzt weder Mastropaolo klein noch der neben ihm sitzende Michael | |
| Batz, ehrenamtliches Mitglied des Vereinsvorstands. | |
| Der Hamburger, dessen Aktivitäten mit „Lichtkünstler“ [4][kaum zureichend | |
| beschrieben] sind, arbeitet seit Jahrzehnten immer wieder zu historischen | |
| Themen, das heißt, auch immer wieder zur planmäßigen Ermordung von Europas | |
| Jüdinnen und Juden. Dass dieses Thema Raum brauche, die Erinnerung daran | |
| sowie die Mahnung, daran möchte hier gar niemand rühren, das zeigte sich | |
| bei dem Pressetermin. | |
| ## Nicht nur in der Vergangenheit leben | |
| Und doch ging es den drei Einladenden – es moderierte der Publizist und | |
| Kommunikationsexperte Michel Rodzynek – um mehr: 80 Jahre nach der | |
| Befreiung vom Nationalsozialismus lebten viele Jüdinnen und Juden noch | |
| immer in der Vergangenheit, heißt es in einer Erklärung des Vereins Mit2wo. | |
| Und „anders als in vielen europäischen Ländern“ täten jüdische Menschen | |
| sich „schwer“ mit der Integration „in ihre Wahlheimat“ – selbst die h… | |
| Geborenen „scheuen ein uneingeschränktes Bekenntnis zu ihrem Land“. | |
| Das klingt anders als etwa in den jahrelang vorhersagbar angestimmten | |
| Samstagsreden übers wieder erblühende jüdische Leben und die Bereicherung, | |
| die es darstelle für alle Deutschen. Eine Lösung liefert der Verein aber | |
| auch: Es mangele den jüdischen Gemeinden an „Identitätskonzepten“, die �… | |
| neues und zeitgerechtes Bewusstsein“ bei ihren Mitgliedern erzeugen | |
| könnten. | |
| Statt also, wenn auch aus erklärbaren Gründen, einzig die akute | |
| antisemitische Bedrohungslage zur Kenntnis zu nehmen, wirbt Mit2wo dafür, | |
| sich gegen „jede Form der Diskriminierung“ zu positionieren. Der Verein | |
| setzt sich für Solidarität, „grundsätzlich mit allen betroffenen | |
| Gruppierungen“ ein. Bündnisfähigkeit und der Einsatz für alle, die ihrer | |
| Hilfe bedurften, das waren bis zuletzt Eigenschaften der [5][2025 | |
| verstorbenen Peggy Parnass]. Die habe ihn etwa sensibilisiert für das Leid | |
| von Sinti und Roma, erzählte Mastropaolo beim Pressetermin. | |
| Die Geschichte anderer wahrzunehmen, mitzufühlen ohne Angst, sich selbst | |
| oder der eigenen Gruppe etwas wegzunehmen, das scheint zentral für den | |
| jünger wirkenden 53-jährigen Mastropaolo, der mit Nylonblouson und Vollbart | |
| nicht weiter auffallen würde im Schanzenpublikum draußen vor der Tür. Er | |
| erzählte von der Begegnung mit einem Mädchen mit familiären Wurzeln in Gaza | |
| – nach dem 7. Oktober 2023. Hätte sie ihn, den Juden, zunächst für alles | |
| Leid dort verantwortlich gemacht, sei er später, beim Verlassen des Raums, | |
| von ihr abgepasst worden, und sie habe sich dafür bedankt, etwas gelernt zu | |
| haben. | |
| ## Zu Gast in Schulen – und bei der Polizei | |
| Zugetragen hat sich die Anekdote im Rahmen der [6][„Mit2wo-Akademie“]: | |
| Immer wieder besuchen Mastropaolo und andere aus dem Verein Hamburger | |
| Schulen, auch bei der Polizei ist man regelmäßig zu Gast. Dabei geht es | |
| darum, Wissenslücken zu schließen - oder wenigstens kleiner zu machen. Für | |
| Mastropaolo – darin wiederum Parnass folgend – steht hinter antijüdischem | |
| Ressentiment oftmals schlicht fehlendes Wissen. | |
| Bei aller Distanz zu anderen, auch etablierteren jüdischen Organisationen | |
| und den beiden Gemeinden in Hamburg, ganz unter dem Radar bleibt das | |
| Engagement des Vereins nicht. Man ist dabei, wenn einmal im Jahr ehemalige, | |
| verjagte oder geflohene, Hamburger:innen ihre alte Heimatstadt besuchen | |
| kommen. [7][Ein Buch] mit Texten Peggy Parnass' haben Mastropaolo und Batz | |
| auch schon gemeinsam herausgegeben. | |
| Weiteres sichtbares Zeichen der Aktivitäten ist eine Alsterdampferfahrt, | |
| gewidmet dem jüdischen Fest Chanukka – und dem christlichen Weihnachtsfest. | |
| Wenn dieses Ende November, am 29., wieder gefeiert wird, wird einmal mehr | |
| Michael Batz für die Beleuchtung sorgen. An Bord eines Alsterdampfers | |
| stellt dann die [8]["Praxis ohne Grenzen"] ihre Arbeit vor - auch so eine | |
| Einrichtung, die erklärtermaßen allen hilft, die daran Bedarf haben. | |
| 18 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Hamburgs-juedische-Gemeinden-vor-Gericht/!6124016 | |
| [2] https://mit2wo.de/ | |
| [3] /Dankbar-dass-sie-da-ist/!6034419 | |
| [4] /Aufarbeitung-auf-der-Buehne/!5293836 | |
| [5] /Nachruf-auf-Peggy-Parnass/!6075424 | |
| [6] https://mit2wo.de/kopie_mit2wo-akademie.html | |
| [7] https://www.dugverlag.de/produkt.php?isbn=3-96060-712-1&full=yes&precat=sta… | |
| [8] /Nicht-bloss-in-der-Ecke-sitzen/!355619 | |
| ## AUTOREN | |
| Alexander Diehl | |
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