# taz.de -- Zukünftige EU-Kommission: Von der Leyen muss zittern | |
> Frankreichs Kandidatin muss nachsitzen, Ungarn und Rumänien neu | |
> nominieren. Sogar der Amtsantritt könnte sich verschieben. | |
Bild: Ihr Team steht noch nicht – dabei soll Ursula von der Leyens Kommission… | |
Brüssel taz | Eine Kandidatin muss nachsitzen, zwei weitere hängen noch in | |
der Warteschleife: Auch nach dem Ende der Anhörungen im Europaparlament ist | |
das Schicksal der neuen EU-Kommission ungewiss. Die künftige Präsidentin | |
Ursula von der Leyen (CDU) muss um ihr 26-köpfiges Team zittern, der Start | |
der nächsten EU-Behörde könnte sich verzögern. | |
Dass es eine schwere Geburt werden würde, war von Anfang an klar. Schon vor | |
Beginn der Anhörungen hatte der [1][Rechtsausschuss des Parlaments die | |
Kandidaten aus Ungarn und Rumänien aus dem Rennen geworfen]. László | |
Trócsányi und Rovana Plumb scheiterten an undurchsichtigen Geschäften und | |
am Verdacht auf Interessenkonflikte. | |
Es war der erste Rückschlag für von der Leyen – und ein Präzedenzfall. | |
Bisher waren Kommissarsanwärter nur wegen mangelnder Eignung durchgefallen. | |
Nun reicht schon der Verdacht auf unsauberes Finanzgebaren. Doch nicht alle | |
Problemfälle wurden ausgeschlossen. Die [2][Französin Sylvie Goulard] | |
durfte trotz zweier Affären zum Hearing antreten. | |
Das rächt sich nun. Ausgerechnet Goulard, die als leidenschaftliche | |
Europäerin gilt, musste sich bohrende Fragen nach einem früheren | |
Parlamentsassistenten und ihrer Tätigkeit für die Berggruen-Stiftung | |
gefallen lassen. Die Kandidatin des französischen Präsidenten Emmanuel | |
Macron machte dabei keine gute Figur. Deshalb muss Goulard am Donnerstag zu | |
einer zweiten Anhörung antreten. Es dürfte ein Kreuzverhör werden. Die | |
Europaabgeordneten wollen unter anderem wissen, warum die liberale | |
Politikerin wegen ihrer Affären als Verteidigungsministerin in Paris | |
zurückgetreten war, für ihre Arbeit als Superkommissarin jedoch kein | |
Problem sieht. | |
## In Brüssel wird über „Stillhalteabkommen“ spekuliert | |
Goulard soll für den Binnenmarkt, die Rüstungsforschung, die Raumfahrt und | |
audiovisuelle Medien zuständig sein. All dies sind Themen, die Macron | |
besonders am Herzen liegen. Das Arbeitsgebiet sei viel zu weit, meint | |
dagegen der Chef der deutschen SPD-Gruppe im Europaparlament, Jens Geier. | |
Er hatte Goulard zuvor die Zusage abgerungen, ihr neues Amt aufzugeben, | |
falls sie des Fehlverhaltens überführt werden sollte. Derzeit laufen noch | |
Ermittlungen bei der EU-Antibetrugsbehörde Olaf und bei französischen | |
Behörden. | |
Auch der designierte EU-Außenkommissar Josep Borrell hat schon mehrere | |
Affären hinter sich. Der spanische Sozialist musste 2018 eine Geldstrafe | |
von 30.000 Euro wegen eines Insiderdelikts zahlen. Dennoch bestand er seine | |
Anhörung weitgehend unbeschadet. | |
In Brüssel wird deshalb über ein „Stillhalteabkommen“ spekuliert. Die | |
großen Parlamentsfraktionen – die konservative EVP, die sozialdemokratische | |
S&D und die liberale Renew Europe – hätten sich darauf verständigt, es bei | |
den beiden durchgefallenen Kandidaten aus Ungarn und Rumänien zu belassen. | |
Die Sozialdemokraten bestreiten jedoch, sich auf Händel eingelassen zu | |
haben. Und vor allem deutsche Konservative hacken weiter lautstark auf | |
Goulard herum. Sie haben es nicht verschmerzt, dass Macron ihren | |
Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) aus dem Rennen um die EU-Kommission | |
geworfen hat. | |
## Sollte Macrons Kandidatin durchfallen, droht der Eklat | |
Die neue Kommissionschefin muss aber auch noch auf Ersatzkandidaten aus | |
Ungarn und Rumänien warten. Das kann dauern. Von der Leyen will nämlich den | |
Ausgang der für Donnerstag geplanten Misstrauensabstimmung gegen die | |
rumänische Regierung abwarten. Dahinter steckt offenbar die Hoffnung, dass | |
die oppositionellen Konservativen gewinnen – und dann einen der ihren nach | |
Brüssel schicken. | |
Doch je mehr Zeit vergeht, desto unwahrscheinlicher wird es, dass die neue | |
Kommission wie geplant am 1. November startet. Die neuen Kandidaten müssen | |
nämlich auch noch eine Anhörung absolvieren. Sollte Goulard am Donnerstag | |
durchfallen, droht sogar ein Eklat mit Frankreich. Bisher galt Präsident | |
Macron als von der Leyens Schutzpatron – das könnte sich dann ändern. | |
10 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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