# taz.de -- Machtkampf in der AfD: Auf dem Weg zur NPD light | |
> Der radikale „Flügel“ rund um Björn Höcke ist im Aufwind. Nach den | |
> anstehenden Landtagswahlen könnte er die AfD ganz übernehmen. | |
Bild: Genug Platz is ja | |
Die AfD errang im Herbst 2014 ihre ersten spektakulären Erfolge. In | |
Sachsen, Brandenburg und Thüringen zog die Partei aus dem Stand in die | |
ersten Landtage ein – mit um die 10 Prozent, in Brandenburg sogar mit 12. | |
Paradoxerweise begann mit diesem Erfolg das Ende des damaligen Parteichefs | |
Bernd Lucke – und eine erste Radikalisierungsphase der AfD nahm ihren Lauf. | |
Die Sieger, Alexander Gauland, Frauke Petry und Björn Höcke, allesamt | |
KritikerInnen des eher gemäßigten Lucke-Kurses, bekamen deutlich mehr | |
Einfluss in der Partei. Im Sommer 2015 stürzten sie Lucke. | |
Ähnliches könnte sich nach den Landtagswahlen in diesem Herbst abspielen. | |
Die extrem Rechten in der AfD könnten die Macht in der Partei endgültig | |
übernehmen – was die Partei spalten würde. Der größte Erfolg der AfD wür… | |
ihren Niedergang einläuten. Am Ende könnte eine NPD light stehen, | |
einstellig, aber deutlich größer und einflussreicher, als die NPD je war, | |
vom Verfassungsschutz beobachtet und vielleicht sogar vom Verbot bedroht. | |
Darüber könnte man sich freuen. Allerdings gibt es rechts von der in die | |
Mitte gerückten CDU durchaus Bedarf für eine konservative Partei. Doch sie | |
muss demokratisch sein und eine klare Grenze zum Rechtsextremismus ziehen. | |
Davon ist die AfD weiter entfernt denn je. In Thüringen, Brandenburg und | |
Sachsen tritt sie mit den „Flügel“-Männern Björn Höcke, Andreas Kalbitz… | |
Jörg Urban an, Mitgliedern jener Strömung also, die der Verfassungsschuss | |
der rechtsextremen Bestrebung verdächtigt. Die drei dürften mächtig | |
zulegen, in Brandenburg und Sachsen könnte die AfD gar stärkste Kraft | |
werden. | |
Das würde den Einfluss besonders von Höcke und Kalbitz in der Partei weiter | |
stärken. Hat man ihre Vergangenheit und ihre Netzwerke, ihre Ideologie und | |
Rhetorik im Blick, spricht viel dafür, die beiden als Rechtsextremisten zu | |
bezeichnen. Sie stehen gemeinsam an der Spitze des „Flügels“, Kalbitz ist | |
der Strippenzieher, Höcke das Idol. [1][Dessen Verehrung wurde jüngst auf | |
dem Kyffhäusertreffen so inszeniert], dass es an den Führerkult von | |
Diktaturen erinnert. | |
## Die Radikalen mobilisieren | |
Gemeinsam weiten sie den Einfluss des „Flügels“ innerhalb der AfD stetig | |
aus. Und je größer dieser Einfluss wird, desto vorsichtiger wird der | |
Widerstand dagegen. Wenn der „Flügel“ den Daumen senkt, wird es schwierig | |
mit der Wiederwahl auf Posten oder aussichtsreichen Plätzen auf Wahllisten. | |
Lucke und Petry, die sich nacheinander gegen Höcke und Co. stellten, haben | |
den Machtkampf beide verloren. Das wirkt nach in der Partei. | |
AfD-Chef Jörg Meuthen ist mit der Unterstützung des „Flügels“ an die | |
Parteispitze gewählt worden, gerade hat ihm dieser seine Abhängigkeit noch | |
einmal vor Augen geführt: Meuthen, der Teile des „Flügels“ kritisiert | |
hatte, fiel im eigenen Kreisverband als Parteitagsdelegierter durch. | |
Mobilisieren können die Radikalen. | |
Ende 2017 verhinderte die Strömung, dass der intern als gemäßigt geltende | |
Berliner Landeschef Georg Paszderski Bundesvorsitzender wurde, obwohl | |
dessen Kandidatur abgesprochen war. Stattdessen wurde Gauland gewählt, der | |
bislang stets seine Hand über Höcke hielt. Seit jenem legendären Parteitag | |
sitzt auch Kalbitz im Bundesvorstand und nimmt geschickt Einfluss auf die | |
Partei. Doch das reicht dem Duo nicht mehr. „Ich werde mich mit großer | |
Leidenschaft der Neuwahl des Bundesvorstands hingeben“, kündigte Höcke vor | |
jubelnden Fans jüngst beim Kyffhäusertreffen an. In der aktuellen | |
Zusammensetzung werde die Parteispitze sicher nicht wiedergewählt. Eine | |
Kampfansage. | |
Nun sind Thüringen und Brandenburg, wie alle ostdeutschen Landesverbände, | |
klein und stellen auf Parteitagen nur wenig Delegierte. Aber Höcke und | |
Kalbitz haben ihre Landesverbände auf Linie gebracht, sie funktionieren gut | |
und folgen. Zahlreiche große Westverbände, darunter Baden-Württemberg, NRW | |
und Bayern, sind derzeit von Flügelkämpfen paralysiert. In NRW ist fast der | |
ganze Landesvorstand zurückgetreten, nur die drei „Flügel“-Leute sind noch | |
im Amt. | |
In Bayern hat der gemäßigtere Fraktionschef hingeschmissen und seiner | |
Co-Chefin vom „Flügel“ das Feld überlassen. In Schleswig-Holstein hat der | |
Landesverband sogar Doris Sayn-Wittgenstein wieder zur Landesvorsitzenden | |
gewählt, obwohl auf Betreiben des Bundesvorstands gegen sie ein | |
Parteiausschlussverfahren läuft. | |
Ende des Jahres wählt die AfD einen neuen Bundesvorstand. Sollte der | |
„Flügel“ versuchen, einen der AfD-Chefs zu stellen, oder sollte Höcke gar | |
selbst kandidieren, ist zwar mit Widerstand der weniger Radikalen zu | |
rechnen, denn die gibt es noch – und zahlenmäßig stellen sie wohl noch | |
immer die Mehrheit in der Partei. Doch sind sie weder mutig noch gut | |
organisiert. So kritisierte ein „Appell der 100“ Höckes Auftritt beim | |
Kyffhäusertreffen – aber ohne seine völkisch-nationalistischen Positionen | |
anzugehen. Die beiden Parteichefs und Fraktionschefin Weidel, die sich | |
Höcke ohnehin nicht mehr in den Weg stellt, unterstützten den Protest | |
nicht. Der Appell verpuffte. | |
Bei einem Sieg Höckes im parteiinternen Machtkampf aber wird zumindest ein | |
Teil der UnterzeichnerInnen und ihrer AnhängerInnen die Partei verlassen. | |
Der radikale Rest würde bleiben – und die AfD endgültig übernehmen. | |
Natürlich muss es dazu nicht sofort kommen, der Radikalisierungsprozess | |
kann auch schleichend weitergehen – mit den alten Parteichefs oder | |
Kompromisskandidaten, wie dem Sachsen Tino Chrupalla, die dem „Flügel“ | |
nicht gefährlich werden. | |
Der Einfluss der Rechtsextremen aber wird weiter zunehmen. Die | |
Radikalisierung ist im Gründungsmythos der „Das wird man doch wohl sagen | |
dürfen“-Partei angelegt. Denn im Umkehrschluss heißt dieser: Wer nicht | |
alles für sagbar hält, verrät die Partei. Wie Lucke und Petry. Die | |
Fortsetzung ist nur eine Frage der Zeit. | |
18 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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