Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wir versteigern einen Sekt von Höcke: Weg mit der Flasche!
> Björn Höcke wollte mit einem Sekt einen Witz machen. Die taz ist in den
> Besitz der Flasche gekommen und versteigert sie nun für einen guten
> Zweck.
Bild: Das Objekt der Versteigerung, mit Widmung und Unterschrift von Höcke auf…
Ein paar Hundert AfD-Anhänger johlen auf dem Cottbuser Marktplatz. Eine
Flasche Sekt wird durch die Reihen gereicht. Man lacht, lässt sich damit
fotografieren – bis S. Meyer dazwischengeht.
Meyers vollständigen Namen nennen wir aus Sicherheitsgründen nicht. Der
Hamburger, Manager in der IT-Industrie, ist im Juli auf Radreise durch
Ostdeutschland. Zur Erholung in der Natur, zum einen. Zum anderen hat er
aber auch ein politisches Interesse: „Besser verstehen lernen, warum die
AfD im Osten so viel Anklang findet. Und ich wollte meine Vorurteile
darüber, woher dieser Erfolg kommt, überprüfen.“
Er fährt an der Elbe entlang, durch Magdeburg, später weiter Richtung
Osten, nach Eisenhüttenstadt und schließlich über die Oder ins polnische
Gubin. Dort erfährt er von der AfD-Veranstaltung in Cottbus, nur 40
Kilometer entfernt. „Ich habe ein Interesse an allem, was mit
Totalitarismus und Faschismus zu tun hat. Das Aufkeimen einer solchen
Ideologie, wie das funktioniert, wie das Publikum sozial strukturiert ist
und wie es sich verhält – das wollte ich mir aus nächster Nähe anschauen.�…
In Cottbus hört Meyer den Rednern zu, er erkennt deren
Freund-Feind-Schemata, das Spiel mit der Angst und dem Hass. Er will sich
eigentlich unauffällig verhalten, erzählt er später. Nicht applaudieren,
nicht provozieren. Aber als dann die Sektflasche durch die Reihen geht,
reagiert er doch.
## Eine Flasche Sekt als Gag
An diesem Samstag ist Björn Höcke, Chef der Thüringer AfD, nach Cottbus
gereist. Die AfD hat dort eine zentrale [1][Auftaktveranstaltung für die
Landtagswahlkämpfe im Osten organisiert]. Der Brandenburger Andreas Kalbitz
eröffnet die Veranstaltung. Jörg Urban aus Sachsen spricht auch.
Zwischendurch tritt der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen auf. Der Star des
Nachmittags ist aber der letzte Redner: Höcke.
Der ehemalige Geschichtslehrer hat sich für diesen Tag einen Witz
ausgedacht. Vor der Veranstaltung in Cottbus kündigte Innenminister
Karl-Heinz Schröter an, dass der Landesverfassungsschutz „genau zuhören“
werde. Darüber macht sich Höcke, Kopf der rechtsextremen Parteigruppierung
„Der Flügel“, auf der Bühne lustig: An Fürst Metternich erinnere ihn das
Ganze, den österreichischen Staatsmann, der im 19. Jahrhundert die junge
Demokratiebewegung verfolgen ließ.
Also habe er eine Flasche Fürst-Metternich-Sekt mitgebracht, als Gruß an
den Innenminister, den Herrn – „wie heißt denn der? Schröter? Mit t?“
Sollte ein Verfassungsschutzmitarbeiter anwesend sein, solle er die Flasche
doch bitte mitnehmen und Schröter überreichen. Mit diesen Worten gibt Höcke
die Flasche mit einer Widmung ins Publikum.
Das freut sich über Höckes Gag – bis Meyer sich die Flasche schnappt: „Ich
habe keine besonderen Sympathien für den Innenminister Brandenburgs. Aber
diese Verhöhnung durch rechtsradikale Menschen fand ich nicht in Ordnung.
Nichts zu tun, während die Flasche vorbeigeht, hätte man als
stillschweigendes Einverständnis verstehen können.“
## Ein Sekt für Sie
Ein AfD-Ordner habe ihn noch aufgefordert, sie weiterzugeben, berichtet er
später. Andere Zuschauer wollen schließlich auch noch Fotos. Aber Meyer
nimmt den Sekt mit, stellt sich erst neben eine Gruppe Polizisten am Rand,
schleppt die Flasche dann mit ins Kino und am Abend ins Hotel. Am nächsten
Tag, da ist er schon weitergeradelt nach Görlitz, schickt er sie mit der
Post zu seiner Familie nach Hamburg.
Eine Weile lang überlegt er, was er nach seiner Rückkehr damit tun wird.
Dann meldet er sich bei der taz. „Sekt trinke ich ohnehin nicht, und ich
dachte, die taz kann irgendwas Sinnvolles daraus machen“, sagt er.
Ob seine Geschichte stimmt? Wir haben Meyers Angaben überprüft. Wir haben
die GPS-Daten seiner Radtour eingesehen, seine Hotelbuchungen, sein
Kinoticket und den Sendungsbeleg der DHL. Wir haben die Sektflasche mit
Videoaufnahmen aus Cottbus abgeglichen. Wir haben Fotos analysiert, die
Meyer auf der AfD-Veranstaltung geknipst hat. Wir haben Hintergründe zu
seiner Person und seiner politischen Einstellung recherchiert und seine
Spuren im Netz gesichtet, die über zwanzig Jahre zurückgehen. Wir sind uns
sicher: Wir haben den Original-Metternich-Sekt.
Und bald könnte er Ihnen gehören.
Mitarbeit: Alexander Nabert
14 Aug 2019
## LINKS
[1] /Wahlkampfauftakt-der-AfD-in-Cottbus/!5611887
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Björn Höcke
Verfassungsschutz
Schwerpunkt Antifa
Schwerpunkt Rassismus
Andreas Kalbitz
Schwerpunkt AfD
Lesestück Interview
Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Machtkampf in der AfD: Auf dem Weg zur NPD light
Der radikale „Flügel“ rund um Björn Höcke ist im Aufwind. Nach den
anstehenden Landtagswahlen könnte er die AfD ganz übernehmen.
Brandenburgs AfD-Spitzenmann Kalbitz: Der Flügel-Kämpfer
Er spricht hölzern, hat eine rechtsradikale Biografie. Er ist intelligent
und gut vernetzt. Andreas Kalbitz empfiehlt sich in der AfD für Höheres.
Personenschutz für Björn Höcke: Vorwurf der Instrumentalisierung
Höcke spanne die LKA-Personenschützer für seine politischen Zwecke ein,
sagt Thüringens Innenminister Georg Maier. Das sei in Deutschland einmalig.
Soziologe über den AfD-Ost-Wahlkampf: Systemkollaps hat geprägt
Die AfD inszeniert sich als neue Bürgerrechtsbewegung und vergleicht die
Bundesrepublik mit der DDR. Woher kommt das? David Begrich versucht eine
Erklärung.
Rassistische Ausfälle im Fußball: Aufgehetzte Atmosphäre
Binnen einer Woche bietet der deutsche Fußball jede Menge Stoff zum Thema
Rassismus. Neu ist das nicht, aber dennoch ist einiges erheblich anders.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.