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# taz.de -- Björn Höcke bricht ZDF-Interview ab: Die AfD gewinnt immer
> Das Interview mit Björn Höcke ist ein Lehrstück für Gespräche mit
> Politikern. Nur: Höcke ist kein normaler Politiker, das Format stößt an
> eine Grenze.
Bild: Warum sollte man Höcke überhaupt noch interviewen? Es ist doch alles kl…
Es fällt nicht immer leicht, [1][die Wortwahl von Björn Höcke und die von
Adolf Hitler zu unterscheiden]. Höcke, die Führerfigur des rechtsextremen
„Flügels“ der AfD, hat sein Denken 2018 in dem Gesprächsband „Nie zweim…
in denselben Fluss“ niedergelegt. Zwei Äußerungen aus dem Buch hat das ZDF
einigen AfD-Bundestagsabgeordneten vorgelegt und sie gefragt, ob sie aus
Hitlers Buch „Mein Kampf“ stammen oder eben von ihrem tatsächlichen
Urheber. Keiner der Befragten wollte sich gegenüber dem Sender festlegen.
Als der ZDF-Journalist David Gebhard Höcke vergangenen Mittwoch zum
Interview trifft, spielt er Höcke die Antworten seiner Kollegen im
Bundestag vor. „Genau, Herr Höcke, Ihre eigenen Leute können jetzt da nicht
sagen, ob das noch Höcke oder schon Hitler ist. Was sagt das über Ihre
Sprache aus?“, fragt Gebhard. Rund zehn Minuten dreht sich das Interview
darum, inwiefern Höckes Wortwahl an NS-Terminologie erinnere.
Dann unterbricht Höckes Pressesprecher Günther Lachmann das Interview: „Sie
haben jetzt Herrn Höcke mit Fragen konfrontiert, die ihn stark
emotionalisiert haben, und diese Emotionen möchte … glaube ich, sollte man
so nicht im Fernsehen bringen.“ Dann fordert er, das komplette Interview zu
wiederholen, damit Höcke wisse, auf welche Fragen er antworten müsse.
Das ZDF hat das komplette Interview und die Diskussion mit dem
Pressesprecher veröffentlicht. Gebhard verweigert die Wiederholung des
Interviews, verweist darauf, dass das grundsätzlich nie gemacht werde.
„Herr Lachmann, das Interview hatten wir besprochen. Ich hatte gesagt, es
geht nicht um Thüringen. Es geht um die bundespolitische Bedeutung von
Herrn Höcke. Es geht um seine Sprache und sein Politikverständnis. Und da
sind wir gerade dabei“, sagt Gebhard.
## Höcke droht
Höcke schimpft, das Interview sei eine „Verhörsituation“. Kurz darauf sagt
er: „Passen Sie auf. Wir beenden das Interview. Wir wissen nicht, was
kommt. Dann ist klar, dass es mit mir kein Interview mehr für Sie geben
wird.“ Als Gebhard fragt, ob das eine Drohung sei, erwiderte Höcke, es sei
„nur eine Aussage, weil ich auch nur ein Mensch bin“. Auf weitere Nachfrage
erklärt Höcke: „Vielleicht werde ich auch mal eine interessante
persönliche, politische Person in diesem Lande. Könnte doch sein.“
Man komme in den sensiblen Bereich der Pressefreiheit, wenn man die Fragen
so oft stellen solle, bis Höcke mit den Antworten zufrieden sei, versucht
Gebhard zu erklären. Das ZDF spricht von einer Drohung.
[2][Das vom ZDF veröffentliche und ungeschnittene Video] ist ein wichtiges
Dokument, ein Lehrstück. Gebhard lässt sich an keiner Stelle beirren,
bleibt hartnäckig, hat gut recherchiert, ist schlagfertig, lässt sich nicht
auf Provokationen ein, bleibt auch in der eskalierenden Situationen
souverän. Es ist ein hartes Interview nach allen Regeln der Kunst. Genau so
muss man Politiker in die Mangel nehmen.
Dieses Interviewfragment kann nicht nur als Unterrichtsmaterial für den
Politikunterricht, sondern auch für Seminare an Journalistenschulen
hilfreich sein. Man könnte anhand dieses Videos über Interviewtechniken
diskutieren, über das Verhalten in Konfliktsituationen mit dem
Interviewpartner oder auch über Sinn und Unsinn von Autorisierungen.
## Kein normaler Politiker
Wenn Interviews einen Gewinner hätten, dann wäre der demokratischen
Öffentlichkeit klar, wer aus der am Sonntag ausgestrahlten Situation
siegreich hervorgegangen wäre, der um Aufklärung bemühte Journalist oder
der ums in Szene setzen bemühte Politiker. Es gibt dabei nur einen Haken.
[3][Björn Höcke ist kein normaler Politiker].
Für die Anhängerschaft von Höcke und der AfD stellt sich die Situation
anders dar. Die AfD Thüringen, deren Landesvorsitzender Höcke ist,
verbreitet das Interview auf Facebook und fordert dazu auf, sich eine
eigene Meinung zu bilden. Dazu stellt sie ein Zitat vom ehemaligen
Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Wenn man ganz genau hinschaut, dann sieht
man, dass die politischen Journalisten eigentlich mehr zur politischen
Klasse gehören und weniger zum Journalismus.“
In der Kommentarspalte wird Höcke gefeiert. „Das Interview bringt nur noch
mehr Pluspunkte“, sagt einer. Ein anderer nennt Gebhard „arglistig“,
mancher fantasiert von Gewalt. Die Redaktionen und die Journalisten, sie
erscheinen im Milieu der AfD als politische Gegner oder gar als
instrumentalisierte oder gesteuerte Marionetten. Wer der AfD kritische
Fragen stellt, der sei nicht neutral, der ist der Feind, so der Duktus.
In diesem nicht zu unterschätzenden Milieu – die AfD ist in Thüringen bei
Umfragen weit jenseits der 20 Prozent – ist durch kritischen Journalismus
nichts zu erreichen. Im Gegenteil: Der Journalist, der etwas hinterfragt,
wird zur Zielscheibe.
## Wahlkampf gegen die Öffentlich-Rechtlichen
Wie oft, wenn es um Rechtsextremismus geht, kennt man das Prinzip schon aus
Österreich. Vor der Europawahl machte die FPÖ vor allem Wahlkampf gegen den
öffentlich-rechtlichen ORF, weniger gegen die bürgerliche Österreichische
Volkspartei oder die Sozialdemokraten.
Als der ORF-Journalist Armin Wolf im April ein Interview mit dem
FPÖ-Spitzenkandidaten für die Europawahlen, Harald Vilimsky, führte und ihn
mit rechtsradikalen Äußerungen aus seiner Partei konfrontierte, brach auch
dieser das Interview ab. In der Sendung wurde ein rassistischer Cartoon der
FPÖ-Jugendorganisation einem Plakat des Stürmers gegenübergestellt. [4][So
wie Höcke drohte auch Vilimsky mit Konsequenzen]: „Dies ist etwas, das
nicht ohne Folgen bleiben kann“, sagte er während der live übertragenen
Sendung.
Nach der Übertragung legte Vilimsky Wolf den Rücktritt nahe. Die FPÖ
veröffentlichte einen Wahlwerbespot, in dem eine fiktive Journalistin mit
dem Namen Armina Wolf verspottet und als „größter Unterstützer von
Rot-Grün“ und Freundin der „Zuwanderungsfanatiker“ dargestellt wird.
## Das Format hat Grenzen
Die Rechtsextremen wissen, wie sie selbst aus Interviewsituationen, in
denen sie nicht gut wegkommen, politisches Kapital schlagen können. Nach
den normalen Regeln der Journalismus kann man ein Interview mit Höcke kaum
besser führen, als Gebhard es vorgemacht hat. Doch das Format an sich hat
Grenzen.
Ist ein Interview zu wenig kritisch, gibt man der AfD eine Möglichkeit,
sich ohne viel Widerspruch in der Öffentlichkeit in Szene zu setzen. Ist
ein Interview zu kritisch, sucht sie den Eklat, provoziert den Abbruch und
polemisiert gegen die ohnehin verhasste Lügenpresse. Wie man ein Interview
auch führt: Die AfD gewinnt immer. Vielleicht ist es an der Zeit, keine
Wortlautinterviews mit Menschen wie Höcke zu führen.
Es ist doch ohnehin alles gesagt, alles bekannt. In der Zivilgesellschaft
gibt es kaum noch jemanden, der an der rechtsextremen Gesinnung von Höcke
zweifelt. Die Urteile von Politikwissenschaftlern, Soziologen und
Historikern sind einhellig. [5][Höckes „Flügel“ wird vom Verfassungsschutz
als Verdachtsfall beobachtet]. Auch CSU-Chef Markus Söder schätzt Höcke als
„radikaler als manchen ehemaligen NPD-Vorsitzenden“ ein.
Was will man von so einem noch wissen? Warum führt man überhaupt noch
Interviews mit ihm? Ein Interview kann nicht mehr „entzaubern“, nicht mehr
aufklären. Diejenigen, die Höcke heute noch wählen, wissen ganz genau, wen
sie da wählen: einen, den die eigenen Leute nicht mehr von Hitler
unterscheiden können.
„Folgen Sie denen nicht“, sagte Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache
2015 mit Blick auf Pegida, „halten Sie Abstand.“
16 Sep 2019
## LINKS
[1] /AfD-Spitzenkandidat-bricht-Interview-ab/!5626246
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/das-interview-mit-bjoern-hoecke-versch…
[3] /Machtkampf-in-der-AfD/!5615542
[4] /Bedrohte-Pressefreiheit-in-Oesterreich/!5591569
[5] /AfD-im-Blick-des-Verfassungsschutzes/!5565986
## AUTOREN
Alexander Nabert
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