# taz.de -- FrauenKultur&Wohnen wird doch gebaut: Ein queeres Haus in Lesbenhand | |
> Nach langem Streit um ein Grundstück, gibt es nun gute Nachrichten: Auch | |
> für den lesbischen Verein RuT wurde eine Baumöglichkeit gefunden. | |
Bild: Unterstützung für das RuT-Wohnprojekt beim CSD Ende Juli 2019 | |
Sie waren am letzten Juliwochenende nicht zu übersehen: Beim Christopher | |
Street Day gab es einen Block von lesbischen Frauen, die kleine selbst | |
gebaute Protestschilder trugen und damit auf den Verein RuT und dessen seit | |
Langem geplanten inklusiven Wohn- und Kulturzentrum für Lesben in Berlin | |
aufmerksam machten. „Sicherer Lebensort!“ stand da geschrieben oder „Die | |
Zukunft ist lesbisch“. Diese Botschaften dürften als Glückwunsch gemeint | |
gewesen sein. Denn das Lesbenwohnprojekt und -Kulturzentrum namens | |
„RuT-FrauenKultur&Wohnen“ wird realisiert werden – doch noch, muss man | |
sagen. Denn genau das stand lange Zeit infrage. Aber der Reihe nach. | |
Für das Projekt hatte „Rad und Tat – die Offene Initiative Lesbischer | |
Frauen e. V.“ – kurz: RuT – seit Jahren nicht nur die Werbetrommel gerüh… | |
sondern auch viel Zeit und Geld investiert. RuT konnte bereits im November | |
2017 eine Ausschreibung um ein geeignetes Grundstück im sogenannten | |
Konzeptverfahren gewinnen. Es handelte sich um ein kleines Teilstück der | |
vor allem mit Wohnungs- und Bürobauten ausgeplanten „Schöneberger Linse“ … | |
Südkreuz. Doch die Freude darüber währte nicht lang, im Herbst letzten | |
Jahres kam die jähe Wende. | |
Gegen die Entscheidung, das Baugrundstück dem Verein RuT zuzusprechen, | |
hatte die Schwulenberatung Berlin, die sich ebenfalls beworben hatte, | |
Widerspruch eingelegt und Verfahrensfehler bei der Vergabe geltend gemacht. | |
Diese führten am Ende zu einer zweiten und teuren Bewerbungsrunde der drei | |
letzten Bewerber. RuT ging dabei am Ende leer aus, diesmal wurde zugunsten | |
der Schwulenberatung entschieden. | |
„Die Schwulenberatung hat die Bewertungskriterien als intransparent | |
kritisiert und dies vor der Vergabekammer gerügt“, erklärte Johanna Steinke | |
von der Abteilung Kommunikation und Marketing der BIM das Vorgehen damals | |
der taz. „Daraufhin wurden die Kriterien noch transparenter gemacht und | |
alle Bewerber hatten die Gelegenheit, ihre Konzepte nachzubessern. Die | |
Zusammensetzung der Fachjury war identisch. Dort saßen Vertreter der | |
Senatsverwaltungen und des Bezirks zusammen. Die Schwulenberatung hat in | |
der zweiten Runde durch das bessere architektonische Konzept überzeugt.“ | |
## Streit in der queeren Szene | |
Die Schwulenberatung wird damit auf der Schöneberger Linse ihren dritten | |
„Lebensort Vielfalt“ errichten. Im bereits eröffneten „Lebensort Vielfal… | |
am Ostkreuz zum Beispiel gibt es vier Wohngemeinschaften für schwule, | |
trans* oder inter* Menschen mit und ohne Fluchterfahrung sowie ein kleines | |
Café. Das neue Projekt auf der Schöneberger Linse soll aus einem | |
„Gebäudekomplex mit 69 Wohneinheiten, davon 22 als Sozialwohnungen, einer | |
Kita, Beratungs- und Betreuungsangebote für Lesben, Schwule, trans- und | |
intersexuelle Menschen und vielfältigen kiezbezogenen Angeboten“ bestehen, | |
wie es in einer Pressemitteilung der Berliner Immobilienmanagement GmbH | |
(BIM) heißt. | |
Ein herber Schlag für RuT. Der Verein kämpft seit einem Jahrzehnt für das | |
Projekt „RuT-FrauenKultur&Wohnen“: Dahinter verbergen sich – eigentlich �… | |
„80 günstige Wohnungen, barrierefrei und mit Balkon, dazu Pflegestation, | |
Kiez-Café, Pflege-WGs“, erläuterte RuT-Geschäftsführerin Jutta Brambach d… | |
taz. „Ein solcher Ort gelebter Selbsterhebung, lesbischer Biografien und | |
queerer Stadtgeschichte wäre der erste seiner Art in Europa.“ | |
Die für Außenstehende völlig widersprüchlich erscheinende Revision der | |
Entscheidung wurde von vielen Seiten kritisiert und kommentiert, es gab | |
Proteste und Aktionen, eine Onlinepetition für die Realisierung des | |
Projekts. In den sozialen Netzwerken wurde und wird immer noch teils heftig | |
diskutiert. Der „Streit in der queeren Szene“ machte die Runde. Der | |
betroffene Verein RuT hatte das Ganze per Pressemitteilung treffend einmal | |
so formuliert: „Ein Schlag ins Gesicht der Community“. | |
Doch Jutta Brambach und ihre MitstreiterInnen gaben sich nach der für sie | |
enttäuschenden Entscheidung kämpferisch: „Wir lassen uns nicht an den | |
Stadtrand abschieben, wir wollen ein Grundstück mitten in der Stadt.“ Der | |
Verein wolle „natürlich weitermachen und daran arbeiten, das Projekt zu | |
realisieren“. Das sei man den Frauen, die auf einen Platz in diesem | |
einzigartigen Wohnprojekt warteten, schuldig. | |
## Und nun eine Filetstück | |
Und all die Proteste haben etwas bewirkt. Der Verein bekam das Angebot, | |
zusammen mit der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) einen | |
siebenstöckigen Neubau auf einem Grundstück an der Berolinastraße zu | |
errichten. Sozusagen ein Filetstück, liegt es doch in der Nähe von Kino | |
International und Rathaus Mitte. „Das Grundstück gehört der WBM“, erklärt | |
Jutta Brambach am Telefon, „wir kriegen also kein eigenes, auch wenn es das | |
war, was wir immer wollten.“ Die Wohnungsbaugesellschaft habe vom Senat | |
aber die Auflage, nach den Wünschen von RuT zu bauen. Die Verhandlungen | |
darüber begannen schon im vergangenen Jahr. | |
Muss RuT nun Abstriche am Projekt machen? „Im Großen und Ganzen können wir | |
alles, was wir vorhatten, umsetzen, wenn auch in etwas kleinerem Maßstab“, | |
sagt Brambach. Gerade wären die Architekten bei der Arbeit. „Wir bekommen | |
das vorgelegt und, soweit es geht, wird auf unsere Wünsche eingegangen.“ | |
RuT bekommt einen Generalmietvertrag, der 30 Jahre läuft. | |
Es gab jedoch noch ein weiteres Problem zu lösen: Für das lesbische | |
Wohnprojekt hatte die Lotto-Stiftung Mittel in Höhe von 5,5, Millionen Euro | |
zugesagt – davon 1,5 Millionen das Darlehen –, aber die waren an das | |
Baugrundstück Schöneberger Linse gebunden. Doch seit Mitte Juli ist | |
amtlich, dass RuT auch diesen Stolperstein aus dem Weg räumen konnte. Ein | |
kleiner Haken: Die Gelder dürfen nur in den Bau fließen. Und RuT muss als | |
Bauherrin auftreten. Dafür wurde bereits die „RuT – Rad und Tat Berlin | |
gGmbH“ gegründet. | |
Das wirft eine weitere Schwierigkeit auf: Der Verein benötige zusätzliches | |
Personal für Aufgaben, die sich aus der Bauherrin-Tätigkeit ergeben – etwa | |
Projektsteuerung. Das Geld dafür sei nicht in den Lotto-Mitteln enthalten | |
ist, sagt Jutta Brambach. Der Verein setzt deshalb auf den Senat und | |
Spenden und auch weitere Stiftungen. | |
## Große Freude – und ein Wermutstropfen | |
Die Zeit drängt. Baubeginn soll Ende 2020 sein, Fertigstellung im Jahr | |
2022. „Wir sind total happy und freuen uns sehr darauf, das Projekt zu | |
realisieren“, sagt Brambach. „Das wird zusammen mit Wohnungen für Lesben, | |
einer Pflegeeinrichtung, dem Verein und einem Kiezcafé ein tolles queeres | |
Haus in Lesbenhand.“ | |
Große Teile der Community haben Anteil an diesem guten Ende der Geschichte. | |
Sie haben dem lesbischen Verein den Rücken gestärkt – „das hat uns Mut | |
gemacht weiterzumachen“, resümiert Jutta Brambach. | |
Und doch bleibt ein Wermutstropfen: „Dass uns das zuerst zugesprochene | |
Baugrundstück wieder entzogen wurde, hinterlässt ein Gefühl der | |
Diskriminierung, der strukturellen Benachteiligung.“ | |
11 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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