# taz.de -- Grundstücksstreit entzweit queere Szene: Lesben-Wohnprojekt vor de… | |
> Der lesbische Verein RuT gewann die Ausschreibung für das Grundstück | |
> Schöneberger Linse. Die Schwulenberatung Berlin klagte dagegen – mit | |
> Erfolg. | |
Bild: Ehe für alle – Wohnprojekt nur für Schwule? Eine Entscheidung sorgt f… | |
Die mit Spannung erwartete [1][Entscheidung um ein umkämpftes Grundstück am | |
Südkreuz] – ein kleines Teilstück der vor allem mit Wohnungs- und | |
Bürobauten ausgeplanten „Schöneberger Linse“ – ist gefallen. Den Zuschl… | |
hat die [2][Schwulenberatung Berlin] bekommen, auf dem Gelände soll der | |
dritte „Lebensort Vielfalt“ entstehen. Laut Pressemitteilung der Berliner | |
Immobilienmanagement GmbH (BIM) handelt es sich bei diesem Wohnprojekt um | |
einen „Gebäudekomplex mit 69 Wohneinheiten, davon 22 als Sozialwohnungen | |
geplant, einer Kita, Beratungs- und Betreuungsangebote für Lesben, Schwule, | |
trans- und intersexuelle Menschen und vielfältigen kiezbezogenen | |
Angeboten“. | |
RuT dagegen ging leer aus. Dabei hatte [3][Rad und Tat – die Offene | |
Initiative Lesbischer Frauen e. V.] die entsprechende Ausschreibung zuvor | |
bereits gewonnen. Doch jetzt wird es nichts mit dem geplanten Wohnprojekt | |
für ältere lesbische Frauen – es wäre bundesweit das erste seiner Art | |
gewesen. | |
„Die Stimmung bei uns ist niederschmetternd“, sagt RuT-Geschäftsführerin | |
Jutta Brambach der taz. „Wir haben ein gutes Konzept und haben in den | |
Jahren viel versucht, um an ein Grundstück zu kommen, auf dem freien Markt, | |
mithilfe von Bezirk und Senat und BIM, unsere ganze Hoffnung ruhte auf dem | |
Konzeptverfahren.“ | |
RuT hatte das vom Land Berlin ausgeschriebene sogenannte Konzeptverfahren | |
um besagtes Grundstück bereits im November 2017 gewonnen. | |
## Verfahrensfehler bei der Vergabe | |
Konzeptverfahren bieten laut Eigenbeschreibung der BIM „die Chance zur | |
Realisierung innovativer, standortgerechter Nutzungskonzepte, insbesondere | |
bezahlbaren und zugleich bedarfsgerechten Wohnraum zu schaffen, soziale | |
Projekte wie etwa Angebote für benachteiligte Bevölkerungsgruppen | |
umzusetzen oder ein breites Spektrum an kulturellen Angeboten | |
bereitzustellen“. Genau darum wäre es beim Projekt von RuT ja gegangen. | |
Gegen die Entscheidung hatte die Schwulenberatung, die sich ebenfalls um | |
das Grundstück auf dem Areal beworben hatte, Widerspruch eingelegt. Es | |
wurden dabei Verfahrensfehler bei der Vergabe geltend gemacht. Was bedeutet | |
das? | |
Marcel de Groot, der Geschäftsführer der Schwulenberatung Berlin, steht | |
derzeit für Nachfragen nicht zur Verfügung, wie er über die Telefonzentrale | |
ausrichten lässt. Bleibt [4][ein Beitrag auf der Homepage der | |
Schwulenberatung], in dem de Groot auf einen Text des Tagesspiegels Bezug | |
nimmt. | |
Dort macht Marcel de Groot auf ein Dilemma aufmerksam, dass das eigentlich | |
gut gemeinte Konzeptverfahren infrage stellt: „Wir haben von Anfang an bei | |
einigen Senatsverwaltungen das Verfahren als völlig ungeeignet für soziale | |
Träger kritisiert“, schreibt de Groot. Das Konzeptverfahren ist aus seiner | |
Sicht deswegen ungeeignet, „weil es die teilnehmenden sozialen Träger | |
ungewollt miteinander in Konkurrenz und sie zudem finanziell an ihre | |
Grenzen bringt. Kosten für Gutachten der Bank, Architekten und | |
Sachverständige belaufen sich auf rund 100.000 Euro, und davon wird nichts | |
erstattet.“ | |
## Druck ausgeübt | |
Marcel de Groot schreibt aber auch über „Unregelmäßigkeiten“ im Verfahren | |
zur Grundstücksvergabe und auch, dass „von einer Senatsverwaltung Druck auf | |
uns ausgeübt wurde, den Widerspruch zurückzunehmen“. | |
Daraufhin habe man einen Anwalt zu Rate gezogen und Widerspruch bei der | |
Vergabekammer eingelegt. „Die Vergabekammer hat uns“, so schreibt de Groot | |
weiter, „in allen strittigen Punkten, wie der ungenauen Ausschreibung, der | |
mangelhaften Aktenführung und einer nicht nachvollziehbaren Bewertung der | |
Unterlagen, recht gegeben.“ Dieser Verfahrensfehler führte nach dem | |
Widerspruch zu einer zweiten und teuren Bewerbungsrunde der drei letzten | |
Bewerber, die am Ende zugunsten der Schwulenberatung ausfiel. | |
„Die Schwulenberatung hat die Bewertungskriterien als intransparent | |
kritisiert und dies vor der Vergabekammer gerügt“, erklärt Johanna Steinke | |
von der Abteilung Kommunikation und Marketing der BIM das Vorgehen. | |
„Daraufhin wurden die Kriterien noch transparenter gemacht und alle | |
Bewerber hatten die Gelegenheit, ihre Konzepte nachzubessern. Die | |
Zusammensetzung der Fachjury war identisch. Dort saßen Vertreter der | |
Senatsverwaltungen und des Bezirks zusammen. Die Schwulenberatung hat in | |
der zweiten Runde durch das bessere architektonische Konzept überzeugt.“ | |
Jutta Brambach ist gelinde gesagt irritiert: „Warum ist die Architektur, | |
die ja immer auch subjektiv bewertet wird, relevant für das, was im Inneren | |
eines Gebäudes geplant ist?“ Im ablehnenden Bescheid hätte neben dem | |
architektonischen Konzept des Konkurrenten auch dessen finanzielles Gebot | |
eine Rolle gespielt. „Die Regenbogenhauptstadt Berlin ohne Lesben – das ist | |
ein fatales Signal“, resümiert Brambach. | |
## „Schlag ins Gesicht der Community“ | |
Seit dieser Entscheidung hagelt es Kritik an der Schwulenberatung. Teile | |
der queeren Community scheinen gespalten, in den sozialen Netzwerken wird | |
teils heftig diskutiert. Von „Streit“ ist die Rede. Der betroffene Verein | |
RuT hat das Ganze per Pressemitteilung so formuliert: „Das ist ein Schlag | |
ins Gesicht der Community.“ | |
Jutta Brambach verweist auf die breite Unterstützung für ihr Projekt und | |
auf die bei [5][Chance.org gestartete Petition], die binnen Kurzem über | |
18.000 UnterstützerInnen gezeichnet hätten: „RuT kämpft seit einem | |
Jahrzehnt für das Projekt FrauenKultur&Wohnen.“ Dahinter verbergen sich „80 | |
günstige Wohnungen, barrierefrei und mit Balkon, dazu Pflegestation, | |
Kiez-Café, Pflege-WGs, und alles das im Herzen Berlins. Ein solcher Ort | |
gelebter Selbsterhebung, lesbischer Biografien und queerer Stadtgeschichte | |
wäre der erste seiner Art in Europa.“ | |
Doch mit der Entscheidung zugunsten der Schwulenberatung stünde das | |
Lesben-Wohnprojekt „vor dem Aus“. RuT spricht von einem „frauenpolitischen | |
Super-GAU“: Frauen würden „mal wieder auf ihren Platz verwiesen“. Ein | |
eindeutiges Signal für lesbische Teilhabe und Geschlechtergerechtigkeit in | |
der Stadt sei vertan, sagt Jutta Brambach, dabei habe es zuvor immer wieder | |
entsprechende „Lippenbekenntnisse“ gegeben. „Doch wir lassen uns nicht an | |
den Stadtrand abschieben, wir wollen ein Grundstück mitten in der Stadt“, | |
sagt Brambach kämpferisch. | |
Manuela Kay, Mitherausgeberin der Siegessäule, Berlins queerem | |
Stadtmagazin, und Mitglied des Kuratoriums des Wohnprojekts des RuT e. V., | |
bringt es in [6][einem Kommentar auf siegessaeule.de] so auf den Punkt: | |
„Das RuT musste eine geradezu alles vernichtende und bewusst herbeigeführte | |
Niederlage erleiden. Aber was unsere Community nicht umbringt, macht uns | |
eben härter und vor allem klüger. Schade, dass die Schwulenberatung kein | |
Teil mehr unserer Community ist.“ | |
## Der Verein Rut macht weiter | |
Sind nun alle Messen gesungen? Ist das per Pressemitteilung verkündete | |
„Aus“ fürs lesbische Wohnprojekt endgültig? | |
Zunächst müssen, wie das BIM mitteilt, jetzt das Abgeordnetenhaus und der | |
Senat allen Entscheidung zur Schöneberger Linse zustimmen. Wenn das | |
passiert, könnten die Bauvorhaben auf dem Gelände ab dem Jahr 2020 | |
umgesetzt werden. | |
Und auch „wenn im Moment nicht erkennbar ist, dass es einen politischen | |
Willen gibt, uns ein Grundstück zu geben“, sagt Jutta Brambach, „machen wir | |
natürlich weiter und arbeiten daran, das Projekt zu realisieren“. Das sei | |
man den Frauen, die auf einen Platz in diesem einzigartigen Wohnprojekt | |
schon lange warten, schuldig. | |
1 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Grundstuecksstreit-in-Berlin/!5510521 | |
[2] http://www.schwulenberatungberlin.de/ | |
[3] http://rut-berlin.de/startseite.html | |
[4] http://www.schwulenberatungberlin.de/post.php?id=3263#seitenanfang | |
[5] /Petition-fuer-lesbisches-Hausprojekt/!5520241 | |
[6] https://www.siegessaeule.de/no_cache/newscomments/article/4037-make-schwule… | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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