# taz.de -- Grundstücksstreit in Berlin: Schwul-lesbische Konkurrenz | |
> Die Schwulenberatung hat die Entscheidung der Vergabekammer für ein | |
> lesbisches Wohnprojekt angefochten. | |
Bild: Anja Kofbinger, queerpolitische Sprecherin der Grünen, ist nicht erfreut | |
BERLIN taz | Von einem Konflikt in der Community möchten die Beteiligten | |
nicht sprechen. Doch die Stimmung ist angespannt, seitdem die Berliner | |
Schwulenberatung Einspruch gegen eine Entscheidung der Vergabekammer | |
eingelegt hat. Die hatte die Ausschreibung um ein Baugrundstück am | |
Südkreuz, an der sich auch die Schwulenberatung beteiligt hatte, zugunsten | |
der Initiative für lesbische Frauen Rad und Tat (RuT) entschieden. | |
Das 1.824 Quadratmeter große Grundstück liegt in der Schöneberger Linse, an | |
der Ecke Tempelhofer Weg und Gotenstraße. Die Ausschreibung richtete sich | |
vor allem an soziale Träger, die Wohnprojekte mit einem solidarischen | |
Aspekt verbinden wollen. Bereits vor einem Jahr hatten sich beide | |
Initiativen beworben. Die Entscheidung fiel in einem neuen | |
Konzeptverfahren, das im Gegenzug zum alten Vergabeverfahren dafür sorgen | |
soll, dass nicht die Ausschreibung gewinnt, wer das meiste Geld bietet. | |
Ausschlaggebend soll vielmehr das Gesamtkonzept des geplanten Projekts | |
sein. | |
Dabei hatten die Antragssteller*innen von RuT offenbar in allen Punkten | |
überzeugt. Am Ende des Verfahrens erhielten sie im November 2017 die Zusage | |
für das begehrte Grundstück. Die Freude währte aber nicht lange, denn die | |
Schwulenberatung ließ die Entscheidung juristisch prüfen. Tatsächlich | |
stellte die Vergabekammer Unregelmäßigkeiten bei der Bewertung fest, das | |
Verfahren wurde zurückgesetzt, eine neue Entscheidung soll fallen. | |
Das gab beiden Bewerbern die Möglichkeit, bis zum 23. Mai überarbeitete | |
Konzepte einzureichen. „Die Bewertung der Juryteilnehmer war nicht | |
durchsichtig“, erklärt Marcel de Groot, Geschäftsführer der | |
Schwulenberatung, zu den Hintergründen. „Da wir viel Geld für das Projekt | |
aufgewendet haben, haben wir beschlossen, juristisch dagegen vorzugehen.“ | |
## „Extrem frustrierend“ | |
Denn sowohl das Vorgehen der Schwulenberatung wie auch der Rückschritt der | |
Vergabekammer stießen auf großen Unmut. Mit einer symbolischen Besetzung | |
von Räumen der Schwulenberatung drückten lesbische Aktivist*innen am 23. | |
Mai ihre Verärgerung aus. Auch RuT zeigte sich enttäuscht. „Es war extrem | |
frustrierend, dass die Entscheidung zurückgesetzt wurde“, sagt Jutta | |
Brambach, Geschäftsführerin der Initiative. Der Frust gelte aber nicht der | |
Vergabekammer. „Wir möchten zwar nicht Stellung gegen die Schwulenberatung | |
beziehen“, so Brambach: „Allerdings hätten wir, wären wir in der Situation | |
gewesen, die Entscheidung akzeptiert.“ Personell sei RuT deutlich kleiner | |
aufgestellt als die Schwulenberatung, die über 100 Mitarbeiter beschäftigt: | |
„Wir arbeiten mit zweieinhalb Stellen und waren jetzt gezwungen, ein ganz | |
neues Konzept zu erarbeiten und vorzulegen“, erklärt Brambach. | |
Deutlicher wird die Verärgerung bei Anja Kofbinger, Sprecherin der | |
Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus für Frauen- und Queerpolitik. Sie hat | |
am 23. Mai am Protest teilgenommen. „Die Schwulenberatung hat bereits zwei | |
Wohnprojekte und das ist ja auch gut so“, erklärt sie. „Jetzt sind | |
allerdings die Frauen und Lesben dran.“ Die Entscheidung der | |
Schwulenberatung, juristisch gegen die Vergabe vorzugehen, kann sie nicht | |
nachvollziehen. „Dieser Schritt war zutiefst unsolidarisch“, so Kofbinger. | |
„Trotzdem ist es mir wichtig zu sagen, dass ich mich gegen die | |
Vergabepolitik wende und nicht gegen die Schwulenberatung.“ Denn, so die | |
Grünen-Politikerin weiter: „Das Land Berlin hat sich verdammt nochmal darum | |
zu kümmern, Projekte von sozialen Trägern finanziell zu fördern und ihnen | |
Grundstücke zur Verfügung zu stellen“. | |
Marcel de Groot bedauert, in diese Konkurrenzsituation geraten zu sein. | |
Auch er sieht nun das Land in der Verantwortung. „Die aktuelle Situation | |
ist nicht gut für den Zusammenhalt der Community. Es werden Minderheiten | |
gegeneinander ausgespielt, die beide nicht schuld an der aktuellen Lage | |
sind.“ Eine erneute Entscheidung im Vergabeverfahren wird im August oder | |
September erwartet. „Wir glauben, dass wir mit unserem Konzept erneut | |
Erfolg haben werden“, erklärt Brambach zuversichtlich. „Wenn wir | |
Unstimmigkeiten in der Bewertung wahrnehmen, werden wir das Ganze erneut | |
juristisch prüfen lassen“, sagt de Groot. | |
14 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Serdar Arslan | |
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