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# taz.de -- Streit im Lesben- und Schwulenverband: Mehr Lobby für Lesben
> Seit 2013 leitete Constanze Körner das Regenbogenzentrum. Dann kündigte
> sie aus Protest beim Lesben- und Schwulenverband.
Bild: Nicht immer herrscht eitel Sonnenschein unter der Regenbogenflagge des Le…
Etwas wehmütig blickt Constanze Körner zurück. „Ich war ein langjähriges,
sehr loyales Teammitglied und habe, glaube ich, viel dazu beigetragen, dass
das Thema Regenbogenfamilien nicht nur für den Lesben- und Schwulenverband
Berlin Brandenburg (LSVD BB), sondern auch gesellschaftspolitisch nach
oben kam“, sagt sie. Seit 2005 hatte Körner dort im Projekt
Regenbogenfamilien gearbeitet, 2013 das Regenbogenfamilienzentrum
maßgeblich aufgebaut und seitdem geleitet. Aber schon im Laufe des
vergangenen Jahres konnte sie sich immer weniger mit den Haltungen des
Landesverbandes identifizieren.
Die Kommunikation zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeiter*innen war im
LSVD BB nicht mehr möglich. Nach ergebnislosen internen Gesprächen
organisierten einige Mitarbeiter*innen einen Arbeitskampf, der von der
Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) unterstützt wurde.
Thema waren die prekären Arbeitsbedingungen unter befristeten Verträgen,
die mit hohen Überstunden und Krankenständen einhergingen, sowie das Maß an
Mitbestimmung. Gefordert wurden eine Entfristung der Arbeitsverträge, eine
interne Beschwerdestelle und die Anerkennung der FAU-Betriebsgruppe als
Mitbestimmungsorgan. Auch diese Verhandlungen scheiterten und die Leitung
ließ zum Jahresende eine Vielzahl der befristeten Verträge auslaufen.
Als Constanze Körner erfuhr, wie mit ihren Kolleg*innen umgegangen wurde,
entschied sie zu kündigen: „Es war irgendwann klar, dass ich mich da
rausziehen muss. Das war nicht das, wofür ich stehen wollte.“ Diese
Entscheidung fiel ihr trotzdem nicht leicht. Das Regenbogenfamilienzentrum
war ihre Idee gewesen und über die Jahre hatte sie sich mit dem
deutschlandweit ersten Zentrum mit Beratungsangeboten und Gruppentreffen
für Regenbogenfamilien einen Namen gemacht. Sie hatte es genossen, Menschen
in der emotionalen Phase der Familiengründung zu unterstützen, die bei
LGBT-Eltern zusätzlich durch die heterosexistische deutsche Rechtslage
erschwert wird.
Der Blick zurück schmerzt. „Für mich ist nach wie vor schwer, dass
langjährige Freundschaften und kollegiale Beziehungen kaputtgegangen sind.
Daran knabber ich immer noch.“ Es war ein langer Prozess des Loslassens,
der mit viel Leiden, auch für ihre Familie, verbunden war. „Meine Partnerin
musste sich das ständig anhören“, sagt sie zerknirscht. Der monatelange
Stress wirkte sich auch auf die Gesundheit der Mitarbeiter*innen aus. Für
einige ihrer ehemaligen Kolleg*innen bedeutete das Ende ihres Vertrags die
plötzliche Erwerbslosigkeit. Bitterkeit und Enttäuschung sind die Gefühle
des gescheiterten Arbeitskampfs.
## Arbeitskampf mit Konsequenzen
Beim LSVD BB ist der Stellenwechsel offiziell bereits Geschichte. Auf
Anfrage der taz, welche internen Konsequenzen der Arbeitskampf beim LSVD BB
hatte, verweist Geschäftsführer und Pressesprecher Jörg Steinert auf eine
Pressemeldung von Ende Januar. Darüber hinaus möchte er keinen Kommentar
geben. Die Pressemeldung hatte eine „Geschäftsordnung inklusive
Verhaltenskodex, neue Strukturen und Handlungsmaximen“ angekündigt, die
online einsehbar sind. Einige Handlungsmaximen klingen nach einem
Entgegenkommen auf die Forderungen des Arbeitskampfes, andere nach einer
Zurückweisung.
Einerseits weiß Constanze Körner, dass sie ihre Expertise und Vernetzung
unabhängig von ihrem ehemaligen Arbeitgeber behält. „Ich habe was zu sagen
und bin einfach deutschlandweit und darüber hinaus bekannt mit dem Thema
und will da auch anknüpfen“, kann sie selbstbewusst von sich behaupten. Auf
ihre Berufserfahrung kann sie sich verlassen. Ihr Blick in die Zukunft
bleibt also, wie sollte es anders sein, auf Regenbogenfamilien eingestellt.
Sie hat schon neue Energie und Visionen. Im Februar dieses Jahres hat sie
mit zwölf weiteren engagierten Frauen einen Verein gegründet: Lesben Leben
Familie (LesLeFam) versteht sich als feministisch, inklusiv,
antirassistisch und antifaschistisch und vertritt die Interessen von
lesbischen Frauen in Politik und Gesellschaft. Körners Steckenpferd, die
Regenbogenfamilien, soll über die Themen Schwangerschaft und Co.
hinauswachsen. „Wir wollen größer und lesbenspezifisch denken. Das
Familienthema ist größer als Kinderwunsch und Krabbelgruppe, sondern es
geht auch um andere Lebensphasen, vom Coming-out bis zum Sterben quasi.“
Auf dem schwul-lesbischen Stadtfest, dem Dyke* March und anderen
LGBT-Sommertreffen wird sich der junge Verein vorstellen. Aber schon zum
Internationalen Tag gegen Homo- und Trans*phobie am 17. Mai stand Körner im
T-Shirt mit Aufdruck von LesLeFam und verteilte strahlend Postkarten des
Vereins.
„Für mich fühlt es sich jetzt nach viel mehr Freiheit an. Ich kann ganz
anders gestalten und hab Leute an der Seite, mit denen das wirklich Spaß
macht“, sagt sie. Nach dem Arbeitskampf bedeutet auch die Freiheit, sich
neu auszurichten und die eigenen Ziele und Ideale klar vor Augen zu haben.
Für Constanze Körner sind das feministische Fragen und lesbische
Sichtbarkeit.
## Im Alter arm
Der Fokus von LesLeFam auf Lesben, ihre Vernetzung und Förderung, sei
dringend notwendig, sagt sie, auch in einer Zeit der gemeinsamen Kämpfe
unter den Oberbegriffen queer oder LGBTI. Denn die Lebenssituation von
queeren Frauen* – neben Lesben auch bisexuelle Frauen, viele trans* und
inter* Personen – sei neben Homo- und Trans*phobie gleichzeitig stark von
Sexismus geprägt: Lesbische Paare sind beispielsweise wesentlich stärker
von Altersarmut betroffen als heterosexuelle oder schwule Paare.
Andererseits leide ihre Interessenvertretung darunter, dass sich in
leitenden Positionen zu wenige Frauen befänden. Die lesbische Sichtbarkeit
erfahre also strukturell zu wenige Fördermittel und politischen Druck,
erklärt Körner. Bei LesLeFam wird Frauen die ordentliche Mitgliedschaft
vorbehalten – „alle anderen dürfen aber Fördermitglied werden“, fügt s…
lachend hinzu.
In der Ambivalenz zwischen Frustration über das jähe Ende beim Lesben- und
Schwulenverband und der neu gewonnenen Freiheit bleibt trotzdem eine
Konstante: die unsichere und finanziell prekäre Jobsituation.
Einige ehemalige Kolleg*innen haben so schnell keine nächste Stelle
gefunden, und der Verein LesLeFam wird bisher ehrenamtlich bespielt. „Bis
Gelder fließen, können zwei Jahre vergehen“, meint Körner. „Langweilig w…
mir wirklich überhaupt nicht“, sagt sie zwar im Hinblick auf ihren vollen
Terminkalender für LesLeFam – nur eben bis auf Weiteres unbezahlt.
Die Kröte des Arbeitskampfes ist, ein besonderes Gespür für
Arbeitsbedingungen zu entwickeln. Und die sind in vielen sozialen Projekten
ganz schön mau, so wundervoll ihre Inhalte sein können. Nach dem
Arbeitskampf ist auf eine Art leider auch vor dem Arbeitskampf.
11 Jun 2018
## AUTOREN
Clara Woopen
## TAGS
LSVD
Regenbogenfamilie
Queer
Lesestück Interview
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schwule
Kinderwunsch
Homosexualität
Lesestück Interview
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