| # taz.de -- Fünf Jahre Regenbogen-Familienzentrum: Bullerbü für alle | |
| > Wie bekommen zwei Lesben oder Schwule ein Kind? Der Beratungsbedarf ist | |
| > groß. Doch es gibt auch Angst vor einem gesellschaftlichen Rollback. | |
| Bild: Schön | |
| Berlin taz | Der junge Mann mit Brille ist der Erste. In Regensachen | |
| betritt er am Montagabend das Ladenlokal in der Cheruskerstraße in | |
| Schöneberg. Ein funktionaler, freundlicher Raum. Im Regal liegt Spielzeug, | |
| auf dem dunklen Sofa ein Kissen in Regenbogenfarben. Eine Mitarbeiterin | |
| schleppt orangefarbene Stühle herbei und stellt sie im Kreis auf. Gleich | |
| soll hier ein offenes Treffen für Lesben, Schwule und Transpersonen | |
| stattfinden, die sich Kinder wünschen. | |
| „Jetzt habe ich das mit dem Job geklärt. Der nächste Baustein ist die | |
| Familienplanung“, sagt der Mann, nun im karierten Hemd. Er arbeitet als | |
| Lehrer. Er sei schwul und habe auch einen Partner, erzählt er. „Der will | |
| aber keine Kinder.“ Er schon. Doch wie kann das gehen, Vater werden, | |
| alleine, als schwuler Mann? | |
| Mit dieser Frage ist er im Regenbogenfamilienzentrum in der Cheruskerstraße | |
| am richtigen Ort. Seit fünf Jahren gibt es die Anlaufstelle, am heutigen | |
| Donnerstag wird mit einem Tag der offenen Tür Geburtstag gefeiert. Die | |
| Beratung von Lesben und Schwulen mit Kinderwunsch ist ein Schwerpunkt der | |
| Arbeit des Zentrums, ebenso die Krabbelgruppen für homosexuelle Paare mit | |
| Nachwuchs. Daneben beraten die Mitarbeiterinnen aber auch zu Rechtsfragen | |
| und bieten Geburtsvorbereitungskurse an. | |
| Der Bedarf ist da: Allein im vergangenen Jahr fanden über das | |
| Regenbogenfamilienzentrum 471 Beratungen statt, sagt Jörg Steinert, | |
| Geschäftsführer vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Berlin-Brandenburg, | |
| zu dem die Anlaufstelle gehört. Die Gruppenangebote wurden 1.300 Mal | |
| genutzt. Nicht alles passiert in der Cheruskerstraße, die Mitarbeiterinnen | |
| touren durch die Stadt, gehen in Familienzentren oder Schulen und sind seit | |
| einiger Zeit auch in Brandenburg unterwegs. Finanziert wird das Projekt in | |
| Berlin vor allem von der Justiz- und der Familienverwaltung, früher auch | |
| von der Lottostiftung. | |
| ## Vorbild für andere Städte | |
| Die Berliner Anlaufstelle hat Vorbildcharakter. Inzwischen gibt es Zentren | |
| für Regenbogenfamilien auch in München und Wien, sagt Steinert. In | |
| Brandenburg ist eine Anlaufstelle in Planung. In Köln und Stuttgart könnten | |
| weitere entstehen. | |
| Zu Beginn nutzten vor allem Lesben das Schöneberger Angebot. Für Frauen ist | |
| es biologisch und rechtlich deutlich leichter, ein Kind zu haben. Doch auch | |
| bei Schwulen tut sich was: Insbesondere die Kinderwunschgruppe besuchen | |
| Steinert zufolge inzwischen zunehmend auch Männer. Schwule Paare können | |
| Pflegekinder aufnehmen und inzwischen auch Kinder adoptieren. Oder sie | |
| verwirklichen ihren Kinderwunsch gemeinsam mit einer lesbischen Frau, die | |
| ebenfalls ein Kind will – vielleicht eine Option für den jungen Lehrer. | |
| Auch Transpersonen mit Kinderwunsch kommen häufiger als früher in die | |
| Beratungsstelle in der Cheruskerstraße, berichtet Steinert. Das Team sei am | |
| Überlegen, wie es das Angebot für sie verbessern könnte. „Das ist ein | |
| zartes Pflänzchen, aber es kommt“, sagt Steinert. | |
| Beratung und Fortbildung ist das eine, das andere die politische Arbeit. | |
| Das Regenbogenfamilienzentrum sitzt im Berliner Beirat für Familienfragen | |
| und vertritt die Interessen der Eltern auch in der Öffentlichkeit. Sie | |
| geben Kitas und Schulen Tipps für Bücher, in denen auch andere als die | |
| klassischen Vater-Mutter-Kind-Familien als Vorbilder auftauchen. | |
| „Regenbogenfamilien werden heute viel selbstverständlicher mitgedacht“, | |
| sagt Constanze Körner, die das Regenbogenfamilienzentrum 2013 mitgegründet | |
| und bis zum Jahreswechsel geleitet hat (siehe Kasten). | |
| ## Angst vor der AfD | |
| Nach wie vor gibt es jedoch auch unerfreuliche Vorfälle. Steinert erzählt | |
| von einem lesbischen Paar mit Kind, dem an der Kasse des Zoos die | |
| Familienkarte verweigert wurde. „Diskriminierung im Alltag findet immer | |
| noch statt.“ Auch in den Behörden: Es komme immer noch vor, dass in | |
| Formularen nach Mutter und Vater gefragt werde. | |
| Seit 2001 können sich Schwule und Lesben verpartnern, seit 2005 gibt es die | |
| Stiefkindadoption. Das heißt, eine Frau kann das leibliche Kind ihrer | |
| Partnerin adoptieren. Viele Lesben entschieden sich daraufhin für eine | |
| Familie. Die Ehe für alle, gefeiert im Herbst 2017, war für viele | |
| allerdings „eher eine Frustration“, sagt Körner. Sie hatten gehofft, dass | |
| die Adoption damit überflüssig würde – was aber nicht der Fall ist. | |
| Trotzdem kenne sie viele Lesben und Schwule, die heirateten, erzählt | |
| Körner. Das liege auch an der AfD. „Die Angst vor einem gesellschaftlichen | |
| Rückschritt ist da. Viele wollen die größtmögliche rechtliche Absicherung | |
| ihrer Beziehung. Und das ist die Ehe.“ | |
| Das Regenbogenfamilienzentrum feiert den fünften Geburtstag, viele Kinder | |
| sind jedoch bereits etwas älter. „Die Kinder aus Regenbogenfamilien wachsen | |
| sich durch die Institutionen“, sagt Steinert. Sie würden gerne für diese | |
| Jugendlichen eine Gruppe anbieten, in der sie sich austauschen können, und | |
| hätten dafür bereits Mittel beantragt, sagt Steinert, bisher ohne Erfolg. | |
| Am Montagabend stoßen trotz des Regens noch mehrere Männer und zwei Frauen | |
| zur Kinderwunschgruppe. Die meisten sind zum ersten Mal hier und wollen | |
| sich vor allem informieren. Sie setzen sich in den Stuhlkreis, stellen sich | |
| vor. Auch ein Hetero-Mann ist darunter, ein großer Dunkelhaariger. Er hätte | |
| gerne ein Kind und wäre offen für eine Samenspende. Vielleicht findet er | |
| bei einem der Treffen ja eine lesbische Frau, die sich das mit ihm | |
| vorstellen kann. | |
| 15 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
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