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# taz.de -- US-Handel mit Erdgas: Kauft! Unser! Gas!
> Die USA schwimmen in flüssigem Erdgas. Gut und günstig soll es sein. Und
> es muss weg. Droht eine neue Energiekrise durch ein Zuviel an Energie?
Bild: Da schauen die Verleger der Nord Stream 2 in die Röhre – ob Erdgas die…
Washington, Lake Charles und Freeport taz | Eine eiskalte Wolke steigt auf,
als Quan Vu den Mürbekeks in die klare Flüssigkeit im Reagenzglas tunkt.
Der Chemiker in blauem Hemd, Schutzbrille und blauen Laborhandschuhen sagt
mit aufmunterndem Lächeln: „Versuchen Sie mal!“ Vorsichtig beißen die
Besucher in das süße Gebäck. Aus ihren Mündern weht weißer Qualm. Vu lacht.
Demonstration gelungen.
Was hier im Besucherzentrum der Firma Freeport LNG auf Quintana Island an
der Südküste von Texas qualmt, ist [1][flüssiges Erdgas] (LNG), abgekühlt
auf minus 163 Grad Celsius, das an der Luft verdampft. Vu, ein junger
Ingenieur mit einer Begeisterung für technische Wunder, hat alle seine
Tricks gezeigt: das gekühlte Gas aus einer Thermoflasche auf den Boden
gegossen und dabei verdampfen lassen, eine Rose schockgefroren und dann
eine brennende Zigarette in einem Glas mit der Flüssigkeit ausgedrückt. Zum
Schluss hebt er das Glas, in dem sich das Gas-Wasser-Gemisch befand, an den
Mund und trinkt das verbliebene Wasser in großen Schlucken aus. Die
Botschaft ist deutlich: Unser Gas ist sauber. Unser Gas ist sicher. Kauft
unser Gas!
Der flüchtige Stoff befeuert gerade eine Revolution in der weltweiten
Energiepolitik. Er macht die USA zur Rohstoffsupermacht, die die Welt mit
billigem fossilem Brennstoff überflutet – nicht per Pipeline, wie [2][die
umstrittene Nordstream-2-Leitung] durch die Ostsee, sondern über riesige
Kühlschiffe, für die in Freeport ein Hafen entsteht. Das Gas sorgt je nach
Blickwinkel für neue Hoffnung oder düstere Vorahnung im Klimaschutz. Es
bringt neue Spannungen zwischen den USA und Russland und beeinflusst den
[3][Handelskrieg mit China]. Und es führt zur schwersten Krise seit Langem
im deutsch-amerikanischen Verhältnis.
Der Streit über Nordstream 2 hat die Beziehungen zwischen Washington und
Berlin deutlich abgekühlt (siehe Kasten). In den USA selbst ist der
Gasrausch vor allem ein Multimilliardengeschäft, das von der Regierung, den
Bundesstaaten und der Industrie mit Macht vorangetrieben wird. Aber jetzt
leidet der Boom unter seinem eigenen Erfolg. Es droht eine Energiekrise der
ganz besonderen Art: nicht wie sonst, wenn die Preise für Öl und Gas rasant
steigen, sondern weil Gas zu billig wird. Es braucht dringend neue Märkte.
## Exportieren um fast jeden Preis
Auf der Baustelle in Freeport heißt die Devise daher: exportieren, fast um
jeden Preis. Jenseits des brackigen Bazos River schlummert das Städtchen
Freeport in der schwülen Hitze der texanischen Golfküste. Es ist eine
gesichtslose Ansammlung von bescheidenen Holzhäusern zwischen Palmen und
blassgrünem Rasen, die drei Meter hohe Stelzen gegen die Fluten des nahen
Ozeans schützen. Auf der Baustelle wachsen drei riesige Kühlanlagen aus
verschlungenen silbernen Röhren aus dem Boden, die das Gas aus der Pipeline
zu flüssigem LNG herunterkühlen sollen. Männer in neongelben Warnwesten
stapfen in der grellen Sonne durch den weißen Staub, Bulldozer brummen.
Drei riesige Tanks aus Beton ragen bereits neben dem Deich aus dem Boden.
Jenseits des Zauns fliegen Pelikane, und immer wieder schaffen es
Alligatoren durch die Absperrung, erzählen Arbeiter.
13 Milliarden Dollar pumpt Freeport LNG hier in den sumpfigen Boden, um aus
einem elf Jahre alten Importhafen für Gas ein Exportterminal zu machen. Es
ist ein Wettlauf gegen die Zeit und die Konkurrenz, aber Freeport LNG liege
gut im Rennen, sagt John Tobola, Vizepräsident des Unternehmens. „Im
September wollen wir die ersten Schiffe losschicken.“
Wohin sie dann fahren sollen, ist die große Frage. An der Küste von Texas
und Louisiana ist die Antwort derzeit etwa 100 Milliarden Dollar wert – so
viel wird an privatem Kapital in neue Häfen, Pipelines und Kraftwerke
investiert. Und sie hängt auch davon ab, ob es gelingt, Deutschland und
die übrige EU dazu zu bringen, das Gas aus Freeport und anderen US-Häfen
zu kaufen.
## USA schwimmen in Rohstoffen
Daran arbeitet Barry Worthington. Der ältere Herr sitzt etwa 2.000
Kilometer von Freeport entfernt in einem bequemen Bürosessel in der
US-Hauptstadt Washington. Er leitet die kaum bekannte Vereinigung USEA,
einen Lobbyverband der US-Energiewirtschaft mit guten Drähten zur
Regierung.
Worthington ist der Typ netter Onkel: dunkler Anzug, weißes Hemd, blau
gestreifte Krawatte, graue Haare, er sitzt ruhig am Tisch, die Hände
gefaltet, und erzählt mit tiefer Stimme vom „Technologiewunder“, das den
USA und der Welt unbegrenzte billige Energie schenke: Neue Bohr- und
Erkundungstechniken, das „Fracking“, haben eine Revolution in der Öl- und
Gasindustrie gebracht. Die USA, noch vor einem Jahrzehnt kurz vor einer
Öl-und Gasknappheit, schwimmen jetzt in den Rohstoffen. Worthington
schwärmt: „Wir haben uns vom Zeitalter der Energieknappheit auf ein
Zeitalter der Energie im Überfluss zubewegt.“
Wenn Worthington „Energie“ sagt, meint er Öl und Gas. Die US-Regierung
macht bei jeder Gelegenheit klar, dass die Zukunft in Kohle, Öl und Gas
liegen sollte. Aber sie ist flexibel: Den Europäern, die immer nach diesem
Klimading fragen, verkauft sie das Flüssiggas mit einem Öko-Argument:
„Unser Gas ist ein Beitrag zum Klimaschutz, denn es ersetzt die Kohle und
reduziert die Emissionen.“
In den USA hat das bisher auf dem Papier gut geklappt. Die offizielle
Reduktion der Treibhausgase um 14 Prozent gegenüber 2005 geht zum Großteil
auf das billige Gas zurück, das die Kohle verdrängt hat. „Wir nehmen die
Klimaziele sehr ernst“, sagt Worthington. Ein paar Tage zuvor hat der Chef
der Umweltbehörde EPA gesagt, Klimaschutz gehöre nicht zu seinen
Prioritäten. Und die US-Umweltverbände laufen Sturm gegen den Kurs auf
immer mehr Gas, der schon unter der Obama-Regierung begonnen hat.
„Es ist ein Märchen, dass Gas eine saubere Energie und eine Brücke ins
Zeitalter der Erneuerbaren ist“, sagt etwa Nicole Ghio von Friends of the
Earth in San Francisco am Telefon. Gas erzeugt im Vergleich zu Kohle bei
der Verbrennung zwar nur halb so viel CO2, aber aus den Quellen und
Leitungen geht viel Methan verloren, was die Bilanz wieder trübt – eine
Gefahr, vor der auch das deutsche Umweltministerium warnt. Die USA könnten
durch bessere Kontrolle des Gassystems also deutlich mehr für den
Klimaschutz tun – aber diese Regeln hat die Trump-Regierung gerade
aufgeweicht.
„Die umfangreichen Investitionen in die Gas-Infrastruktur legen für weitere
Jahrzehnte die fossilen Strukturen fest“, warnt Ghio. Anders als von
Regierung und Industrie behauptet, sei Gas deshalb kein Freund der
Erneuerbaren, sondern verhindere einen echten Umbau des Energiesystems.
„Statt eine stabilere Welt zu garantieren, führen mehr LNG-Exporte zu einer
instabileren Welt“, kritisieren in einem offenen Brief etwa 150 Umwelt- und
Sozialverbände ein Gesetz, mit dem der Kongress den LNG-Export
subventionieren will.
Und eine aktuelle Studie der Forschungsgruppe Global Energy Monitor warnt
vor dem weltweiten Boom von LNG aus finanzieller und ökologischer Sicht:
Würden die Projekte für weltweit mehr als 500 Milliarden Dollar umgesetzt,
wäre der Einfluss auf die Erderhitzung „so groß oder größer als der durch
den geplanten Ausbau der weltweiten Kohlekraftwerke“, heißt es da. Und weil
erneuerbare Energien günstiger werden, steige das Risiko, dass sich diese
Investitionen nicht auszahlen.
## Umwelt-Studien ohne Effekt
Fragt man Barry Worthington nach diesen Studien, kennt er sie nicht oder
tut sie ab. Lieber setzt er ein paar Spitzen gegen die Deutschen, die viel
Geld in Ökoenergien stecken, hohe Strompreise zahlen und ihre
CO2-Emissionen nicht senken – und sich auch noch abhängig machen von
Russland. Deutschland brauche amerikanisches statt russisches Gas aus der
neuen Nordstream-2-Pipeline, die gerade in der Ostsee fertiggestellt wird.
„Anders als Russland hat die amerikanische Regierung keinen Einfluss auf
die Gaslieferungen aus unserem Land“, sagt Worthington. „Wir haben noch nie
Energie als politische Waffe eingesetzt.“ Im Gegensatz zu Russland, das bei
der Ukraine gern an der Gaszufuhr drehe, um politischen Druck auszuüben.
In Washington geht das andersherum: Eine Woche vor diesem Gespräch hat
US-Energieminister Rick Perry in Brüssel indirekt mit Zöllen auf Autos
gedroht, sollte die EU künftig nicht mehr US-Gas kaufen. Und zwei Wochen
nach diesem Gespräch bringen Demokraten und Republikaner im US-Kongress ein
Gesetz ein, das Sanktionen für europäische Firmen vorsieht, die an
Nordstream 2 beteiligt sind. So verfeindet die politischen Lager in
Washington sonst auch sind – in ihrem Widerstand gegen Nordstream 2 sind
sie sich einig.
Das explosive Thema ist der US-Administration unter Präsident Donald Trump,
der sich gern mit der neuen „Energiedominanz der USA“ brüstet, sehr
wichtig: Die Regierung hat eine kleine Gruppe deutscher Journalistinnen und
Journalisten eingeladen, um sie über ihre LNG-Politik zu informieren. Sie
hat hochrangige Gesprächspartner im Außen- und Energieministerium
organisiert, fliegt ihre leitenden Beamten für Interviews ein, ermöglicht
Besuche auf sonst gesperrten Anlagen, organisiert Treffen mit Lobbygruppen
für Öl, Gas und Atomkraft und einer Umwelt-NGO, die die Gasindustrie grüner
machen will. Auch die meisten Besuche und Interviews für diesen Artikel
kamen so zustande.
Dabei nimmt es die US-Seite mit den Fakten nicht immer sehr genau:
USEA-Chef Worthington etwa behauptet, die deutschen CO2-Emissionen hätten
wegen des Atomausstiegs zugenommen, was nicht stimmt. Ein Vertreter der
Gaslobby behauptet, Europa brauche dringend neue Häfen für seine
Gasversorgung, aber die EU und Experten in Europa rechnen damit, dass die
Kapazitäten völlig ausreichen. Der US-Botschafter für die EU sagt voraus,
Europa werde in der Zukunft zum „größten Käufer von US-LNG“, wogegen
Experten Asien als den Hauptabnehmer sehen. Und immer wieder behaupten
US-Offizielle, etwa im Energieministerium, „die USA führen weltweit bei der
Reduktion von Klimagasen“. Das aber stimmt nur für die absoluten Zahlen:
Prozentual und pro Kopf sind andere Länder, auch Deutschland, beim
Klimaschutz weitaus erfolgreicher.
## Macht, um Deals zu erzwingen
Der Tenor und die Argumente ähneln sich überall: Wir haben das Gas, wir
investieren viel Geld – es wäre klug, ihr würdet auf unser Gas setzen. Aber
das ist nicht so einfach. Denn russisches Gas kostet in Deutschland derzeit
etwa 5 Dollar pro Einheit und damit knapp die Hälfte der US-Importe per
Schiff. Um diese ökonomischen Argumente zu entkräften, arbeitet die
Trump-Regierung mit Druck. Wie in anderen Handelsfragen auch könnten die
USA über die Drohung mit Zöllen und Sanktionen einen Deal erzwingen.
Bereits im letzten Sommer hat EU-Kommissionspräsident Juncker im Zollstreik
zugesagt, dass die EU die Gas-Importe steigern werde. Seitdem haben sie
sich auf niedrigem Niveau verdreifacht.
Für die harte Haltung der USA gibt es einen guten Grund: Der Druck auf die
Gasindustrie steigt und steigt. Die Frackingrevolution ersäuft ihre Kinder
in billigem Gas. Die revolutionäre Technologie spült vor allem im Westen
von Texas so viel Öl und Gas an die Oberfläche, dass es zu einem billigen
Nebenprodukt wird. Die Industrie steht vor der Wahl: Flüssig oder
überflüssig? „Der Export von Gas ist für uns kein Luxus, sondern eine
Notwendigkeit“, bestätigt Bob Harvey, Chef der Wirtschaftskammer in
Houston. Das überflüssige Gas könne man nicht mehr wie früher einfach
abfackeln, das verhindern Umweltgesetze und die öffentliche Meinung. Aber
immer mehr Gas könne den amerikanischen Gasmarkt durch Niedrigpreise
ruinieren. „Die Antwort auf unser großes Angebot ist die globale
Nachfrage“, sagt Harvey.
Doch da gibt es gerade das nächste Problem: Weil die USA den Handelskrieg
mit China eskalieren, belegt das asiatische Land – ein weitaus größerer
Markt als Europa – die Importe aus den USA mit 25 Prozent Zöllen. Auch die
Trump-Freunde in den Energiekonzernen zeigen sich da „tief besorgt“.
Eine Energiekrise durch ein Zuviel an Energie? Umso wichtiger werde Europa,
sagt David Dismukes, Professor und Direktor des Zentrums für
Energiestudien an der Louisiana State University in Baton Rouge. Die
Hauptstadt von Louisiana liegt am Mississippi, 200 Flusskilometer vom Meer
entfernt. Aber der Strom ist mächtig und tief genug, um Ozeanschiffe
hierherzutragen. Der Hafen und die Chemie sind wichtig, Baton Rouge ist
Regierungsstadt, während im bekannteren New Orleans 100 Kilometer
flussabwärts das Leben tobt.
„Europa ist ein verlässlicher Markt mit solventen Käufern und einem
funktionierenden Rechtssystem“, sagt Dismukes. „Das ist, als mache man mit
seinem Cousin Geschäfte.“ Den Europäern sei nur nicht richtig bewusst, wie
stark ihre Stellung gegenüber den USA sei. „Es ist eindeutig ein
Käufermarkt. Wir sind von euch mindestens so abhängig wie ihr von uns.“
Dismukes ist an diesem Freitag im Mai für ein Treffen ins Büro gekommen,
obwohl draußen ein tropischer Wolkenbruch den Campus der Uni überschwemmt.
Blitze zucken, der Donner rollt, die Pfützen umgeben das Gebäude wie ein
Wassergraben. Dismukes zieht seine gelbe Regenjacke aus, er sitzt in
schwarzem Polohemd und braunem Raulederjackett am Tisch, die Jeans stecken
in Cowboystiefeln. Er erinnert ein bisschen an den Schauspieler John
Belushi, redet schnell, gestikuliert viel und lacht laut. Sein Institut
wird vom Ölstaat Louisiana und von der Energieindustrie finanziert, aber er
redet dennoch offen.
„In Texas gibt es jetzt ab und zu negative Preise für Gas: Sie bezahlen
dich dafür, dass du es ihnen abnimmst“, sagt Dismukes. „Niemand dort will
Gas, sie wollen es nur loswerden.“ Von den geplanten Projekten für
Gasexporte werde höchstens die Hälfte realisiert, ist er überzeugt. „Aber
auch das wären noch Investitionen von 50 Milliarden Dollar.“ Er sei kein
Experte für Geopolitik, sagt Dismukes, aber dass Russland als „böser Bube“
dargestellt werde, „das hat schon damit zu tun, dass wir in Europa
Marktanteile stehlen wollen.“
Der jährliche Energiebericht aus seinem Institut sagt voraus, die
„Energie-Zukunft der Golfküste liegt nicht mehr in der Versorgung des
heimischen Marktes, sondern darin, die Welt mit Energie und Chemieprodukten
zu versorgen“. Wird das billige Gas nicht exportiert, wird es in der
Chemieindustrie verfeuert oder als Grundstoff für Kunststoffe eingesetzt,
meint Dismukes. „In den letzten acht Jahren sind allein in Louisiana 65
Milliarden Dollar in die Petrochemie geflossen, 150 Milliarden an der
ganzen Golfküste. Jeder einzelne Dollar davon hat seinen Grund in dem
billigen Gas.“
## Umwelt und Bewohner leiden
3,1 Milliarden dieser Dollars hat der koreanische Chemiekonzern Lotte
Chemical in Louisiana investiert. In Lake Charles, 200 Kilometer westlich
von Baton Rouge, ist an diesem Tag offizielle Eröffnung eines weiteren,
riesigen Chemiewerks. Auch hier geht auf das Festzelt ein Wolkenbruch
nieder, der die dröhnende Musik des Imagefilms teilweise übertönt. Während
draußen im sumpfigen Wald schwüle Saunastimmung herrscht, feiern die
Investoren im gut gekühlten Zelt mit eiskalten koreanischen Softdrinks
ihren Erfolg.
Der Imagefilm zeigt den Bau der riesigen Anlage zur Produktion von
Monoethylenglycol, einem Grundstoff der chemischen Industrie für Papier,
Textilstoffe, Anstriche oder Klebstoff und Asphalt: Im Zeitraffer richtet
ein riesiger Kran die mächtige turmhohe Anlage des „Cracker“ auf, der aus
Gas Kunststoff macht. Der Premierminister von Korea ist extra angereist und
lobt die größte Auslandsinvestition seines Landes, US-Präsident Trump zeigt
sich per Grußwort begeistert und Lotte-Chef Doug-Bin Shin preist die guten
Bedingungen in Louisiana und die „reichlich vorhandenen natürlichen
Ressourcen“. Er meint damit nicht den Sumpf und den Wald, sondern das
billige Gas.
Die Lotte-Fabrik fügt sich nahtlos ein in die Landschaft rund um Lake
Charles. Die Stadt an dem Inlandssee, die durch ein sumpfiges Schwemmland
mit seltenen Bäumen und Tierarten und durch einen Kanal mit der Golfküste
verbunden ist, reiht eine petrochemische Anlage an die nächste; überall
stehen große Tanks, chemische Anlagen, Pipelines, nur unterbrochen von
Spielkasinos, wo die Angestellten das Geld aus den gut bezahlten Jobs
wieder loswerden können. Allerdings gibt es in der kapitalintensiven
Industrie nur wenige dauerhafte Jobs: Die 3,1 Milliarden schaffen nur 250
permanente Arbeitsplätze im Lotte-Werk. Dazu kommt: Louisiana lockt mit
Steuernachlässen und schlampigen Umweltkontrollen.
Umwelt und Bewohner zahlen dafür einen hohen Preis. Das hat die
US-Soziologin Arlie Russell Hochschild 2016 eindrucksvoll in ihrem Buch
„Strangers in Their Own Land“ beschrieben. Hochschild wohnte lange in Lake
Charles, interviewte die Bewohner, gewann als Linke viele Freunde unter den
extrem konservativen Einwohnern. Ihr Fazit: Louisiana belegt den letzten
Platz unter den US-Staaten, was die Gesundheit seiner Bürgerinnen und
Bürger angeht, Platz zwei bei den Krebserkrankungen von Männern, bezieht 44
Prozent seines Staatseinkommens aus Bundesmitteln. Die Gegend um Lake
Charles ist nach den Daten der Umweltbehörde EPA eine der am stärksten mit
Umweltgiften verseuchten Regionen der USA, acht von neun Gewässern gelten
als „belastet“, die Bewohner gehen nicht mehr schwimmen und essen von den
Fischen nur kleine Teile. 18 Prozent der Bevölkerung lebten 2014 unter der
Armutsgrenze, etwa so viele wie vor dem Boom.
Trotzdem konnte Hochschild kaum Ökoproteste feststellen. Es gebe „starke
Verschmutzung und starken Widerstand dagegen, die Verschmutzung
einzudämmen“, schreibt sie. Und die Vertreter der örtlichen Wirtschaft
preisen bei einem Treffen die Vorzüge von Lake Charles an, wo gerade
überall neue Chemieanlagen und Terminals für den Export des billigen Gases
in die ganze Welt gebaut werden: Vollbeschäftigung, gute Aussichten und
„keine Umweltschützer“, wie ein Berater sagt. Er fügt noch scherzhaft
hinzu: „Das soll auch so bleiben. Zeigen Sie denen nicht, wo auf der Karte
wir zu finden sind.“
Die Recherche für diesen Text wurde teilweise durch eine Besichtigungstour
auf Einladung des US-Außenministeriums ermöglicht.
22 Jul 2019
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## AUTOREN
Bernhard Pötter
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