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# taz.de -- Die Politik des Giganten Gazprom: Der russische Riese
> Weil der Gasmonopolist seine Macht ausdehnen will, torpedieren Gazprom
> und der russische Präsident die Pipline "Nabucco". Für den Konzern wäre
> sie eine Schwächung
Bild: Russlands Gigant: Gazprom.
Es ist Dmitri Medwedjews Vorteil, dass er nicht nur Russlands Präsident
ist, sondern bis vor kurzem Chef des Aufsichtsrats von Gazprom war. Er weiß
um die Quellen russischer Macht, und er weiß, welch fragile Rolle Gazprom
dabei spielt. Und so ist es verständlich, dass Medwedjew der erste
russische Präsident ist, der einen Job erledigte, der sonst
Gazprom-Managern vorbehalten ist.
Bei einer "Gastournee" besuchte er drei ehemalige Sowjetrepubliken, die
über die größten Gas- und Ölvorkommen auf dem Gebiet der früheren
Sowjetunion verfügen. Seinen ersten Stopp machte er in Aserbaidschan, dann
in Turkmenistan und schließlich in Kasachstan.
Um diese Reise wäre Gazprom nicht herumgekommen. Denn zwischen diesen drei
Staaten und Russland waren die Beziehungen stets heikel - und oft waren es
persönliche Sympathien oder Feindseligkeiten zwischen den Führern, die für
die geschäftlichen Beziehungen der Gasexporteure entscheidend waren. Und
spiegelbildlich erschweren diese Feindseligkeiten auch das Geschäftsfeld
von Gazprom.
So dachte Turkmenistan all die Jahre seiner Unabhängigkeit über Pläne nach,
eine Gaspipeline auf dem Grund des Kaspischen Meeres zu bauen. Das hätte es
dem Land erlaubt, seine Energieressourcen nach Europa zu exportieren. Unter
Umgehung Russlands. In Aserbaidschan wurden diese Pläne fast 15 Jahre lang
nicht diskutiert; das persönliche Misstrauen zwischen dem turkmenischen
Präsidenten Saparmurat Nijasow und dem Präsidenten Aserbaidschans, Haidar
Aliew, war zu groß.
Jetzt, wo beide gestorben sind, könnte die Idee des Baus einer
transkaspischen Gaspipeline realisierbar werden. Was bei Gazprom für Unruhe
sorgt. Vor allem deshalb hat Dmitri Medwedjew Aserbaidschan, Turkmenistan
und Kasachstan besucht. Sein wichtigste Ziel war, die drei Staatschefs dazu
zu bringen, auf keinen Fall dem Bau einer solchen Gasleitung zuzustimmen
und das Projekt "Nabucco", für das vor allem die EU-Staaten werben, zu
verhindern.
Der russische Staatschef soll den Kollegen aus Aserbaidschan, Turkmenistan
und Kasachstan versprochen haben, dass Gazprom jeden Preis für ihr Gas
zahlen würde, wenn sie nur nicht Nabucco zustimmen würden. Auf diese Weise
sollten turkmenische und kasachische Kohlenwasserstoffe nur durch die
russische "Gazprom-Leitung" nach Europa gelangen, die schon zu Sowjetzeiten
"Zentralasien-Zentrum" genannt wurde.
Doch so einfach war die Situation für Medwedjew und Gazprom nicht. Denn die
Gesprächspartner des russischen Präsidenten weigerten sich, Nabucco
definitiv abzulehnen.
Jedwede Kontakte zwischen Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken sind
stets von Emotionen bestimmt. Auf der einen Seite ist es für
aserbaidschanische, turkmenische und kasachische Beamte leicht, mit ihren
russischen Kollegen zu verhandeln, sprechen sie doch die gleiche Sprache
und teilen die sowjetische Mentalität.
Doch ungeachtet dessen fürchten sich die Führer der postsowjetischen
Staaten vor Russland. Die Funktionäre aus Baku, Aschgabat und Astana können
diese Ängste nicht zugeben, die noch aus Sowjetzeiten stammen. Sie
befürchten, dass, wenn sie ihr Öl und Gas nur an Russland, Moskau und
Gazprom liefern, auch bald die Zeiten wiederkehren, in denen sie ihre
Weisungen von dort erhielten.
In Turkmenistan erzählt man sich eine Anekdote. 2004, nachdem in Russland
die Gouverneurswahlen abgeschafft worden waren, berief der mittlerweile
verstorbene Präsident Saparmurat Nijasow eine geheime Konferenz ein. Dort
wurde erörtert, ob künftig etwa auch der turkmenische Präsident wieder in
Moskau ernannt wird. Dies alles passierte, 13 Jahre nachdem Turkmenistan
ein unabhängiger Staat geworden war.
Gazprom und die russische Regierung wollen von solchen Befürchtungen der
Nachbarn nichts wissen. Gazprom macht sich um sein Image im Osten keine
Sorgen. Besorgt ist man vielmehr um das Image im Westen. Jedoch werden auch
gerade die Beziehungen zwischen Gazprom und Europa von persönlichen
Erniedrigungen, alten Ängsten und seit lange währendem Unverständnis
bestimmt.
Zuerst klatschte Europa noch
Die jüngste Geschichte dieser Beziehungen zwischen Gazprom und Europa
begann 2005, nachdem Gazprom, BASF und Eon mit dem Segen von Wladimir Putin
und Gerhard Schröder vereinbart hatten, die "North Stream" zu bauen, die
damals noch "Osteuropäische Gaspipeline" hieß. Während weniger Monate
klatschte Europa Beifall, und die Medien schrieben, dass Gazprom für die
Energiesicherheit Europas sorge. Doch das dauerte nur bis zum sogenannten
Gaskrieg zwischen Russland und der Ukraine.
Paradoxerweise war man bei Gazprom, als geplant wurde, der Ukraine das Gas
abzustellen, davon überzeugt, dass der Konflikt mit Kiew das Image des
russischen Gasgiganten verbessern würde. Gazprom-Manager gingen davon aus,
die Widerspenstigkeit der Ukraine würde Europa demonstrieren, wie wenig
verlässliches Kiew als Transitland sei. Dass es unerlässlich sei, die
North-Stream-Gaspipeline zu bauen, die Russland und Europa von solchen
Transitpartnern unabhängig machen würde.
Doch die Europäer sahen die Sache nicht mit den Augen der Gazprom-Manager,
sondern durch die Brille des ukrainischen Verbrauchers. Europäische Medien
schrieben, dass Russland so wie mit der Ukraine auch mit Europa verfahren
könnte. Diese Reaktion kam für Gazprom völlig unerwartet.
Die britische Firma Centrica verzichtete auf ihren Verkauf an Gazprom. Eon
Ruhrgas, der älteste und zuverlässigste deutsche Partner von Gazprom, nahm
Abstand davon, im Austausch gegen seine Schulden bei den südrussischen
Förderanlagen Gazprom Zugang zu den deutschen Verteilungsnetzen zu
gewähren. Und schließlich schwieg Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Putins
Appell, eine Energieallianz zwischen Russland und Deutschland zu gründen.
Moskau war sichtlich beleidigt. Die Gazprom-Manager befanden, dass Europa
undankbar sei und man nicht auf Freundschaft bauen könne.
Seitdem sind die gegenseitigen Beziehungen zwischen Gazprom und der
Europäischen Union von Erschütterungen geprägt. Auf der einen Seite setzt
sich die EU ernsthaft für das Projekt "Nabucco" ein. Zudem hatte die
Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket erarbeitet, um den europäischen
Energiemarkt zu reformieren. Deshalb muss sich Gazprom, wenn es weiter in
Europa tätig sein will, liberalisieren. Gazprom hingegen hat westlichen
Firmen den ihnen versprochenen Status als gleichberechtigter Partner in den
Förderstätten in der Barentsee wieder entzogen und dann Shell aus dem
Sachaliner Projekt verbannt.
Für Gazprom speist sich das Misstrauen Europas nicht aus taktischen Fehlern
Gazproms, sondern aus den hinterhältigen Absichten der Europäer. Die
Manager des russischen Monopolisten stellten fest, dass es "gute" und
"schlechte" Europäer gibt.
Anfang Juli trat Gazprom-Chef Aleksej Miller, der Chef des russischen
Energieverbandes RAO EES, in Frankreich auf und stellte fest: "Unter
unseren europäischen Partnern denkt die Mehrheit wie wir. Und wir werden
unsere Anstrengungen vor allem mit ihnen koordinieren, um die europäischen
Beamten davon zu überzeugen, dass man nicht den Ast absägen sollte, auf dem
man sitzt. Andernfalls könnte am Horizont bald nicht nur ein
Energiedefizit, sondern die Deindustrialisierung des Kontinents
auftauchen."
Derartige Drohungen gehören mittlerweile zum Stil des Konzerns. Bei den
Geschäftstreffen in Europa propagieren Gazprom-Manager stets: Die Europäer
haben keinen anderen Ausweg, als sich in die Arme Russlands zu werfen. Der
stellvertretende Vorsitzende von Gazprom, Alexander Medwedjew, lässt sich
gern darüber aus, dass künftig weltweit nur drei Länder energiepolitisch
unabhängig sein werden: Russland, Iran und Katar. Sie alle besitzen
bedeutende Gasvorkommen. Das bedeutet, dass die Experten von Gazprom die
Europäer darin bestärken, dass die EU bloß freudig russisches Gas
konsumieren soll, weil es ohnehin keine Alternativen gibt. Sollten die
Europäer jedoch weiter hartnäckig nach Alternativen suchen, wird Gazprom
noch stärker "auf stur stellen".
Die Strategie von Gazprom stößt auch in Russland auf Kritik. So verwies
beispielsweise Anatoli Tschubais, der ehemalige Chef der Kooperation PAO
EES, in einem Interview mit Financial Times darauf hin, dass es für den
Gasmonopolisten darum gehen müsse, seine Tätigkeit innerhalb Russlands zu
intensivieren und nicht nach Wegen zu suchen, um im Westen zu expandieren
bzw. den Osten unter Kontrolle zu bekommen.
Das weist auf ein Hauptproblem von Gazprom hin: das sinkende Niveau der
Förderungen in den russischen Förderstätten. Die Gazprom-Manager geben
keine klare Antwort auf die Frage, ob ihre Firma ohne turkmenisches Gas
auskommt, wenn das Gas nach Europa exportiert und dabei Russland umgangen
wird. Die Bilanz von Gazprom ist geheim, und das nährt einen Verdacht: Sind
nicht die Emotionalität und die Empfindlichkeit des Gasmonopolisten ein
Anzeichen dafür, dass er doch instabiler und verwundbarer ist, als es den
Anschein hat?
Aus dem Russischen von Barbara Oertel
24 Jul 2008
## AUTOREN
Michail Sygar
## TAGS
North-Stream-Pipeline
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Pipeline
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