# taz.de -- Gericht missbilligt Justizbehörde: Schwatzanwälte gerügt | |
> Mit Plaudereien und erotischen Fantasien zum „Bamf-Skandal“ haben | |
> Ermittler laut Verwaltungsgericht Bremen die Persönlichkeitsrechte der | |
> Beschuldigten verletzt. | |
Bild: Das Bamf-Bremen von oben: Eine gut funktionierende Behörde | |
Bremen taz | Schroff fällt die Antwort der Staatsanwaltschaft aus: „Wir | |
machen dazu keine Angaben“, so der Sprecher der Ermittlungsbehörde. Schade, | |
denn der Beschluss des Bremer Verwaltungsgerichts vom 7. Mai macht die | |
Bremer Staatsanwaltschaft zum Gegenstand der Rechtsgeschichte. Aber | |
nachvollziehbar: Ihre Rolle dabei ist unrühmlich. Es scheint, als wäre die | |
Bremer Staatsanwaltschaft die erste in Deutschland, der [1][ein | |
Verwaltungsgericht bescheinigt hat], zu geschwätzig zu sein. | |
Mindestens ein Vertreter der Behörde hat laut Verwaltungsgericht durch | |
seine Äußerungen „unzulässig in die Privatsphäre“ von Ulrike B. | |
eingegriffen, der ehemaligen Leiterin der Bremer Außenstelle des | |
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die Erzählungen würden | |
zudem „eine Vorverurteilung darstellen“, [2][heißt es im am Donnerstag | |
veröffentlichten Beschluss] vom 7. Mai. | |
Darin geht es um zunächst von „Zeit online“ publizierte, dann von „Focus | |
online“, dem Weser-Kurier und Presseagenturen freudig weiter verbreitete | |
Plaudereien eines bislang unbenannten Mitglieds der 36-köpfigen | |
Ermittlungsgruppe im vermeintlichen Bamf-Skandal. | |
„Wir haben keinen abschließenden Überblick, wer das noch aufgegriffen hat�… | |
heißt es aus der Kanzlei des Berliner Anwalts Jony Eisenberg, der Ulrike B. | |
in medienrechtlichen Auseinandersetzungen vertritt. Immer wieder habe sich | |
die Staatsanwaltschaft einschlägig in TV und Zeitungen ausgelassen. Dem ist | |
nun ein Riegel vorgeschoben: „Es steht außer Frage, dass wir den Beschluss | |
so akzeptieren werden“, teilte Marius Loeber, der Sprecher des | |
Justizsenators mit. | |
Das Ressort halte zwar das Ermittlungsverfahren durch die öffentlichen | |
Äußerungen nicht für korrumpiert. „Auswirkungen auf das sich eventuell | |
anschließende Strafverfahren können jedoch nicht ausgeschlossen werden“, so | |
Loeber zur taz. Das zu entscheiden sei indes Sache der zuständigen | |
Gerichte. | |
## Befangen können nur Richter sein | |
Zwar kennt die Strafprozessordnung für Staatsanwälte [3][keine Besorgnis | |
der Befangenheit], trotzdem könnten verleumderische und ehrenrührige | |
Äußerungen von für den Fall zuständigen Staatsanwälten – die Informanten | |
haben durch die Angabe von internen Aktenzeichen ihre Zugehörigkeit zur | |
Ermittlungsgruppe verraten – deren Ergebnis beeinträchtigen. | |
Ob man nicht mindestens den fraglichen Dezernenten vom Fall abziehen | |
sollte, sei „Gegenstand der internen Prüfung“. Wer hier so offensiv in die | |
Medien gedrängt war und der geschassten Behördenleiterin eine ehrenrührige | |
Lovestory mit einem Hildesheimer Anwalt angedichtet hatte, sei | |
„selbstverständlich bekannt“. | |
Bislang hatte sich die Staatsanwaltschaft in der Frage offenbar wenig | |
kooperativ gezeigt: Sie „verweigerte die Namhaftmachung“, so die Kanzlei | |
Eisenberg. Sinngemäß habe es geheißen, „das würde uns alles nichts | |
angehen“. Auf die Beschwerde hin habe dann die Generalstaatsanwaltschaft | |
erklärt, „von der ganzen Sache nicht zu wissen“. Das dürfte sich | |
mittlerweile geändert haben. | |
## Ohne Tat keine Täter | |
Ulrike B. wird als Beschuldigte geführt im aktuell einzigen bundesweiten | |
Ermittlungsverfahren zum Vorwurf der „Gewerbs- und bandenmäßigen Verleitung | |
zur missbräuchlichen Asylantragstellung“. Das läuft seit über einem Jahr. | |
Die öffentliche Anteilnahme war anfangs extrem, hat sich aber verläppert. | |
Das hat Gründe: Die von der Bremer Behörde ausgestellten Bescheide haben | |
sich nämlich bei intensivster Prüfung als überdurchschnittlich korrekt | |
erwiesen. Sprich: Der Informant breitete in „Zeit online“ seinen Glauben | |
daran aus, „Beweise für eine kriminelle kollusive Zusammenarbeit“ zu haben, | |
die zu einer Haftstrafe führen könnten und würzte die mit einer | |
vermeintlichen tiefen emotionalen Bindung. Faktisch gibt es jedoch nichts, | |
was auf eine Vergehen hindeuten könnte, insbesondere keine nennenswerte | |
Zahl fälschlich ausgestellter Asylbescheide. | |
Das gilt ausdrücklich auch für die an Mandanten des Hildesheimer Anwalts | |
ergangenen Bescheide, wo die Zahl dem Konstrukt der Staatsanwaltschaft | |
zufolge doch besonders hoch sein müsste: Auf ganze elf Zweifelsfälle | |
beläuft sie sich dort, woraus südwester, die Witzrubrik der taz.nord, | |
einen [4][Rausch der Leidenschaft] von 0,846 Promille der überprüften | |
Fallakten errechnete. | |
Umgekehrt sind die Äußerungen des Staatsanwalts selbst strafrechtlich | |
relevant – und angezeigt worden. Zwar gebietet das öffentliche Interesse am | |
vermeintlichen Bamf-Skandal, ausführlich über die Ermittlungsfortschritte | |
Auskunft zu geben – und JournalistInnen sollen auf die Angaben der Behörde | |
vertrauen können. Insofern durfte der Ermittler berichten, dass sich keine | |
Hinweise auf Bestechlichkeit von Ulrike B. ergeben hatten. | |
Seine „Mutmaßungen“ über Liebesbeziehungen gingen „die Öffentlichkeit | |
nichts an und sind in diesem Detailgrad insbesondere nicht zur | |
Meinungsbildung erforderlich“, stellt das Verwaltungsgericht klar. Sie | |
könnten den Straftatbestand „[5][Verletzung von Privatgeheimnissen]“ | |
erfüllen, vielleicht aber sogar als öffentliche [6][Verleumdung] gewertet | |
werden. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Ermitteln | |
muss die Staatsanwaltschaft Bremen. | |
10 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.verwaltungsgericht.bremen.de/das_gericht/geschaeftsverteilung-1… | |
[2] /Archiv-Suche/!5590093&s=Bamf&SuchRahmen=Print/ | |
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__24.html | |
[4] /Archiv-Suche/!5579934/ | |
[5] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__203.html | |
[6] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__187.html | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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