# taz.de -- Richtlinie zum Urheberrecht: EU-Parlament stimmt Reform zu | |
> Das EU-Parlament debattiert noch einmal hitzig über die neue Richtlinie | |
> zum Urheberrecht – und stimmt dann mit großer Mehrheit dafür. | |
Bild: Sie sind gegen die Urheberrechtsreform: Demonstrant*innen vor dem EU-Parl… | |
Im entscheidenden Moment, um 12.42 Uhr, kurz vor der lang erwarteten | |
Abstimmung zur Urheberrechtsreform, brach der Livestream des EU-Parlaments | |
ab. Alle, die bis dahin live am Computer oder Handy die Debatte verfolgt | |
hatten, sahen plötzlich nur noch schwarz. | |
Man konnte das als schlechtes Omen lesen, oder als Gutes – offenbar wollten | |
so viele Leute den ParlamentarierInnen beim Abstimmen zusehen, wie sonst | |
nie. Auf so ein Interesse sind die Server der EU nicht vorbereitet. | |
Nur mussten die ZuschauerInnen das Ergebnis dann auf anderen Plattformen | |
suchen. Auf Twitter beispielsweise, wo der Grünen-Europaabgeordnete Sven | |
Giegold [1][als erstes twitterte]: „Ein schlechter Tag für die Freiheit im | |
Netz!“ | |
Das EU-Parlament hat die Urheberrechtsreform angenommen, um die seit | |
Monaten gestritten wird. 348 Abgeordnete stimmten dafür, 274 dagegen. Damit | |
fiel das Ergebnis weniger knapp aus als erwartet. | |
## Kritisch: Artikel 11 und Artikel 17 | |
Seit gut zwei Jahren arbeiten die Parlamentarier an einem zeitgemäßen | |
Urheberrecht, das den Gegebenheiten des Internets und der digitalen | |
Geschäftsmodelle gerecht werden soll. Mit der Reform sollen Verlage, | |
Rundfunkanstalten, KünstlerInnen und Kreative für ihre Arbeit und Inhalte | |
im Netz gerecht entlohnt werden. Darüber, wie das aussehen kann, war in den | |
vergangenen Monaten ein emotionaler Streit entbrannt. | |
Besonders umstritten sind die Artikel 17 der Richtlinie, der in einer | |
früheren Fassung 13 hieß, und Artikel 11. Artikel 17 sieht vor, dass | |
Plattformen wie Youtube künftig dafür haften, wenn NutzerInnen | |
urheberrechtlich geschütztes Material hochladen. Ausgenommen werden sollen | |
Unternehmen, die seit weniger als drei Jahren bestehen, weniger als zehn | |
Millionen Euro Jahresumsatz und weniger als fünf Millionen NutzerInnen pro | |
Monat haben. | |
Bei allen anderen Plattformen, wie Youtube, ist absehbar, dass sie | |
Algorithmen einsetzen werden, die alle Inhalte automatisch scannen – die | |
sogenannten Upload-Filter. KritikerInnen fürchten, dass diese Filter im | |
Zweifelsfall eher als zu wenig zu viel blockieren. | |
Erst am vergangenen Wochenende waren allein in Deutschland gut 150.000 | |
Menschen [2][gegen Upload-Filter auf die Straße gegangen]. Sie sehen das | |
freie Internet in Gefahr, da die Netzkultur auf dem Kopieren und Remixen | |
von Bildern, Soundschnipseln und Sequenzen basiere, die andere erschaffen | |
haben. Wenn Upload-Filter so etwas in Zukunft unterdrücken würden, sei das | |
Internet nicht mehr dasselbe. | |
## Die Verlage jubeln | |
Artikel 11 sieht ein sogenanntes [3][Leistungsschutzrecht] für | |
Presseverlage vor. Suchmaschinenbetreiber wie Google müssen künftig Geld an | |
Zeitungsverlage zahlen, wenn sie in ihren Suchergebnissen oder bei Google | |
News, kleine Artikel-Ausschnitte anzeigen. Die ZeitungsverlegerInnen, die | |
für den Artikel gekämpft haben, argumentieren: Google verdient Geld mit | |
unseren journalistischen Inhalten und soll davon etwas abgeben. | |
Google argumentiert hingegen: Wir spülen euch mehr BesucherInnen auf eure | |
Webseiten, mit denen ihr dann Geld verdienen könnt. Der Bundesverband | |
Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher | |
Zeitschriftenverleger (VDZ) begrüßte nun die Entscheidung des Parlaments. | |
Die Zustimmung sei „ein ‚ja‘ zur digitalen Zukunft von Kultur und Medien | |
und zu einer lebendigen und vielfältigen Kreativlandschaft in Europa.“ | |
Vor der Abstimmung debattierte das EU-Parlament am Dienstagvormittag knapp | |
zwei Stunden über die geplante Richtlinie. Dabei liefen, wie auch in den | |
Debatten davor, die Linien zwischen BefürworterInnen und GegnerInnen quer | |
durch alle Fraktionen. Vor allem Abgeordnete der Linken und der Grünen | |
hatten noch einmal Änderungsanträge eingebracht, das Parlament votierte | |
aber mit knapper Mehrheit dagegen, über die Anträge abzustimmen. | |
Die härteste Kritik an der Richtlinie äußerte [4][Julia Reda], die deutsche | |
Abgeordnete und letzte verbliebene Piratin im EU-Parlament. Sie | |
[5][kritisierte] vor allem den Umgang der EU-ParlamentarierInnen mit ihren | |
KritikerInnen: 200.000 Menschen hätten am Wochenende gegen Upload-Filter | |
demonstriert, fünf Millionen eine Petition gegen die Filter unterschrieben. | |
„Eine neue Generation“, sagte Reda, „die dieses Jahr zum ersten Mal zur | |
Europawahl geht, lernt gleich ihre Lektion: Eure Proteste sind nichts | |
wert.“ | |
## „Kunstraub ungebremsten Maßes“ | |
Die EU-Kommission hatte die Demonstrierenden in einem Blog-Beitrag als | |
„Mob“ bezeichnet, EU-Abgeordnete hatten behauptet, die Demonstranten seien | |
bezahlt gewesen, ihr Protest in den sozialen Netzwerken sei von | |
automatisierten Bots gesteuert. Reda erntete zahlreiche Zwischenrufe und | |
Pfiffe von ParlamentskollegInnen, mehrfach musste die Vorsitzende andere | |
Abgeordnete zurecht weisen. | |
Widerspruch bekam Reda vor allem von Jens Rhode, einem dänischen | |
Abgeordneten der Liberalen: Es gebe in der aktuellen Debatte viele | |
Missverständnisse, die Richtlinie sehe weder Uploadfilter, noch eine | |
sogenannte Link-Steuer vor, wie das Leistungsschutzrecht für Presseverlage | |
oft verkürzt genannt wird. Was aktuell im Internet passiere, sei ein | |
„Kunstraub unerhörten Maßes“. Den gelte es zu verhindern. | |
Damit spitzte Rhode die Argumente zu, die die BefürworterInnen der | |
Richtlinie immer wieder anbringen: Im Internet herrsche ein ungebremster | |
Kapitalismus, von dem vor allem die US-Tech-Giganten wie Google und | |
Facebook profitierten. Diese Plattformen verdienten ihr Geld mit der oft | |
prekären Arbeit der Kreativen im Netz, die keine Möglichkeit hätten, sich | |
gegen die Unternehmen zu wehren. Daher sei es die Pflicht der | |
ParlamentarierInnen, die Kreativen zu schützen. | |
Der Rat der EU muss der Richtlinie noch zustimmen, er hat das heutige | |
Verhandlungsergebnis bereits informell gebilligt. Danach ist es an den | |
Mitgliedsstaaten, die Richtlinie umzusetzen. | |
26 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/sven_giegold/status/1110509508344856577 | |
[2] /!5582642/ | |
[3] /Gruene-ueber-das-Leistungsschutzrecht/!5513899/ | |
[4] /Julia-Reda-zur-EU-Urheberrechtsreform/!5573451/ | |
[5] https://twitter.com/Senficon/status/1110497857629573121 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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