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# taz.de -- Julia Reda verlässt die Piratenpartei: „Für mich absolut inakze…
> Piraten-Abgeordnete Julia Reda wirft ihrem Ex-Büroleiter sexuelle
> Belästigung vor. Weil er bei der Europawahl antritt, verlässt sie die
> Partei.
Bild: Auf Twitter erntet Julia Reda Lob für ihre Haltung und den Austritt aus …
Berlin taz | Sie war das [1][Gesicht im Kampf gegen die umstrittene
Urheberrechtsreform]. Nun hat die Europaparlamentarierin Julia Reda die
Piratenpartei verlassen, wie sie in [2][einem Video auf Twitter] erklärte.
Sie habe nach der verlorenen Abstimmung zur Urheberrechtsreform
„unglaublich viele Nachrichten“ von Menschen bekommen, die wegen ihrer
Arbeit jetzt die Piratenpartei wählen wollen. „Das ist auch lieb gemeint,
aber leider ist es nicht das, was ich mir wünsche“, sagte Reda. „Denn ich
werde die Piraten zur Europawahl nicht wählen.“ Tatsächlich sei sie am
Mittwoch aus der Partei ausgetreten. Der Grund sei ein ehemaliger
Mitarbeiter: Gilles Bordelais.
Ihr früherer Büroleiter steht auf Listenplatz zwei der Partei für die
Europawahl. Reda wirft ihm vor, er habe „unserer Arbeit gegen Artikel 13
wohl wie kein anderer Schaden zugefügt“. Denn Bordelais habe mehrere Frauen
im Parlament bedrängt, sie teils sexuell belästigt – das habe auch der
Parlaments-Beirat für Belästigung am Arbeitsplatz für „Aspekte seines
Verhaltens“ festgestellt.
Wenige Tage nach seiner Nominierung für den zweiten Listenplatz im Juni
2018 war die Beschwerde einer Kollegin Bordelais' bei Julia Reda
eingegangen. So schreibt es der Bundesvorstand der Partei, der [3][bereits
Mitte März Informationen zu dem Vorfall veröffentlicht hatte]. Demnach
hatte Reda die Kündigung Bordelais' im Juli beantragt. Der damalige
Bundesvorsitzende Carsten Sawosch und Spitzenkandidat Patrick Breyer seien
über die Vorwürfe informiert gewesen. Bordelais habe seine Kandidatur
jedoch nicht zurückgezogen, sondern Anfang Februar lediglich erklärt, sich
aus dem Wahlkampf zurückzuziehen und seine Wahlunterlagen nicht
einzureichen.
Dadurch wäre Bordelais' Kandidatur unwirksam geworden, ohne dass die Partei
die gesamte Liste hätte zurückziehen müssen, sagte Dennis Deutschkämer,
stellvertretender Bundesvorstand der Piratenpartei, der taz. So sei es mit
dem Kandidaten auch abgesprochen gewesen. Hinter dem Rücken des
Parteivorsitzes habe Bordelais jedoch Unterlagen beim Bundeswahlausschuss
nachgereicht. Dieser billigte seine Kandidatur daraufhin. „Wir wissen erst
seit Anfang März, dass er selbst wohl die Unterlagen eingereicht hat,
entgegengesetzt unserer Absprachen“, sagte Deuschkrämer.
## Bordelais beruft sich auf Abstimmung mit Partei
Der taz sagte Gilles Bordelais wiederum, er habe die „Unterlagen in
Abstimmung mit der Parteizentrale nachgereicht“. Auch wenn er „die
Frustration über das Abstimmungsergebnis teile“, wolle er nicht zum
Sündenbock dafür gemacht werden.
Julia Reda [4][warf ihrer Partei bereits Mitte März vor], sich nicht
entschieden gegen eine Kandidatur Bordelais' eingesetzt zu haben. In ihrem
Video betonte sie jetzt: „Das ist für mich absolut inakzeptabel. So jemand
darf nicht gewählt werden.“ Das Verhalten Bordelais', der vier Jahre lang
ihr Büro geleitet hatte, habe sie und ihr Team „psychisch richtig
mitgenommen“. Denn Bordelais habe „alles getan, um Konsequenzen für sich
selbst zu verhindern“.
Der taz sagte sie, Bordelais sei „absolut ungeeignet“ für ein Mandat, in
ihren Nachforschungen habe sie mit mindestens acht Frauen gesprochen, die
von „negativen Erfahrungen“ mit dem ehemaligen Büroleiter berichteten. Sie
mache sich selbst Vorwürfe, dass sie lange nichts davon bemerkt hatte. Bis
zuletzt hatte sie nun gehofft, dass es möglich sei Bordelais von der Liste
zu streichen, aber „er hat uns alle getäuscht“.
## Arbeit zur Urheberrechtsreform dadurch behindert
Des Weiteren warf Reda in einer vorangegangenen Stellungnahme der
Parlamentsverwaltung vor, „Vorwürfe von unangemessenem Verhalten oder
sexueller Belästigung nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu behandeln“.
Da sich die Kündigung hinzog, habe sie die Stelle nicht neu besetzen
können. Bordelais habe sie und ihrem Team „viele Stunden Arbeit gekostet“ …
die sie im vergangenen Jahr ansonsten in die Arbeit zur Urheberrechtsreform
hätten stecken können, sagte sie auf Twitter. Die Abstimmung zur
Urheberrechtsreform hatten die [5][Gegner*innen am Dienstag mit 274 gegen
348 Stimmen verloren]. „Wäre Gilles nicht gewesen, dann hätten wir
vielleicht gewonnen“, sagte Reda.
Aktuell ist Julia Reda die einzige Piratin im EU-Parlament. Spitzenkandidat
für die anstehende Europawahl ist Patrik Breyer. Dadurch, dass ihr Einsatz
gegen Artikel 13 sehr positiv wahrgenommen worden sei, sieht Reda gute
Chance für die Piraten, nun mehr Stimmen zu erhalten – und bei 1,6 Prozent
der Stimmen am Ende auch einen zweiten Listenplatz. Der ginge dann an
Gilles Bordelais.
Dass also derjenige, dem sie vorwirft, „unserem Kampf gegen Artikel 13“ am
meisten geschadet zu haben, am Ende davon profitieren könnte, wäre für sie
„so ziemlich das Schlimmste“, sagte Reda. Am Ende ihres Videos forderte sie
daher ihre Unterstützer*innen auf: „Wenn ihr also meine Arbeit wertschätzen
wollt, dann wählt eine Partei, die sich gegen Uploadfilter engagiert hat –
aber wählt nicht die Piratenpartei.“ Reda sagte der taz, sie wolle sich
vorerst aus der Politik verabschieden und an die Universität zurückkehren,
um eine Doktorarbeit zu schreiben – zum Thema Urheberrecht.
## Redas Wahlempfehlungen für andere Parteien
Mit Blick auf die Positionen anderer Parteien zu „Freiheit & Grundrechte im
Netz“ schrieb die 32-Jährige [6][in einem weiteren Tweet], die Haltung der
Linkspartei, der Grünen und der FDP seien gut. Sie kritisierte die GroKo,
hob jedoch die Arbeit des SPD-Europaabgeordneten Tiemo Wölken positiv
hervor.
Auf Twitter lobten viele Nutzer*innen Julia Reda unter dem Hashtag
#ThankYouJulia für ihre Haltung. Auch Politiker*innen twitterten dazu. So
schrieb Martin Schirdewan, Linken-Spitzenkandidat für die Europawahl:
„Respekt für deinen großartigen Einsatz für ein freies Internet. Jetzt ist
es umso mehr an uns anderen, diese Arbeit fortzusetzen.“ Auch FDP-Chef
Christian Lindner würdigte Redas Schritt als „mutige Entscheidung“. Ska
Keller, Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, dankte Julia Reda „für 5
beste Jahre im EP, für Liebe zum Detail, fürs Einsetzen und Aufstehen und
für Freundschaft“.
Der Bundesvorstand der Piratenpartei bedankte sich bei Julia Reda [7][am
Mittwochabend in einer kurzen Stellungnahme] und versicherte: „Wir
reagieren mit Transparenz und Entschlossenheit auf den Vorfall, den Julia
Reda anspricht.“ Stellvertretender Bundesvorstand Dennis Deutschkämer sagte
der taz, der Vorstand habe beschlossen, ein Parteiausschlussverfahren gegen
Bordelais juristisch prüfen zu lassen, seinen Listenplatz könne er dadurch
aber nicht verlieren. Beim Bundeswahlleiter sei am 18. März ein
Beschwerdeantrag gegen dessen Zulassungsentscheidung eingelegt worden.
## Moralische Argumente wohl erfolglos
Doch dort dürften moralische Argumente nicht ins Gewicht fallen. Vom
Bundeswahlleiter hieß es auf Twitter: „Maßgeblich für die Zulassung von
Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl sind ausschließlich formale
Kriterien, die im Fall des Kandidaten der Piratenpartei erfüllt waren.“ Der
Bundeswahlausschuss wird am 4. April in seiner zweiten Sitzung zur
Europawahl über Beschwerden gegen die Zulassung oder Zurückweisung zu
Wahlvorschlägen entscheiden.
Teil der Parlamentsgruppe der Piraten dürfte Bordelais jedenfalls nicht
werden, falls er tatsächlich in das Europaparlament einziehen sollte. So
kündigte es der Vorstand der Europäischen Piratenpartei [8][in einem
Statement an.]
28 Mar 2019
## LINKS
[1] /Julia-Reda-zur-EU-Urheberrechtsreform/!5573451
[2] https://twitter.com/Senficon/status/1110984773466578945
[3] https://www.piratenpartei.de/2019/03/15/waehlerinformation-betreffend-unser…
[4] https://juliareda.eu/2019/03/gilles_bordelais_sexuelle_belaestigung/
[5] /Richtlinie-zum-Urheberrecht/!5582962
[6] https://twitter.com/Senficon/status/1110994416657944577
[7] https://www.piratenpartei.de/2019/03/27/wir-danken-julia-reda-fuer-ihre-arb…
[8] https://european-pirateparty.eu/statement-of-the-ppeu-board/
## AUTOREN
Astrid Ehrenhauser
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Katarina Barley
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