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# taz.de -- EU-Urheberrechtsreform und Protest: Zwei klar getrennte Lager
> Europaabgeordnete sprechen in Berlin über die geplante Reform des
> Urheberrechts. Kommende Woche soll in Straßburg darüber entschieden
> werden.
Bild: Am 26. März wird in Straßburg über die Richtlinie debattiert und entsc…
Berlin taz | An dem Tag, an dem Wikipedia aus Protest gegen die
Urheberrechtsreform aus Brüssel [1][die eigene Website mit einem schwarzen
Banner versieht,] lädt die deutsche Vertretung des Europäischen Parlaments
zu einem Pressegespräch zum Thema nach Berlin. Vor Ort sind zwei
Gegner_innen und zwei Befürworter_innen der Reform: die Europaabgeordneten
Helga Trüpel (Grüne) und Axel Voss (CDU), beide wollen [2][die Richtlinie,
wie sie jetzt ist], unverändert noch in dieser Legislaturperiode
durchsetzen.
Beim Gespräch sind auch Julia Reda von der Piratenpartei und Tiemo Wölken
von der SPD, auch sie sind Abgeordnete im EU-Parlament, Reda ist auch
stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Europäischen Grünen. Beide
kritisieren die Reform – vor allem den darin enthaltenen Artikel 11 zum
Leistungsschutzrecht und den Artikel 13 zur Verwendung urheberrechtlich
geschützter Inhalte.
Die zwei Lager sind – in verkürzter Form – klar getrennt: Die einen sagen,
dass die Reform in ihrem jetzigen Zustand richtig ist. Sie verteidigen das
Vorhaben mit dem Argument, dass auch das Internet Regulierung brauche und
die großen Plattformen die Urheber der bei ihnen geteilten Werke bezahlen
müssen. Sie sollen Lizenzen aushandeln. Die anderen sehen in genau diesem
Willen zur Regulierung und den dafür notwendigen Mitteln eine Gefahr.
Besonders die Umsetzung wird kritisiert: [3][Das Buzzword lautet
„Uploadfilter“.]
Wenn dieses Wort fällt, wird von der Gegnerseite der Reform ein Einspruch
erhoben: Sie sagen, dass Uploadfilter von Plattformen eingeführt werden
müssten, um überhaupt prüfen zu können, ob die Inhalte Urheberrechte
verletzten. Diese seien teuer, fehlerhaft und schränkten die Freiheit im
Netz ein. Die Pro-Seite argumentiert, dass Uploadfilter doch gar nicht im
Reformtext vorkommen. Dann dreht sich die Diskussion meist im Kreis, weil
darauf verwiesen wird, dass diese in der Konsequenz trotzdem kommen
müssten. Dann wiederum wird auf Ausnahmen verwiesen, um zu zeigen, dass nur
die Großen betroffen seien.
## „Manifest für ein offenes und faires Netz“
So auch in Berlin. Axel Voss kritisiert, dass sich die Debatte so sehr auf
Artikel 13 und die Uploadfilter bezieht und verweist nachdrücklich auf die
Ausnahmen, die in Artikel 2.5 festgelegt sind, um zu unterstreichen, dass
nicht alle Plattformen von Artikel 13 betroffen sind. Für kleinere
Plattformen würden abgeschwächte Anforderungen bestehen, auch einzelne User
seien nicht betroffen.
Julia Reda wiederum betont, dass viele Punkte der Reform wichtig seien,
aber die Einbindung zivilgesellschaftlicher und wissenschaftlicher
Expertise fehle. Sie meint die, die auf die Anwendungsfehler wie den
Uploadfilter hinweisen. Die Piratin verweist auf 5 Millionen Unterschriften
bei einer Petition gegen die Reform, die Diskreditierung des Protests als
Bot-Protest von Seiten einiger EU-Abgeordneter und [4][die analogen
Demonstrationen auf der Straße.] „Es ist völlig klar, dass eine Umsetzung
ohne Uploadfilter nicht möglich ist.“ Man könne auch nicht mit allen Social
Media-Nutzern Lizenzen abschließen. Darüber hinaus sieht sie eine Gefahr
bei der Umsetzung: „Die große Befürchtung ist also, dass fehlerhafte
Technologie eingesetzt wird.“
Tiemo Wölken (SPD) findet ebenfalls nicht die ganze Reform unangebracht,
sondern vor allem den Artikel 13. Es bestehe die Befürchtung, dass die
Urheberrechtsreform an diesem Artikel scheitern könnte, was er bedauern
würde. Hinsichtlich des Protests sagt er: „Es gibt eine
zivilgesellschaftliche Bewegung, die zeigt, dass die Reform, wie sie gerade
auf dem Tisch liegt, mehr Nachteile als Vorteile bringt.“ [5][Die
Diskreditierung des Protest als „Bots“] trage nicht dazu bei, dass das
Verständnis für Demokratie gestärkt werde.
Die Grüne Helga Trüpel betont, sie sei für Freiheit und gegen Zensur. Sie
wolle aber auch für Fairness sein. Deswegen hat sie ein Manifest erstellt,
das sie bei dem Pressegespräch verteilen lässt. In diesem „Manifest für ein
offenes und faires Netz“ wird eine „Ordnungspolitik für die digitale Welt�…
gefordert. Auch die Ausnahmen für den Artikel 13, wie beim Zitatrecht oder
Portalen wie Tinder, werden darin genannt. Trüpel wird für ihre Position
jedoch parteiintern kritisiert. [6][Laut ihrer Fraktionskollegin Terry
Reintke sei die Fraktionslinie,] Änderungsanträge zu den umstrittenen
Artikeln 11 und 13 zu stellen.
## Andere Diskursgewohnheiten
Auch Axel Voss ist Mitunterzeichner von Trüpels Aufruf, wie auch der
Börsenverband des Deutschen Buchhandels. Dieser erinnert etwas an den
Offenen Brief und die Pro-Kampagne #yes2copyright, der sich viele Verbände
aus der Verlagswelt und auch einige Journalistenverbände angeschlossen
haben. Die Art und Weise der Mobilisierung für die jeweiligen Anliegen ist
jedoch unterschiedlich: Die einen wohnen quasi im Netz und führen den
Diskurs auch dort.
Das erkennt man am Auftritt von Julia Reda, die digital scheinbar
unermüdlich aber auch analog für ihr Anliegen kämpft. Andere stellen
Aufrufe ins Netz und hoffen, dass sie geteilt werden; einige vermuten Bots
hinter Anfragen. Das sind zum Teil Nuancen, die aber den unterschiedlichen
Umgang mit dem Digitalen zeigen und damit einhergehend, ein
unterschiedliches Verständnis dessen was mit „Freiheit des Netzes“ in den
unterschiedlichen Köpfen gemeint seine könnte.
Dass das mit der Netz-Debatte schiefgehen kann, hat jüngst [7][ein Tweet
der CDU/CSU im Europaparlament] gezeigt. Der Tweet sollte belegen, dass
Google sehr wohl in der Lage ist, Memes zu filtern. Einer der Kritikpunkte
zur Reform ist, dass Uploadfilter Memes und Parodien nicht erkennen
könnten. Das Bild zum Tweet hatte jedoch gar keinen Filter angezeigt,
sondern lediglich Suchanfragen. Axel Voss, der auch darin erwähnt war, sagt
auf Nachfrage, er habe den Tweet gar nicht gesehen. Fragt man Tiemo Wölken
nach dem Tweet der Unionskollegen, sagt er: „Das wundert mich und sollte in
einem so späten Stadium der Reform nicht mehr passieren.“
Zurück zum sichtbaren Protest gegen die Reform, der bei Wikipedia über die
ausgesetzte Plattform läuft. Er findet allerdings auch auf den Straßen
statt. Nach den [8][Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und
Rat Mitte Februar], hat es hierzulande immer wieder gegeben. Am kommenden
Wochenende, am 23. März, ist ein europaweiter Aktionstag geplant, für den
kräftig mobilisiert wird.
## Entscheidung am 26. März
Wie ist das Mobilisierungspotenzial des Protests zu erklären, wenn nicht
durch berechtigte Kritik? Fragt man das Axel Voss, sagt er: „Ich habe nicht
das Gefühl, dass man sich inhaltlich damit beschäftigt hat.“ Er vermutet,
dass die Keywords mobilisieren. „Ich gehe davon aus, dass viele nicht
wissen, dass wir Ausnahmen in Artikel 13 drinstehen haben. Das wird, glaube
ich, keiner wissen.“
Die Entscheidung dafür liegt nun beim Europaparlament, das am 26. März über
die Reform diskutieren und abstimmen soll. Geht es nach dem Willen von Axel
Voss und von Helga Trüpel, sollte die Reform in der kommenden Woche
angenommen werden. Voss sagt dazu: „Dann können wir auch mal ein
Schlussstrich unter das Kapitel ziehen.“ Anfang der Woche warnte er, dass
die Machtprobe ansonsten zugunsten amerikanischer Plattformen ausgehe.
Das Ergebnis der kommenden Abstimmung sieht Wölken hinsichtlich des
umstrittenen Artikels zum Uploadfilter anders. Der taz sagt er: „Ich gehe
davon aus, dass der Artikel gestrichen wird.“ Die SPD will nach
Spiegel-Informationen bei ihrem Europakonvent am Wochenende Anträge
einbringen, [9][um die Uploadfilter zu verhindern]. Das bestätigt auch
Wölken in Berlin. Auch aus der CDU kam Anfang der Woche ein Vorschlag, um
die Filter auf nationaler Ebene zu verhindern. Der sah aber im ersten
Schritt eine Zustimmung für die Reform vor – was die SPD [10][wiederum
kritisierte]. Der GroKo wurde im Zuge der EU-Verhandlungen vorgeworfen,
[11][sie breche wegen der Uploadfilter ihren Koalitionsvertrag]. Wie nun
über die Reform in der EU samt ihrer umstrittenen Artikel befunden wird,
das wird die kommende Woche in Straßburg zeigen.
21 Mar 2019
## LINKS
[1] /Wikipedia-protestiert-gegen-Artikel-13/!5582321
[2] http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2014_2019/plmrep/COMMITTEES/JURI/DV/…
[3] /Netzaktivist-ueber-Upload-Filter/!5518860
[4] /Artikel-13-Demo-in-Koeln/!5579176
[5] /Demo-gegen-EU-Urheberrechtsreform/!5577554
[6] https://twitter.com/TerryReintke/status/1108278595707944960
[7] https://twitter.com/CDU_CSU_EP/status/1108372306101968901
[8] /EU-Urheberrechtsreform/!5573394
[9] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/uploadfilter-spd-will-umstrittene…
[10] https://www.zeit.de/digital/internet/2019-03/eu-urheberrechtsreform-streit…
[11] /Koalitionsvertrag-und-EU-Digitalreform/!5575136
## AUTOREN
Anna Grieben
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