# taz.de -- Konflikt um Pflanzenschutzmittel: Klöckners Bienengift für die Re… | |
> Das Bundesamt für Verbraucherschutz lässt 18 Ackergifte zu, die Insekten | |
> schädigen können. Umweltministerin Schulze hält das für rechtswidrig. | |
Bild: Ein Konflikt, ausgetragen auf dem Rücken der Bienen | |
BERLIN taz | Für die Zusammenarbeit in der Bundesregierung ist es Gift, für | |
Bienen, Käfer, Schmetterlinge sowieso. 18 Pflanzenschutzmittel, darunter | |
ein [1][Glyphosat-Unkrautvernichter] und ein Insektenbekämpfungsmittel mit | |
dem bienengiftigen Wirkstoff Cyantraniliprole, haben die Zulassung für den | |
deutschen Markt bekommen. | |
Erteilt von der Behörde, die CDU-Agrarministerin Julia Klöckner untersteht: | |
dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL. Das | |
von SPD-Ministerin Svenja Schulze geführte Umweltministerium hält dies für | |
rechtswidrig – und erklärt der taz, es handele sich um einen „Verstoß geg… | |
die Regeln des Zulassungsverfahrens gemäß Pflanzenschutzgesetz“. | |
Viele Menschen sind beunruhigt, weil ein Großteil der heimischen Kerbtiere | |
verschwindet und damit auch Nahrung für Vögel: Knapp 1,8 Millionen Menschen | |
haben gerade erst das [2][„Volksbegehren Artenvielfalt – Rettet die | |
Bienen“] in Bayern unterzeichnet. Auch darum hat der Streit über die | |
Pflanzenschutzmittel in der Regierung Wucht – und Tradition. | |
Klöckners Vorgänger hatte mit einem Glyphosat-Alleingang Ende 2017 für | |
Empörung gesorgt. Er stimmte zu, den Wirkstoff weitere fünf Jahr in der EU | |
zu genehmigen – trotz der ausdrücklichen Weisung, sich zu enthalten, weil | |
das Umweltressort anderer Meinung war. Nur deshalb können heute überhaupt | |
noch Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat auf nationaler Ebene zugelassen | |
werden. | |
## Bundesministerien können sich nicht gegenseitig verklagen | |
Bei ihrer Neuauflage 2018 legte Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag allerdings | |
fest, den Einsatz von Glyphosat „so schnell wie möglich grundsätzlich zu | |
beenden“. Und Klöckner versprach beim Regierungsantritt: „Was der Biene | |
schadet, muss vom Markt.“ Denn sie seien „systemrelevant“, also | |
lebenswichtig. | |
Die neueste BVL-Entscheidung steht dazu im Widerspruch, glaubt man dem von | |
Maria Krautzberger geführten Umweltbundesamt. Die oberste Umweltbehörde | |
muss der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zustimmen – also auch den 18 – | |
und stellte sich bei ihnen quer. | |
Diese 18 Pflanzenschutzmittel, erklärte das Umweltministerium der taz, | |
haben „erhebliche negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, | |
insbesondere auf die Insektenwelt. Das Umweltbundesamt sieht die | |
Auswirkungen als so gravierend an, dass es seine Zustimmung zur Zulassung | |
dieser Pflanzenschutzmittel daran gebunden hat, Auflagen zum Schutz der | |
biologischen Vielfalt einzuhalten.“ Demnach sollen Landwirtinnen und ihre | |
Kollegen auf einem Teil ihrer Flächen, das können Brachen oder Blühstreifen | |
sein, „gänzlich“ auf den Einsatz von Ackergiften verzichten, und zwar | |
spätestens ab 2020. Das teilte es so auch dem BVL mit. | |
Nur: Das stellte am Ende eine befristete Genehmigung bis zum 31. Dezember | |
2019 aus – ohne weitere Vorgaben. Das gab es am Karnevalsdonnerstag | |
bekannt, als große Teile der Republik feierten. So gehe es nicht, meinen | |
Schulzes Leute – und erläutern: „Das Umweltbundesamt hatte sein | |
Einvernehmen zur Zulassung dieser Mittel unter der Bedingung erteilt, dass | |
die Anwendungsbestimmungen zum Schutz der Biodiversität in die Zulassung | |
aufgenommen werden. Da dies nicht erfolgt ist, liegt insgesamt kein | |
Einvernehmen – auch nicht auf eine einjährige Befristung bezogen – vor.“ | |
Das Amt habe den Landwirtinnen nur die Möglichkeit geben wollen, sich auf | |
die Auflagen einzustellen und sie darum erst für 2020 vorgesehen. | |
Diese Auflagen sind in der Regierung umstritten. Die Frage ist, ob mit | |
ihnen zu stark ins Eigentum eingegriffen wird. Das werde derzeit geprüft, | |
sagte eine Sprecherin von Schulze. Das Umweltbundesamt halte die Wirkungen | |
der Pflanzenschutzmittel auf den Naturhaushalt ohne hinreichende | |
Anwendungsbestimmungen zum Schutz der Biodiversität jedenfalls „weiterhin | |
als unvertretbar“. | |
Wie geht es weiter? Ein Bundesministerium kann kein anderes | |
Bundesministerium verklagen, eine Bundesbehörde nicht eine andere | |
Bundesbehörde. Denn alle wären durch die Bundesregierung vertreten. Es geht | |
bei dem Streit nicht nur darum, was in diesem Jahr aufs Feld darf. | |
Theoretisch könnte Ende 2019 die Zulassung der 18 Mittel einfach verlängert | |
werden – bei technischen Verlängerungen ist das Umweltbundesamt gar nicht | |
mehr beteiligt. | |
Annette Seehaus-Arnold, Vizepräsidentin des Deutschen Berufs- und | |
Erwerbsimkerbunds, hält die Neuzulassungen für „unverantwortlich“. Sie | |
sorgt der Insektenvernichter Cyantraniliprole besonders, der gegen den | |
Kartoffelkäfer eingesetzt werden soll. „Wir wissen nicht, wo wir künftig | |
noch mit unseren Bienen hinsollen, wenn Cyantraniliprole in Deutschland | |
hoffähig wird“, sagt sie. Ihr Verband bereitet eine Klage gegen die | |
Zulassungen vor. Klöckners Ministerium sieht kein Problem. Eine Sprecherin | |
erklärte: „Das BVL hat mit seinen aktuellen Zulassungsentscheidungen im | |
Einklang mit den Regeln des Pflanzenschutzgesetzes gehandelt.“ | |
7 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] /EuG-Urteil-zu-Glyphosat-Studien/!5578872 | |
[2] /Naturschutz-im-Freistaat/!5573058 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
## TAGS | |
Volksbegehren Artenvielfalt | |
Julia Klöckner | |
Svenja Schulze | |
Landwirtschaftsministerium | |
Umweltministerium | |
Schwerpunkt Glyphosat | |
Pflanzenschutzmittel | |
Frauenkampftag | |
Volksbegehren Artenvielfalt | |
Nahrung | |
Schwerpunkt Glyphosat | |
Schwerpunkt Glyphosat | |
Ernährung | |
Landwirtschaft | |
Schwerpunkt Glyphosat | |
Volksbegehren | |
Schwerpunkt Glyphosat | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Volksbegehren „Rettet die Bienen“: Es werde Artenvielfalt im Bayernland | |
Der bayerische Landtag will das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ zum | |
Gesetz machen. Die Fronten von Initiatoren und Gegnern waren verhärtet. | |
Die gärtnerische Zukunft: Nahrung aus dem Hightech-Container | |
Christian Ulrichs arbeitet in seinem Projekt CUBES Circle daran, Fische, | |
Pflanzen und Insekten in intelligent verknüpften Containern zu produzieren. | |
Schuldspruch gegen Glyphosat in USA: Bayer AG schwer erkrankt | |
Wird der Chemiekonzern zum Übernahmekandidaten? Bayer drohen | |
Milliardenstrafen in Krebs-Prozessen wegen seines Pestizids. | |
Kommentar Schuldspruch für Pestizid: Jetzt Glyphosat-Mittel verbieten | |
Ein weiteres US-Gericht hat entschieden, dass das meistgebrauchte Ackergift | |
Krebs verursachen kann. Nun muss Agrarministerin Klöckner reagieren. | |
Gastkommentar Weltverbrauchertag: Nicht hinter die Fichte führen lassen | |
Verbraucher brauchen keine Almosen, die Große Koalition muss sie | |
stattdessen endlich als Rechtssubjekte betrachten, die sich wehren können. | |
Ein Jahr im Landwirtschaftsministerium: Die große Klöckner-Show | |
Ob Tierschutz, Lebensmittelverschwendung oder Pestizide: Die | |
Bundesagrarministerin hat in ihrem ersten Amtsjahr fast nichts erreicht. | |
EuG-Urteil zu Glyphosat-Studien: Spritzmittel sind Umweltemissionen | |
Bislang haben EU-Behörden Studien zum umstrittenen Pestizid Glyphosat | |
geheimgehalten. Zu Unrecht, entschied das EU-Gericht. | |
Artenschutz-Volksbegehren in Bayern: Rekord-Beteiligung für die Bienen | |
Am Volksbegehren zum Schutz der Artenvielfalt in Bayern haben sich 18,4 | |
Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Der Weg für einen Volksentscheid | |
ist damit frei. | |
Pflanzenschutzmittel mit Glyphosat: Klage für mehr Transparenz | |
Glyphosat-Mischungen sind oft giftiger als das Herbizid selbst und ihre | |
Zulassungsverfahren sind intransparent. Campact klagt nun dagegen. |