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# taz.de -- EuG-Urteil zu Glyphosat-Studien: Spritzmittel sind Umweltemissionen
> Bislang haben EU-Behörden Studien zum umstrittenen Pestizid Glyphosat
> geheimgehalten. Zu Unrecht, entschied das EU-Gericht.
Bild: Kein rechtmäßiges Geheimwissen: Auswirkungen des Unkrautvernichters Gly…
Luxemburg taz | EU-Behörden müssen bisher geheime Studien zum
Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat herausgeben. Dies entschied jetzt das
Europäische Gericht (EuG) in Luxemburg. Geklagt hatten unter anderem vier
Europaabgeordnete der Grünen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Er wird von
der US-Firma Monsanto hergestellt, die jüngst vom deutschen Bayer-Konzern
übernommen wurde. 2017 wurde die Zulassung von Glyphosat nach heftigen
öffentlichen Diskussionen verlängert, allerdings nur um fünf Jahre. Schon
seit Jahren ist umstritten, ob Glyphosat krebserregend ist.
Im März 2015 hatte die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC), die
zur Weltgesundheitsagentur gehört, Glyphosat als „wahrscheinlich
krebserregend“ eingestuft. Doch im Oktober 2015 kam die Europäische Behörde
für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zum Schluss, dass Glyphosat
wahrscheinlich kein krebserregendes Risiko für Menschen darstellt. EFSA
begründete das abweichende Ergebnis mit der Auswertung von
unveröffentlichten Studien, die IARC nicht vorlagen.
Die grünen Europa-Abgeordneten Heidi Hautala, Benedek Jávor, Michèle Rivasi
und Bart Staes forderten von der EU-Behörde daher die Herausgabe der
unveröffentlichten Studien, um diese überprüfen zu können. Einen ähnlichen
Antrag hatte der kritische Forscher Anthony Tweedale schon 2014 gestellt.
## Umstritten waren Studien im Auftrag von Unternehmen
EFSA gab die Studien aber nur teilweise heraus. Für große Teile der Studien
verweigerte EFSA die Herausgabe, weil dem die Geschäftsgeheimnisse von
Unternehmen entgegenstünden. Die Studien wurden unter anderem im Auftrag
der Unternehmen für die Genehmigungsverfahren angefertigt. Gegen diese
negative Entscheidung von EFSA klagten die vier Grünen-Abgeordneten sowie
Forscher Tweedale. Sie wollten vor allem die 12 wichtigsten Studien
vollständig bekommen, auf die EFSA ihre Einschätzung stützte.
Nach einer EU-Verordnung von 2001 haben Bürger Anspruch auf Informationen,
über die EU-Organe verfügen. Die Herausgabe kann aber verweigert werden,
wenn Geschäftsgeheimnisse das Interesse der Öffentlichkeit überwiegen. Wenn
es allerdings um Informationen über „Emissionen in die Umwelt“ geht, gelten
nach der sogenannten [1][Aarhus-Verordnung von 2006] andere Regeln. Dann
geht das Interesse der Öffentlichkeit den Geschäftsinteressen der Firmen
regelmäßig vor. Entscheidende Frage in dem Prozess war also, ob die
Glyphosat-Studien „Emissionen in die Umwelt“ betreffen.
[2][Schon 2016 hatte der EuGH in einem Prozess, an dem Greenpeace beteiligt
war, festgestellt], dass mit „Emissionen in die Umwelt“ nicht nur
unerwünschte Schadstoffbelastungen gemeint sind, sondern auch die Anwendung
von Pflanzenschutzmitteln. Deren Zweck sei es nun mal, auf die Äcker, also
in die Umwelt, gesprüht zu werden.
Damals hatte der EuGH auch entschieden, dass Bürger nicht nur ein Recht
haben zu wissen, welche Chemikalien wann und wo in die Umwelt gelangen,
sondern auch welche Auswirkungen das voraussichtlich hat. Auch dies seien
Informationen über „Emissionen in die Umwelt“. Der vorrangige
Informationsanspruch der Bürger ende allerdings, wenn es um „hypothetische“
Emissionen gehe, also um die Wirkung von unrealistisch hohen Dosen.
Auf dieses EuGH-Urteil von 2016 berief sich EFSA bei ihrer Weigerung, die
Glyphosat-Studien vollständig herauszugeben. Es gehe hier um
Untersuchungen, die im Labor an Ratten und Mäusen durchgeführt wurden.
Diesen seien viel höhere Dosen an Glyphosat verabreicht worden, als in der
Wirklichkeit vorkommen. Es handele sich also um „hypothetische“ Emissionen
in die Umwelt.
Dieses Argument ließ das Europäische Gericht nun aber nicht gelten. Es
komme nicht auf die Art des Experiments an, sondern auf dessen Zweck. Wenn
es um die Frage gehe, ob Glyphosat-Dosen, mit denen im landwirtschaftlichen
Alltag zu rechnen ist, krebserregend sind, dann seien auch Tierversuche mit
hohen Dosen nicht „hypothetisch“. Der vorrangige Informationsanspruch der
Bürger entfalle nur, wenn die Test herausfinden wollen, ob unrealistisch
hohe Glyphosat-Dosen krebserregend sind.
Die EU-Richter kommen zum Schluss, dass die von EFSA nicht vollständig
herausgegebenen Studien durchaus „Emissionen in die Umwelt“ betrafen. EFSA
hätte die Herausgabe also nicht verweigern dürfen. Gegen dieses Urteil kann
EFSA nun binnen zwei Monaten noch Rechtsmittel zum Europäischen Gerichtshof
(EuGH) einlegen.
Das Urteil befasste sich nicht mit der Frage, ob Glyphosat gefährlich ist
oder ob die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung fehlerhaft war. [3][Az.:
T-329/17]
7 Mar 2019
## LINKS
[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32006R1367&…
[2] https://www.jurion.de/urteile/eugh/2016-11-23/c-673_13/
[3] http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=211426&a…
## AUTOREN
Christian Rath
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