# taz.de -- Schuldspruch gegen Glyphosat in USA: Bayer AG schwer erkrankt | |
> Wird der Chemiekonzern zum Übernahmekandidaten? Bayer drohen | |
> Milliardenstrafen in Krebs-Prozessen wegen seines Pestizids. | |
Bild: Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat tötet Pflanzen – und Menschen? | |
BERLIN taz | Die Schlinge um den Hals des Chemiekonzerns Bayer und seiner | |
US-Tochterfirma Monsanto zieht sich weiter zu: Eine Jury des zuständigen | |
Bundesbezirksgerichts in San Francisco befand am Dienstag, dass der | |
Unkrautvernichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat ein „wesentlicher | |
Faktor“ für die Krebserkrankung des Klägers Edwin Hardeman gewesen ist. Nun | |
muss die Jury untersuchen, ob Monsanto haftbar ist, und gegebenenfalls eine | |
Schadenersatzzahlung festlegen. | |
Die Entscheidung ist für Bayer ein schwerer Rückschlag, denn es handelte | |
sich um das erste Musterverfahren wegen Roundup vor einem US-Bundesgericht. | |
Der Vorsitzende Richter Vince Chhabria hatte den Prozess zu einem | |
„bellwether case“ erklärt, also einem Fall, der repräsentativ ist für | |
mehrere Hundert Verfahren, die bei dem Gericht gebündelt sind. Dieser | |
Musterprozess könnte zudem die Richtung vorgeben für außergerichtliche | |
Vergleiche. | |
Die Positionierung der Geschworenen ist auch deshalb bedeutend, weil sie | |
bereits der zweite Schuldspruch über Glyphosat durch ein US-Gericht ist. | |
Vergangenen August hatte eine Jury in Kalifornien Monsanto zu 289 Millionen | |
Dollar Schadenersatz an einen krebskranken Mann verurteilt. Insgesamt haben | |
in den USA mehr als 11.000 Menschen das Unternehmen wegen Glyphosat | |
verklagt. | |
Das Thema ist nicht nur deshalb für die deutsche Politik relevant, weil | |
Bayer ein deutscher Konzern mit [1][117.000 Arbeitsplätzen] weltweit, davon | |
32.000 Stellen hierzulande, ist. Bayer drohen Milliardenkosten wegen der | |
Prozesse. Außerdem stellen die Verfahren einen Großteil des | |
Geschäftsmodells von Bayer in Frage: Laut Economist kamen zuletzt 70 | |
Prozent des Monsanto-Betriebsgewinns von Produkten, die mit Glyphosat im | |
Zusammenhang stehen. | |
## Glyphosat ist das weltweit meistgebrauchte Pestizid | |
Das Mittel ist auch ein Politikum, weil es der weltweit meistverkaufte | |
Pestizidwirkstoff und ein Symbol für die chemiegetriebene Landwirtschaft | |
ist. Da ihn nun schon mehrere US-Gerichte für Krebserkrankungen | |
verantwortlich gemacht haben, dürfte der Ruf nach einem Verbot in der | |
Europäischen Union und in Deutschland lauter werden. Glyphosat ist auch aus | |
Umweltsicht umstritten. Denn das Gift tötet so gut wie alle nicht | |
gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und | |
Insekten. | |
Im aktuellen Prozess hatte Hardemans Anwältin Aimee Wagstaff gesagt, ihr | |
Mandant sei dem Unkrautvernichter stark ausgesetzt gewesen, er habe das | |
Mittel in einem Zeitraum von 26 Jahren mehr als 300 Mal auf seinem | |
Grundstück in Kalifornien angewendet. Monsanto habe ihn nicht ausreichend | |
vor Gefahren gewarnt. Studien an Nagetieren und Zellkulturen zeigten ein | |
erhöhtes Krebsrisiko. Das gelte auch für Untersuchungen, die Menschen mit | |
und ohne Glyphosat-Kontakt verglichen. | |
Bayer-Anwalt Brian Stekloff dagegen erklärte, die Ursache von Hardemans | |
Krankheit und der Krebsart Non-Hodgkin-Lymphom allgemein sei unbekannt. Bei | |
Hardeman gebe es andere Risikofaktoren wie sein hohes Alter und eine | |
Hepatitis-Erkrankung. Vom Kläger beauftragte Experten widersprachen dem | |
jedoch. | |
## Günstige Verfahrensbedingungen für Bayer | |
Als Erfolg für Bayer war gewertet worden, dass der Vorsitzende Richter dem | |
Antrag des Konzerns stattgegeben hatte, das Verfahren in zwei Phasen | |
aufzuteilen. Dadurch konnte der Kläger seine Vorwürfe, Monsanto habe | |
versucht, Behörden und die öffentliche Meinung zu manipulieren, nicht schon | |
am Anfang des Prozesses vorbringen. Über diese Vorwürfe soll erst in einer | |
zweiten Phase verhandelt werden. | |
Günstig für Bayer war auch, dass der Richter der Jury untersagte, sich auf | |
das wichtigste Argument der Glyphosat-Gegner zu berufen: die Publikation, | |
in der die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (Iarc) | |
den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ kategorisierte. Allerdings | |
durften die Geschworenen sich auch nicht auf die Bewertungen etwa der | |
EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit stützen, die ein Krebsrisiko für | |
„unwahrscheinlich“ hält. Stattdessen sollten sie sich eine eigene Meinung | |
aufgrund der im Prozess als Beweismittel zugelassenen Primärstudien und | |
Aussagen von Experten bilden. Aber ausgerechnet der wichtigste Gutachter | |
der Verteidigung, Christopher Portier, konnte aus gesundheitlichen Gründen | |
nicht in den Gerichtssaal kommen. Seine Aussage lag den Geschworenen nur | |
als Videoaufzeichnung vor. | |
Umso überraschter waren die Bayer-Aktionäre ob des Schuldspruchs. Der | |
Aktienkurs fiel am Mittwoch um rund 13 Prozent und steuerte auf den größten | |
Tagesverlust seit 16 Jahren zu. Damit schrumpfte der Börsenwert des | |
Leverkusener Konzerns um etwa 7,7 Milliarden Euro. Seit dem ersten | |
Glyphosat-Urteil im August 2018 büßte Bayer knapp 30 Milliarden Euro ein. | |
Analyst Markus Mayer von der Bank Baader Helvea sagte, die | |
Wahrscheinlichkeit steige, dass Bayer diesen Prozess verlieren wird. Mit | |
den Kursverlusten erhöhe sich zudem das Risiko, dass das Unternehmen ein | |
Spielball von aktivistischen Investoren oder sogar ein Übernahmeziel werden | |
könnte. | |
## Bayer hält an Glyphosat fest | |
Bereits vor dem jetzigen Urteil war der Unmut vieler Aktionäre groß. So | |
bezeichnete Christian Strenger, Gründungsmitglied der Regierungskommission | |
Deutscher Corporate Governance Kodex, den Kauf von Monsanto im vergangenen | |
Jahr in einem dem Manager Magazin vorliegenden Brief unlängst als „den | |
größten und schnellsten Wertvernichter der DAX-Geschichte“. Strenger | |
fordert demnach, bei der Hauptversammlung am 26. April dem Konzernvorstand | |
die Entlastung zu verweigern. | |
Das Unternehmen äußerte sich enttäuscht über die Entscheidung der Jury. | |
Zulassungsbehörden weltweit hätten Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung als | |
sicher bewertet. Der Konzern sei zuversichtlich, „dass die Beweise in der | |
zweiten Phase des Prozesses zeigen werden, dass Monsantos Verhalten | |
angemessen war und das Unternehmen nicht für die Krebserkrankung von Herrn | |
Hardeman haftbar gemacht werden sollte“. | |
Die Grünen dagegen forderten den Konzern zu einem Kurswechsel auf. „Bayer | |
muss jetzt endlich selbst zur Aufklärung der wahren Glyphosat-Risiken und | |
des Monsanto-Gemauschels bei Studien beitragen“, sagte Bioökonomiesprecher | |
Harald Ebner. „Und die Bundesregierung muss endlich Ernst machen mit dem | |
Glyphosat-Ausstieg, statt sogar noch neue Glyphosat-Produkte ohne Auflagen | |
zuzulassen.“ | |
20 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bayer.de/de/profil-und-organisation.aspx | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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