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# taz.de -- Recht auf Bildung: Schulkinder zweiter Klasse
> Schleswig-Holstein ist Heimkinder-Land. Doch es gibt keine Schulpflicht
> für die noch in ihrem Herkunftsland gemeldeten. Ministerien haben keinen
> Überblick.
Bild: Eher weniger Willkommen – oft dauert es Wochen, bis ein Heimkind zur Sc…
Ein Kinderheim in Lindewitt im Kreis Schleswig-Flensburg, Ende Januar:
rings um das zweistöckige weiße Gebäude nur Felder und Wiesen. Es ist kurz
vor eins, der Mittagstisch für die acht Kinder und ihre Betreuer in der
Wohnküche ist gedeckt. Oben im Spiel- und Sportraum haut ein kleiner Junge
auf einen Boxsack. Drei andere Jungs schwirren durch die Räume. Sie sind
alle zwölf und sie haben keine Schule. Und das ist bei einem sogar schon
sechs Monate so.
Der Kreis Schleswig-Flensburg zählt mit 1.181 Heimplätzen zu den Regionen
in Schleswig-Holstein, in denen sehr viele Kinder von auswärts leben und
Heimerziehung ein Wirtschaftsfaktor ist. Zieht eine normale Familie um,
kann das Kind am nächsten Tag zur Schule gehen. Für Jugendhilfekinder ist
das in diesem Landkreis offenbar anders: Für Kinder, die Hinweise auf einen
„sozial-emotionalen Förderbedarf“ haben, ist ein bürokratisches Verfahren
mit Gutachten und Fallkonferenzen vorgesehen sowie ein speziell
entwickeltes „Vier-Phasen Modell“.
Die erste Phase dient der Stärkung des Kindes und findet nur im Heim statt.
Die zweite findet auch nur im Heim statt, das Kind bekommt aber Aufgaben,
die es im Heim lösen soll. In „Phase drei“ darf der Schüler die Aufgaben
vom Lehrer in Begleitung eines Erziehers persönlich entgegennehmen. Erst in
„Phase vier“ ist eine „teilweise Teilnahme“ am Unterricht möglich. Sch…
der 8. und 9. Klassen sollten möglichst nur zum Halbjahr kommen, nicht
früher, wegen der „Gruppendynamik“.
„Unsere Kinder sind noch alle in der Phase 0“, sagt Benjamin Dehde, Leiter
der Wohngruppe „Neo“ in Lindewitt. Bei einem Jungen habe es allein drei
Monate gedauert, bis die Akte seiner alten Schule vorlag. Die seelische
Beeinträchtigung werde nach seiner Erfahrung pauschal bei allen Kindern
unterstellt, „auch wenn sie vorher ganz normal zur Schule gingen und durch
einen Schicksalsschlag ihren Heimort wechseln müssen“. Die Kinder fühlten
sich diskriminiert. „Sie dürfen sich, wenn überhaupt, nur kleinste
Verfehlungen leisten, sonst bekommen sie ,Konsequenzen' zu spüren und
müssen abgeholt werden.“
„Es besteht keine große Bereitschaft, diese Kinder aufzunehmen“, sagt auch
Antje Pahlke, Leiterin eines anderen Kinderheims. Eine Elfjährige, die im
Dezember dort einzog, habe nach drei Monaten noch immer keinen ersten
Kontakt zu einer Schule. „Das Problem ist, dass die Schule sie nicht nehmen
muss“, sagt Pahlke. „Bei Jugendhilfekindern wird davon ausgegangen, dass
sie Schulschwierigkeiten haben.“
## Erzieher müssen Kind bei Laune halten
Schulische Integrationskonzepte wie das „Vier-Phasen-Modell“, die einen
ganz bestimmten Ablauf vorsehen, gibt es in leicht unterschiedlicher Form
in mehreren Landkreisen in Schleswig-Holstein. Die „Stiftung für Kinder-,
Jugend- und Soziale Hilfen“, kurz KJSH, sieht allein darin eine erste
erhebliche Benachteiligung. „Nur weil die Kinder in einer Einrichtung
leben, werden sie bezüglich eines Schulbesuchs vollkommen anders behandelt
als Gleichaltrige“, schrieb KJSH-Geschäftsführer Karsten Neubauer in einer
Stellungnahme an den Landtag. Während der Wartezeit werde das Kind mal
besser, mal weniger gut in der Gruppe „unterrichtet“. Die Erzieher
versuchten das Kind irgendwie zu beschäftigen und bei Laune zu halten, „bis
der Daumen gehoben oder gesenkt wird“.
## Die Schulen haben Angst
„Die Schulen haben Angst, dass ein Kind auffällig wird und die Einrichtung
sich nicht kümmert“, sagte die ehemalige Heimmitarbeiterin Vanessa Holdysz.
Doch eine zeitnahe Einschulung sei wichtig. „Wir hatten einen Jungen, der
anderthalb Jahre warten musste und eine richtige Schulangst aufbaute, eine
Angst, sich in der Gruppe zu bewähren.“ Als er schließlich mit 14 Jahren
einen Schulplatz fand, habe er statt in die 8. in die 6. Klasse eingeschult
werden müssen.
Wie paradox die Situation sein kann, zeigt das Beispiel von Mariella
Schmidt*. Morgens um halb acht an einem Tag im September 2018 standen
Jugendamt, Gerichtsvollzieher und Polizei vor der Tür der Alleinerziehenden
in Hamburg. Sie nahmen ihr zwölfjähriges Kind unter Tränen und gegen seinen
Willen mit. Das Kind ging schon länger nicht mehr zur Schule und gewöhnte
sich seit ein paar Monaten tageweise in einem Hamburger Projekt für Kinder
mit Schulschwierigkeiten neu an Unterricht.
Doch die Mutter hatte kein Sorgerecht mehr. Der Vormund entschied, das Kind
in ein Heim zu geben. Es kam in eine Kleinsteinrichtung in
Schleswig-Holstein, die Mutter durfte nicht wissen wo. Der Stadtstaat
Hamburg wacht sehr streng über die Einhaltung der Schulpflicht. Die
Einrichtung aber teilte der Mutter mit, ihr Kind müsse nicht zur Schule und
könnte erst mal in Ruhe ankommen. Denn in Schleswig-Holstein, so verstand
es die Mutter, gebe es für Heimkinder keine Schulpflicht.
Wer sich das schleswig-holsteinische Schulgesetz anschaut, muss tatsächlich
zweimal hinschauen. Dort steht im Paragraf 20: „Für Kinder und Jugendliche,
die im Land Schleswig-Holstein ihre Wohnung oder ihre Ausbildungsstätte
haben, besteht Schulpflicht. Andere Kinder und Jugendliche, die in einem
Heim, einer Familienpflegestelle, einem Internat oder einem Krankenhaus
untergebracht sind, können öffentliche Schulen im Lande besuchen.“
Seit dem Skandal um die Friesenhof-Mädchenheime im Landkreis Dithmarschen
von 2015 ist dieses Wort „können“ zum Politikum geworden. Dort wurden die
Mädchen in den ersten Monaten nur intern beschult, und das teils von
Hilfskräften, von denen manche „gar keine Ausbildung hatten“, wie es im
Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Kieler Landtags
heißt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme „hat eine systematische
Vermittlung schulischer Lerninhalte nicht stattgefunden“.
Hinzu kam die Erkenntnis, dass auch fehlende soziale Kontakte in der Schule
ein Problem sind. Wenn ein Kind in einer abgelegenen Einrichtung mit
interner Heimschule lebt und keinen Kontakt nach außerhalb der Einrichtung
hat, „ist das per se eine Kindeswohlgefährdung“, sagte der Hamburger
Jugendhilfe-Experte Wolfgang Hammer im taz-Interview. Doch Kinder aus
Hamburg in kleine Heime mit interner Beschulung zu schicken, ist gängige
Praxis.
## Integration in den Sozialraum
Das Schulthema beschäftige auch den „Runden Tisch Heime“, den der Kieler
Landtag infolge des Friesenhof-Skandals anberaumte. Heimträger und
Kommunen forderten, es müsse „auch für Kinder, die nicht aus
Schleswig-Holstein kommen, durch Aufnahme an der Regelschule eine
Integration in den Sozialraum am Ort der Heimerziehung gewährleistet
werden“. Dies sei wichtig, auch um „verheerende Entwicklungen wie im Fall
Friesenhof in Zukunft frühzeitig zu unterbinden“, sagt Irene Johns vom
Kinderschutzbund.
Die kleinste Partei im Landtag, der Südschleswigsche Wählerverband (SSW),
schrieb sich das Thema auf die Fahnen und beantragte im April 2018 schlicht
eine [1][Gesetzesänderung]. Schulpflicht soll für alle Kinder gelten, die
ihren „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Land haben, forderte die Abgeordnete
Jette Waldinger-Thiering. Eine Unterscheidung der Kinder nach Wohnsitz sei
„nicht länger hinnehmbar“. Hier würden „mal eben Schüler um ihr
Menschenrecht auf Bildung gebracht“, sagt ihr Sprecher Per Dittrich.
Doch außer der kleinen Dänen-Partei sah zu diesem Zeitpunkt keine Fraktion
Handlungsbedarf, wie im Protokoll der Landtagsdebatte vom 24. April
nachzulesen ist. Denn die frühere SPD-Bildungsministerin Britta Ernst hatte
entschieden, dass Problem durch einen „Erlass“ zu regeln, der seit Oktober
2017 in Kraft ist. Den solle man nun erst mal ausprobieren, meinten unisono
SPD, CDU, FDP, Grüne und AfD.
Der Erlass „[2][Schulische Integration von Kindern und jugendlichen in
Erziehungshilfeeinrichtungen]“ soll sicherstellen, dass alle Heimkinder „in
der Regel“ umgehend eine Schule besuchen. Damit das passiert, müssen die
Heime den Schulämtern die Aufnahme eines Kindes unverzüglich melden. Auch
werden die Abläufe standardisiert. Das Schulamt sucht eine Schule aus, der
Schulleiter fordert die Akte an und prüft, ob es sonderpädagogischen
Förderbedarf gibt.
Doch über die Aufnahme des Kindes entscheidet der Schulleiter nach
pflichtgemäßem „Ermessen“. Ist ein Platz an der Schule frei, ist das Kind
auch aufzunehmen – es sei denn, es kann „aus erzieherischen Gründen“ kei…
Schule besuchen. Dann muss das Heim dafür Sorge tragen, das der
Schulunterricht anderweitig erteilt wird.
## Es geht auch ums Geld
Der SPD-Politiker Kai Vogel erinnerte bei der Debatte um den SSW-Antrag an
die Diskussionen aus der vergangenen Wahlperiode. Britta Ernsts
Bildungsministerium habe damals überzeugend dargelegt, dass eine
Muss-Vorschrift „nur den finanziellen Interessen der Bundesländer dienen
würde, aus denen die fraglichen Heimkinder kommen“. Sprich:
Schleswig-Holstein hätte deren Schulkosten am Hals. Es geht also auch um
Geld, denn für die Beschulung der Kinder in den Heimen muss die Jugendhilfe
der Herkunftsländer zahlen.
Der SSW bezeichnete den Erlass als Flickschusterei. „Man kriegt das
schlechte Gesetz mit diesem Erlass nicht geheilt, weil immer noch der Direx
entscheidet, ob ein Kind aufgenommen wird“, sagt SSW-Sprecher Per Dittrich.
Die neue Bildungsministerin Karin Prien (CDU) indes wiegelte ab: Das
Ermessen des Schulleiters werde „in den Fällen auf Null reduziert, in denen
das Kind erstens beschulbar ist und die Schule zweitens einen Platz hat“.
Ihren vorläufigen Höhepunkt hatte die Auseinandersetzung in der [3][Sitzung
des Kieler Bildungsausschusses] am 24. Mai, wo der SSW-Antrag behandelt
wurde. CDU-Ministerin Karin Prien teilte mit, dass im Land alle
schulpflichtigen Heimkinder beschult würden, und nannte die Zahl 3.373.
Was erstaunt: Laut Sozialministerium gibt es rund 6.800 Heimplätze. Von
rund der Hälfte aller Kinder weiß das Bildungsministerium also nicht, ob
und wie sie zur Schule gehen. „Die Ministerin hat keine belastbaren
Zahlen“, sagt SSW-Sprecher Dittrich.
## Niedersachsen hat die Schulpflicht
Auch als die taz im Ministerium nachfragt, erhält sie die alte Zahl 3.373.
Neuere Zahlen als die im März 2018 bei einer Abfrage erhobenen gibt es noch
nicht. Das ist vier Jahre nach dem Friesenhof-Skandal ernüchternd. Zum
Vergleich: Das Land Niedersachsen, in dem es für jedes Kind ab dem 5. Tag
seines Aufenthalts eine Schulpflicht gibt, kann gegenüber der taz auf den
Punkt genau aufschlüsseln, auf welche Schulform die 13.284 Heimkinder
gehen.
Es sei jetzt geplant, für das gesamte Schuljahr eine Abfrage durchzuführen,
heißt es aus Priens Ministerium. Darauf hat auch die Ombudsfrau für
Heimkinder, Samiah El Samadoni, gedrängt, die ebenfalls die Schulpflicht
einfordert.
Das Land ist in der Frage tief gespalten. Das zeigen die [4][18
Stellungnahmen] zum SSW-Antrag, die bis zum Sommer im Bildungsausschuss
eintrudelten. Etwa die Hälfte, überwiegend aus dem Lager der Jugendhilfe,
sprach sich energisch für die Schulpflicht für alle aus. Die Stellungnahmen
aus dem Lager der Schulen waren total dagegen und gipfelten in der Aussage
eines Direktorenverbands, dass die Heime ja häufig eben jene Kinder nicht
mit Wohnsitz im Land anmeldeten, die eh nicht beschulbar seien. Andere
Schulleiter fürchten, die Verantwortung für den Schulbesuch werde von den
Heimen „auf Schule und Schulverwaltung verlagert“.
Bemerkenswert ist die Einschätzung des „Schleswig-Holsteinischen
Landkreistags“, dass durch die Schulpflicht für alle „einige
Schulstandorte besonders betroffen“ wären und mit „Kapazitätsengpässen zu
rechnen wäre, die weder kurz- noch mittelfristig behoben werden können“.
Sprich: Der Landkreistag sieht diese Kinder nicht mal mittelfristig in den
Schulen.
Verschließt man also „systematisch die Augen“, wie SSW-Sprecher Per
Dittrich kritisiert? Thomas Mehrens* leitet ein Heim mit zehn Kindern in
Nordfriesland und sagt: „Den Beschluss, dass ich meine Kinder beim Schulamt
anmelden muss, habe ich bis heute nicht erhalten.“ Und auch bei ihm dauere
es zwölf bis 16 Wochen, bis ein Kind in der Schule ist.
Der Erlass, so sagt auch Kinderheim-Leiterin Antje Pahlke, habe das
Verfahren eher noch bürokratisiert. Unter der abwehrenden Haltung, so
konstatiert ihr Kollege Benjamin Dehde, litten selbst Heimkinder, die im
selben Landkreis geboren sind und ihren Platz wechseln, und zum Teil „nur
das Pech haben, dass ihre alte Einrichtung schließt“.
Der Landkreis Dithmarschen, der Schauplatz des Friesenhofs-Skandals war und
über sich damals viel Kritisches lesen musste, hat sich als einziger für
die Schulpflicht ausgesprochen. Die taz wollte von dem nördlich gelegenen
Landkreis Schleswig-Flensburg wissen, wie viele Kinder in Heimen beschult
werden. Eine Antwort gab es nicht. Die zuständige Schulrätin verwies an das
Bildungsministerium: „Ich sehe keine Hürde, warum es lange dauert, bis
einer den Schulplatz hat.“ Wenn doch, dann habe das „verschiedene Gründe�…
Über Einzelfälle dürfe sie nicht sprechen.
Heimleiter Dehde sagt, er habe auch Verständnis für die Schulen. „Die
müssten personell viel besser ausgestattet werden. Die Lehrer müssen
heutzutage viel mehr Beziehungsarbeit leisten, dafür brauchen sie auch
Supervision.“ Wolle das Land das nicht bezahlen, dürfe es nicht so viele
Heime erlauben. Auch der Rechnungshof schlug unlängst vor, bei der
Verteilung der Ressourcen für Inklusion die Zahl der Heimkinder zu
berücksichtigen.
Wer in den Archiven des Landtags stöbert, findet gar heraus, dass die
Heimkinder einmal Streitgegenstand beim „Gastschulabkommen“ zwischen
Hamburg und Schleswig-Holstein waren. Laut [5][Landesrechnungshof] gab es
bis 2010 eine statistische Erfassung der Heimkinder aus anderen
Bundesländern an den Schulen von Schleswig-Holstein. Wenn die Zahlen
stimmen, die damals bekannt wurden, gingen nicht mal die Hälfte der aus
Hamburg stammenden Heimkinder dort zur Schule. Wie ein Mitarbeiter dem
[6][Abendblatt] sagte, wurde auf deren Zählung 2010 bewusst verzichtet.
„Das hat das Bildungsministerium entschieden.“ Heute indes teilt das
Statistikamt mit, der Mitarbeiter sei nicht mehr beschäftigt, und kein
anderer könne sich an eine derartige Erhebung erinnern.
Im [7][Gastschulabkommen] sind die Kinder recht kostengünstig verrechnet.
Schleswig-Holstein erlässt Hamburg sogenannte „Schulkostenbeiträge“ von
etwa 1.700 Euro im Jahr, die sonst den Hamburger Haushalt belasten würden.
Doch Ansprüche der Schulträger, also der Kreise, gegenüber dem Land auf das
Geld werden dadurch „nicht begründet“.
## SPD orientiert sich neu
Noch im Herbst schien das Schulpflichtthema tot zu sein. Die Kieler
Jamaika-Koalition ließ nicht mal die vom SSW beantragte [8][mündliche
Anhörung] von Experten zu. Auch von der SPD war der SSW danach richtig
enttäuscht.
Doch überraschend stellte nun die SPD-Fraktion die gleiche Forderung auf
wie der SSW: „Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung nicht allein
lassen“. „Bei uns gab es eine Neuorientierung, nachdem wir uns fachlich
damit beschäftigt haben“, sagt der Abgeordnete Tobias von Pein. So gab es
am 15. Februar erneut einen Schlagabtausch im Landtag, bei dem SPD und SSW
unterlagen: Er endete mit der lauen Kompromissformel, dass der Erlass von
Britta Ernst nach diesem Schuljahr evaluiert wird. „Wir werden die
Schulpflicht dann wieder fordern“, sagt von Pein. „Wir lassen nicht
locker.“
Eine Neupositionierung gab es auch bei der GEW Schleswig-Holstein. „Alle
Kinder müssen dort schulpflichtig sein, wo sie sich tatsächlich aufhalten“,
sagt die Vorsitzende Astrid Henke. Und sollten Kinder oder Jugendliche
nicht am Regelunterricht teilnehmen können, müssten sie in Verantwortung
der zuständigen Schule durch „Lehrkräfte“ im Heim oder in speziellen
Außenlerngruppen unterrichtet werden. Dafür müsste von einer „deutlichen
Erhöhung des erforderlichen Lehrkräftebedarfes“ ausgegangen werden, so
GEW-Frau Henke. „Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass die
erforderlichen Stellen an die Schulen kommen.“
Doch noch drehen sich die Argumente im Kreis. Die Frage, ob aus Sicht des
Ministeriums die heutige Stellenressource ausreicht, um auch alle
Heimkinder mit „sozial-emotionalen Förderbedarf“ aufzunehmen, wird vom
Ministerium so beantwortet, dass nur im „Ausnahmefall“ bei
„Nicht-Beschulbarkeit“ der Unterricht im Heim stattfinde. „Dieses ist eine
Jugendhilfemaßnahme“, so Sprecher Thomas Schunck. Das heißt: Die
Jugendämter der Herkunftsländer sollen zahlen.
Das sieht Heimleiter Dehde anders: „Jugendhilfe kann viel, aber keine
Schule ersetzen“, sagt Heimleiter Dehde dazu. „Dafür sind wir nicht
ausgebildet.“
Auch das Kind Mariella Schmidt geht übrigens nach fünf Monaten immer noch
nicht zur Schule. „Es hat gesagt“, so ihre Mutter, „dass es nach Hause
will.“
* Namen geändert
27 Feb 2019
## LINKS
[1] http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/00600/drucksache-19-00670…
[2] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/S/schulrecht/Downloads/Erl…
[3] http://www.landtag.ltsh.de/export/sites/ltsh/infothek/wahl19/aussch/bildung…
[4] http://lissh.lvn.ltsh.de/cgi-bin/starfinder/0?path=lisshfl.txt&id=fastl…
[5] http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/umdrucke/1300/umdruck-17-1380.pd…
[6] https://www.abendblatt.de/region/stormarn/article107877088/Zahlenwirrwarr-b…
[7] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/S/schulsystem/Downloads/Ga…
[8] http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/00600/drucksache-19-00670…
## AUTOREN
Kaija Kutter
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