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# taz.de -- Tarifrunde der BVG startet: Nächster Halt: faire Bedingungen?
> Drohen mit der BVG-Tarifrunde wieder Streiks? Und ist die BVG überhaupt
> noch zu retten? Unser Autor beantwortet die wichtigsten Fragen.
Bild: Die Endhaltestelle könnte der Streik sein: BVG-Angestellte fordern besse…
Am Montag geht es wieder los: Die Tarifrunde bei der BVG und ihrer Tochter
Berlin Transport startet mit dem ersten Verhandlungstermin zwischen
ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen zum Manteltarifvertrag Nahverkehr
(TV-N). Beide Seiten erwarten „schwierige Verhandlungen“.
Muss ich also wegen eines Streiks auf die S-Bahn umsteigen?
Nein. Nicht sofort jedenfalls. Die Gewerkschaft Verdi und die
Tarifkommission der Beschäftigten geben sich zwar kämpferisch, wollen aber
erst einmal abwarten, wie ihre Forderungen aufgenommen werden.
Wie viel Geld wollen die Beschäftigten denn haben?
Das steht noch nicht im Detail fest. In dieser Runde geht es zunächst
darum, die vertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die
Entgelttabelle ist turnusgemäß erst im März dran, wie jedes Jahr. Und dafür
sind die ArbeitgeberInnen verpflichtet, bis Ende Februar ein Angebot
vorzulegen.
Um welche Arbeitsbedingungen geht es denn so?
Zum Beispiel die Arbeitszeiten. So haben Beschäftigte mit Verträgen, die
älter als 14 Jahre sind im Regelfall eine Wochenarbeitszeit von 36,5
Stunden, die danach eingestellten aber 39 Stunden. Ziel der Tarifkommission
ist eine 36,5-Stunden-Woche für alle bei vollem Lohnausgleich.
36,5 Stunden? Das klingt ja ganz gemütlich.
Na ja, mal abgesehen von Ungleichbehandlungen unter KollegInnen, die
dieselbe Tätigkeit ausüben, muss auch im Blick behalten werden, dass
insbesondere der Fahrdienst eine extrem stressige Tätigkeit ist. Da wird
man nicht für erfundene Selbstgespräche bezahlt.
Erzähl mir mehr.
Der Krankenstand in den verschiedenen Bereichen liegt bei 10 bis 15
Prozent. Das ist das Doppelte bis Dreifache des von den gesetzlichen
Krankenkassen gemessenen bundesweiten Durchschnitts. Das ist zumindest ein
Indiz dafür, dass die Arbeitsbedingungen bei der BVG nicht sonderlich
zuträglich für die Gesundheit sind. Dazu klagen zum Beispiel BusfahrerInnen
über hohe Belastungen durch den unmittelbaren Umgang mit der häufig
unzufriedenen Kundschaft. Reduzierte Arbeitszeiten könnten durchaus dazu
beitragen, die individuellen Folgen des Stresses besser abzufedern.
Ist der hohe Krankenstand auch die Ursache für die ständigen Zug- und
Busausfälle?
Jein, da spielen sehr viele Faktoren mit rein: nicht zuletzt der
überalterte und reduzierte Fuhrpark, der mit einer viel zu hohen
Werkstattquote, wenn man so will, auch einen sehr hohen Krankenstand
aufweist. Womit wir uns auch einem der Probleme bei den Tarifverhandlungen
annähern: den Kosten für die Gesamtsanierung der BVG.
Da müssen die Personalkosten doch getrennt betrachtet werden, oder nicht?
Klar, aber der Senat hat neben der geplanten Fahrzeugneubeschaffung und
infrastrukturellen Maßnahmen auch noch ein Programm aufgelegt zur
zusätzlichen Gewinnung von 1.100 Beschäftigten für die BVG allein in diesem
Jahr. Irgendwann muss mal jemand anfangen zu rechnen, wie viel das alles
kostet.
Und, was würden die Forderungen der Tarifkommission denn kosten?
Verdi beziffert das Gesamtpaket auf rund 60 Millionen Euro. Das wäre eine
Steigerung der bisherigen Personalausgaben der BVG um mehr als 10 Prozent.
Klingt viel, aber wenn sogar noch zusätzliche Beschäftigte gewonnen werden
sollen, muss man die Jobs bei der BVG vielleicht attraktiver machen, oder
nicht?
So ist zumindest die gewerkschaftliche Argumentation. Der Tarifvertrag bei
der BVG ist bundesweit einer der schlechtesten für die Beschäftigten in
einem Nahverkehrsunternehmen. Nur in Brandenburg ist die Vergütung noch
niedriger als in Berlin. Das ist keine sonderlich strahlkräftige Werbung
für neue KollegInnen. Zumal die BVG tatsächlich Personal an
Konkurrenzunternehmen verliert. Die Deutsche Bahn und mit ihr die S-Bahn
sind ebenfalls händeringend auf der Suche nach Leuten – und zahlen besser.
Frank Kulicke, selber Mitglied der Tarifkommission, berichtete in der
vergangenen Woche von wenig versteckten Abwerbeversuchen auch auf
informellen Wegen, wie in geschlossen Facebookgruppen und dergleichen.
Wie viele Menschen arbeiten denn überhaupt bei der BVG?
Mehr als 12.000 im Mutterhaus und noch mal knapp 2.000, hauptsächlich
FahrerInnen, bei der Berlin Transport.
Wie viele von denen sind bei Verdi organisiert?
Darüber schweigt sich die Gewerkschaft aus. Taktische Gründe. Man will der
BVG die Einschätzung der Kampfstärke möglichst schwer machen.
Können die also ordentlich streiken?
Klar. Das kommt zwar nicht so oft vor, aber in der Vergangenheit haben die
organisierten Beschäftigten wiederholt unter Beweis gestellt, dass sie
zumindest tageweise praktisch den gesamten Betrieb der BVG lahmlegen
können. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Kampfkraft signifikant
abgenommen hätte.
Okay, aber wie läuft das dann? An der Straßenbahnhaltestelle hindern mich
plötzlich Streikposten am Zugang?
Nein, zunächst würde die Tarifkommission nach eigener Auskunft
Arbeitskampfmaßnahmen 24 Stunden vorher ankündigen, also ein bisschen Luft
lassen, damit die Fahrgäste sich auf Ausfälle und andere Störungen
einstellen können.
Zunächst?
Falls die BVG versucht, in diesen 24 Stunden zum Beispiel ErsatzfahrerInnen
zu besorgen, wäre mit weitaus kurzfristiger angesetzten Maßnahmen zu
rechnen.
Aber welche Tage könnte das denn betreffen?
Wie schon angedeutet, lässt sich das nicht so ohne Weiteres vorhersagen.
Aber ich würde Augen und Ohren schon mal rund um die bereits feststehenden
Verhandlungstermine offen halten, also den heutigen 28. Januar, den 11.
Februar, sowie den 5. und 28. März.
Streikt diese BVG-Kampagne mit ihren Witzchen auf Facebook und Twitter denn
dann wenigstens auch?
Hey, man kann nicht alles haben.
28 Jan 2019
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
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Raed Saleh
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