# taz.de -- Kommentar Defizitstreit in der EU: Die Regeln taugen nichts | |
> Die Bestimmungen der Währungsunion sind dumm, mehrdeutig und | |
> unverständlich. Die EU sollte sie nach der Europawahl ändern. | |
Bild: Italiens Vize-Premier Matteo Salvini ist sauer über die Ungleichbehandlu… | |
Urteilt die EU-Kommission mit zweierlei Maß? Im [1][Defizitstreit mit | |
Italien] sieht es so aus. Die Regierung in Rom soll wegen einer | |
Neuverschuldung von rund zwei Prozent der Wirtschaftsleistung abgestraft | |
werden. Demgegenüber dürfte Frankreich ungeschoren davon kommen – trotz | |
eines nach oben korrigierten Defizits von 3,2 Prozent. | |
Wie kann das sein? Wird Frankreich bevorzugt, „weil es Frankreich ist“, wie | |
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einmal sagte? Genießt Präsident | |
Emmanuel Macron einen Bonus, weil er proeuropäisch redet – und wird die | |
Regierung in Rom härter rangenommen, da sie von Populisten geführt wird? | |
Ja, dies ist ein Teil der Wahrheit. Es geht um Politik. | |
Aber es geht auch um die Regeln der Währungsunion. Sie sind nicht nur | |
„dumm“, wie Junckers Amtsvorgänger Romano Prodi einmal sagte. Sie sind auch | |
mehrdeutig und unverständlich. | |
Das Defizitverfahren gegen Italien wurde nämlich gar nicht mit der | |
Neuverschuldung begründet – sondern mit den alten Schulden, die sich auf | |
130 Prozent der Wirtschaftsleistung türmen. Nach den EU-Regeln muss dieser | |
Schuldenberg abgebaut werden und zwar dauerhaft. Deshalb könnte es sein, | |
dass das Defizitverfahren gegen Italien weiterläuft, selbst wenn sich Rom | |
und Brüssel doch noch auf ein niedrigeres Defizit einigen sollten. Die | |
Regeln sind so tricky, dass sie fast beliebig interpretiert werden können. | |
Das gilt auch für Frankreich. Emmanuel Macron kommt zugute, dass er ein | |
regelkonformes Budget vorgelegt hat. Das höhere Defizit kam erst später – | |
als [2][Reaktion auf die jüngsten Proteste der „Gelbwesten“]. Und dieses | |
Defizit soll auch eine Ausnahme bleiben. Deshalb kann die EU-Kommission nun | |
ein Auge zudrücken und erst im Frühjahr prüfen, wie es weitergeht. | |
Das ganze Vorgehen hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Wenn die Regeln | |
so widersprüchlich und dehnbar sind, dann taugen sie nichts. Doch zu einer | |
Reform war die Europäische Union bisher nicht fähig. Ob sich das nach der | |
Europawahl ändert? An Italien und Frankreich ließe sich immerhin lernen, | |
wie es nicht geht – und dass soziale Aspekte viel stärker berücksichtigt | |
werden müssen als es bisher geschieht. | |
18 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Frankreichs-Haushaltsdefizit/!5556736 | |
[2] /Gelbwesten-Proteste-in-Frankreich/!5558181 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
EU | |
Defizit | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Italien | |
Haushaltsdefizit | |
EU-Kommission | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Europäische Union | |
EU-Kommission | |
EU-Finanzpolitik | |
Italien | |
Italien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
EU-Defizitverfahren gegen Frankreich: Kein Szenario wie in Griechenland | |
Frankreich reißt die EU-Schuldenregel von 3 Prozent – und muss nun rasch | |
kräftig sparen. Das ist angesichts innenpolitischen Lage nicht einfach. | |
EU-Bürgerbeauftragte über Brüssel: „Wir brauchen mehr Transparenz“ | |
Emily O’Reilly will Europas Gesetzgebung durchsichtiger machen. Minister | |
der Mitgliedsländer sollen sich nicht mehr verstecken können. | |
Italiens Schuldendefizit: Rom und Brüssel einigen sich | |
Italien will seine Neuverschuldung jetzt doch eindämmen: von 2,4 auf 2,04 | |
Prozent. Die EU-Kommission verzichtet nun auf ein Defizitverfahren. | |
Frankreichs Haushaltsdefizit: Italien zetert gegen EU | |
Weil Brüssel das Etatdefizit Frankreichs tolerieren will, ist die Regierung | |
in Rom empört: Er sei es leid, dass „mit zweierlei Maß“ gemessen werde, so | |
Salvini. | |
Kommentar Streit um Italiens Haushalt: Sparen hilft nicht | |
Die EU-Kommisson behandelt ihre Mitglieder ungerecht. Von Italien verlangt | |
sie eine strengere Sparpolitik. Dabei heißt das Problem Stagnation. | |
Italienische Schuldenpolitik: Italien ist nicht Griechenland | |
Die Regierung in Rom will die EU mit ihrem Haushalt erpressen. Eine Gefahr | |
für die EU? Eher eine für Italiens Privathaushalte. |