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# taz.de -- EU-Bürgerbeauftragte über Brüssel: „Wir brauchen mehr Transpar…
> Emily O’Reilly will Europas Gesetzgebung durchsichtiger machen. Minister
> der Mitgliedsländer sollen sich nicht mehr verstecken können.
Bild: Beratungen in den Ratsarbeitsgruppen sollen aufgezeichnet werden, sagt O'…
taz: Frau O’Reilly, als EU-Ombudsfrau untersuchen Sie die Beschwerden der
EU-Bürger. In wichtigen Fragen konnten Sie sich aber zuletzt nicht
durchsetzen. Nehmen wir die Blitzbeförderung des Deutschen Martin Selmayr
zum Generalsekretär der EU-Kommission 2018, wegen der es zu heftigen
Protesten kam. Dahinter stand der Vorwurf, EU-Kommissionschef Jean-Claude
Juncker habe seinem Vertrauten den Posten zugeschanzt. Ihre scharfe Kritik
am Besetzungsprozess blieb ohne Folgen …
Emily O’Reilly: Wir können uns nicht immer durchsetzen, das stimmt. Doch
darauf kommt es auch gar nicht an. Manchmal kann man eine Schlacht
verlieren, aber den Krieg gewinnen! Auf lange Sicht beeinflussen wir die
Kultur der EU-Institutionen, und das ist entscheidend.
Welchen Einfluss üben Sie denn auf den deutschen EU-Kommissar Günther
Oettinger aus, der sich trotz ihrer Kritik kurz vor Weihnachten erneut
hinter Selmayr gestellt hat?
Schauen wir mal! Unsere Untersuchung im Fall Selmayr hat sich an den Fakten
orientiert. Wenn Herr Oettinger die Fakten nicht akzeptieren sollte, dann
wäre das sehr schade. Das wäre eine Steilvorlage für all jene, die der EU
feindselig gegenüberstehen. Sie nutzen den [1][Fall Selmayr], um eine
Karikatur der EU-Kommission zu zeichnen. Ich denke aber, dass es beim
nächsten Mal (bei der Ernennung des Selmayr-Nachfolgers, die Red.) anders
laufen wird.
Das Europaparlament hat sogar den Rücktritt Selmayrs gefordert. Würden Sie
sich dem anschließen?
Es ist nicht meine Aufgabe, darüber zu befinden. Ich denke aber, die
Kommission sollte Führungsstärke zeigen. Die aktuelle Lage ist dem Image
der EU nicht förderlich.
Sie haben auch die Arbeit des Ministerrats kritisiert – bei der
Ausarbeitung von EU-Gesetzen gebe es zu viel Geheimniskrämerei und zu wenig
Transparenz. Wie kommen Sie darauf?
In diesem Fall haben wir selbst die Initiative ergriffen. Es ging darum,
mit der unseligen Praxis Schluss zu machen, dass alle Probleme auf
„Brüssel“ abgeschoben werden. Wenn die Minister aus den EU-Ländern zu ein…
Ratstreffen nach Brüssel kommen, dann sind sie selbst „Brüssel“! Und wenn
sie die Entscheidungsprozesse in den Ratsgremien nicht offenlegen, dann
sind sie selbst am demokratischen Defizit schuld, das viele beklagen.
Was muss sich ändern?
Wir empfehlen, dass die Beratungen in den mehr als 150 Ratsarbeitsgruppen
aufgezeichnet werden – damit hinterher niemand behaupten kann, er sei an
einer umstrittenen Entscheidung nicht beteiligt gewesen. Außerdem sollten
die Ratsdokumente nicht automatisch als vertraulich eingestuft werden. Es
kann doch nicht sein, dass Lobbyisten Zugang zur EU-Gesetzgebung haben, die
Öffentlichkeit jedoch nicht. Wohin das führt, haben wir gerade erst am
Skandal um medizinische Prothesen gesehen. Die zunächst geplanten strikten
EU-Gesetze wurden verwässert, die Leidtragenden sind die Patienten …
Eine weitere Untersuchung betraf den Präsidenten der Europäischen
Zentralbank, Mario Draghi, und seine Arbeit in der Lobbygruppe G30. Wie ist
dieser Fall ausgegangen?
Wir haben Draghi aufgefordert, seine Mitgliedschaft in der G30 ruhen zu
lassen. Doch er hat Nein gesagt. Dabei müsste eine so unabhängige
Institution wie die EZB doch besonders hohe Maßstäbe an sich selbst
anlegen. In der US-Notenbank Fed gab es einen vergleichbaren Fall, dort
ließ Janet Yellen während ihrer Zeit als Präsidentin der Fed die
G30-Mitgliedschaft ruhen. Vielleicht hat man in den USA früher als in der
EU erkannt, wie wichtig die öffentliche Wahrnehmung ist – vor allem, wenn
es um mutmaßliche Interessenkonflikte geht.
Im Mai wird ein neues Europaparlament gewählt, viele Wähler könnten dies
nutzen, um die EU abzustrafen. Was sagt die EU-Bürgerbeauftragte zu der
Frage, was die EU für die Bürger getan hat?
Darüber sollten wir in der Tat mehr sprechen. Die EU redet einfach nicht
genug davon, was sie schon alles für die Bürger erreicht hat! Sonst wäre es
wohl nie zum Brexit gekommen. In Großbritannien entdecken die Menschen erst
jetzt, was sie alles vermissen werden, wenn sie aus der EU austreten. Wir
müssen das besser kommunizieren.
Wenn Sie einen Wunsch für die nächste EU-Kommission hätten – welche Reform
sollte Junckers Nachfolger angehen?
Wir brauchen mehr Transparenz in der EU, und den Worten müssen auch Taten
folgen. Es reicht eben nicht, mehr Transparenz zu versprechen, wenn es dann
keine Folgen hat. Wir müssen den Bürgern endlich die Möglichkeit zu mehr
Mitsprache geben, die Zeit ist reif!
16 Jan 2019
## LINKS
[1] /Martin-Selmayr-und-die-EU-Kommission/!5497768
## AUTOREN
Eric Bonse
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EU
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