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# taz.de -- Die Wahrheit: Die sagenhafte Zukunft der SPD
> Durchs kommende Jahr mit den gar nicht so kommenden Sozialdemokraten und
> mit einem einzigartigen Wahlergebnis in der Demokratie-Geschichte.
Ein Jahr ist es her, dass Martin Schulz die Erneuerung der SPD ins Gespräch
brachte. Seither hat sich viel getan, allerdings in anderen Parteien. Noch
belohnen die Wahlberechtigten die Reformbemühungen nicht; kleine
Rückschläge wie minus 23 Prozentpunkte bei der Hessenwahl zeigen, dass die
Erneuerung noch nicht richtig kommuniziert wurde. Wie sich die SPD in den
nächsten Monaten weiterentwickelt, ist für Experten allerdings schon jetzt
deutlich absehbar.
## November 2018
Demnach werden einzelne Parteigrößen schon im November damit beginnen,
gezielt mit Rücktritten zu drohen – ein Verfahren, mit dem schon die CSU
die Herzen der Menschen im Sturm zu erobern wusste. Erst will Andrea Nahles
ihren Rücktritt ankündigen, um damit eine Rücktrittsandrohung von Olaf
Scholz zu provozieren. Es folgt ein Rücktritt vom Rücktritt für Martin
Schulz, der für die versemmelte Bundestagswahl im Jahr 2017 jetzt doch
nicht mehr die Verantwortung übernehmen will. In der Folge warnt Kevin
Kühnert die Partei, beim Rückzug Schulzens eventuell fällige
Schönheitsreparaturen in der Berliner SPD-Zentrale auf den Nachmieter
umzulegen – ein Schritt, der auch in Juso-Kreisen als „zu krass“ empfunden
wird.
## Dezember 2018
Die nun eingetretene Situation, die unter dem Namen „Würselener Standoff“
bekannt wird, ist so verfahren, dass unmittelbar ein Sonderparteitag
einberufen wird – um festzustellen, ob überhaupt noch irgendjemand Ämter in
der SPD innehat. Nach der erleichterten Feststellung, dass keiner wirklich
ernst mit seinen Drohungen gemacht hat und alle weiterwurschteln können wie
bisher, hält die Vorsitzende Andrea Nahles eine flammende Rede, in der sie
versehentlich das Ende des Versailler Vertrags und einen Angriffskrieg auf
Polen fordert. Die Stimmung an der Basis ist gereizt, gleichzeitig betont
Olaf Scholz, dass man sich als altgediente SPD ja schon ganz andere Bären
habe aufbinden lassen, außerdem sei solch ein Krieg immer auch ein
Jobmotor. Damit lassen sich auch Parteilinke einstweilen zufriedenstellen.
## Januar 2019
Aktuellen Befragungen zufolge steht die SPD derzeit bei 4,6 Prozent, was
von Scholz vor allem als Chance begriffen wird: Der Prozentsatz an
SPD-Wählern in der Bevölkerung nähere sich allmählich dem Prozentsatz von
SPD-Mitgliedern an, was im Umkehrschluss bedeute, dass jedes SPD-Mitglied
immer auch als potenzieller SPD-Wähler zu verstehen sei. Die Konsequenz
daraus ist eine gewaltige Werbeoffensive: Jedes neue SPD-Mitglied erhält
500 Euro in bar, ein exklusives Zwilling-Messerset und darf bei einem
Besuch der Hansestadt Hamburg kostenlos in die scheußliche Elbphilharmonie.
Um diesen finanziellen Kraftakt zu stemmen, löst Nahles nach der
Historischen Kommission nun auch die Kulturkommission, die kulinarische
Kommission und vor allem die Programmkommission auf: „Wir haben ohnehin
kaum Spielraum in der großen Koalition, da ist ein eigenes Parteiprogramm
vertane Zeit“, lässt Nahles die auf einen monatlich erscheinenden
Bierdeckel zusammengeschrumpfte Parteizeitung Vorwärts wissen.
## Februar 2019
Im Hochwinter ist es so weit: Die SPD taucht bei der Sonntagsfrage erstmals
unter „Sonstige“ auf. In einem intern stark umstrittenen
WhatsApp-Nachrichtenverlauf mahnt Kevin Kühnert, noch einmal, über einen
Austritt aus der Großen Koalition nachzudenken; ein Vorschlag, der
allgemein als mutige, wenn auch etwas voreilige Intervention verstanden
wird. „Wir können Merkel das nicht verkaufen“, mahnt Olaf Scholz mit
Verweis auf den Koalitionsvertrag, in welchem hohe Vertragsstrafen für
einen vorzeitigen Bruch der Regierung vorgesehen sind.
## Mai 2019
Bei den Bremer Bürgerschaftswahlen Ende Mai erhält die SPD das erste
negative Wahlergebnis in der Geschichte der parlamentarischen Demokratie:
Sieben Prozent unter Null lautet das amtliche Endergebnis! Obwohl die
Möglichkeit der Wahlmanipulation nicht ausgeschlossen werden kann, folgt
die SPD Bremen ihrer demokratischen Verpflichtung und lässt 21 designierte
Listenkandidaten nach einem internen Tribunal im Hof des
Willy-Brandt-Hauses exekutieren. „Dies dient auch dem Zweck, in der
Bevölkerung verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen“, so Andrea
Nahles.
## Juni 2019
Mitte Juni besetzen die Jusos unter Kevin Kühnert die Berliner
Parteizentrale. Laute Sprechchöre erschallen in den sonst menschenleeren
Gängen; mit frechen Sprüchen wie „Umdenken jetzt!“ und „Eine andere SPD…
vielleicht möglich!“ und „Keine Gewalt gegen gewählte Parteifunktionäre!…
machen sie auf ihre brennenden Sorgen und Nöte aufmerksam.
Interims-Parteichef Scholz verkündet, die Bedenken der Protestierenden
sorgfältig prüfen zu wollen, allerdings erst nach seiner Bestätigung als
Parteivorsitzender auf dem nächsten Bundesparteitag: „Ich kann schlecht
Veränderungen bewirken, wenn ich nicht mehr Amt bin“, so Scholz mit
hanseatischer Noblesse.
## Juli 2019
Im Sommer steht hoher Besuch ins Haus: Die OECD entsendet eine Gruppe von
Sonderermittlern, die prüfen soll, ob die Demütigungen für die SPD bereits
ein Niveau erreicht haben, das der Verfolgung bedrohter Völker ähnelt oder
gleichkommt. Die Ermittlungen der internationalen Organisation werden durch
den Umstand erschwert, dass das Willy-Brandt-Haus gerade versteigert wird –
„um die Reformprozesse zu finanzieren“, so die Begründung von Andrea
Nahles. Sie hat den amtlichen Sitz der Partei kurzerhand auf die Balearen,
genauer: nach Palma de Mallorca verlegt, da sie der Anblick der übrigen
Parteimitglieder „zu stark runterziehe“.
## August 2019
Mitten im Hochsommer verkündet Angela Merkel Neuwahlen – aus Scham! Sie
werde immer öfter von anderen Regierungschefs ausgelacht für die
zerfahrenen Gestalten, mit denen sie die Kabinettssitzungen abhalte, und
überhaupt müsse man dem Erfolg der mittlerweile auf 31 Prozent
angeschwollenen Grünen Rechnung tragen. Nach der Wahl ist die neue
schwarz-grüne Regierung entsetzt, in den Büros extrem verwahrloste SPDler
vorzufinden. Die stark unter Hospitalismus leidenden, zutiefst
traumatisierten Sozis glauben tatsächlich, immer noch an der Macht zu sein,
stempeln Küchenkrepp als halluzinierte „Gesetzesvorlagen“ ab. Aus Mitleid
zahlt man ihre Bezüge weiter und überlässt ihnen einen freistehenden Flügel
des Kanzleramts.
## September 2019
In einer internen Mail bittet Kevin Kühnert den Parteivorstand, erneut zu
überprüfen, ob ein Austritt aus der Großen Koalition nicht doch im Bereich
des Möglichen liege.
3 Nov 2018
## AUTOREN
Leo Fischer
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