# taz.de -- Streit um landeseigene Grundstücke: Land und Bezirke blockieren Fo… | |
> Senat und Bezirke zanken sich um die letzten Grundstücke in Landesbesitz. | |
> Starke Argumente haben beiden Seiten, wie ein Beispiel aus Lichterfelde | |
> zeigt. | |
Bild: Objekt der Begierde: Das einstige Telefunkenwerk in Lichterfelde | |
Hinter dem Maschendrahtzaun am Osteweg 63 in Lichterfelde befindet sich ein | |
Streifen Beton, etwa 100 Meter lang, vielleicht 40 Meter breit. Das Unkraut | |
steht hoch, der gegenüber liegende Gebäuderiegel der einstigen | |
Telefunkenwerke leer. Um die alte Fabrik und den Streifen Beton gibt es | |
Streit: Der Senat will auf dem Grundstück Osteweg 63 Wohnungen für | |
Geflüchtete bauen; der Bezirk hingegen möchte hier eine Schule nebst | |
Turnhalle realisieren. Der jeweilige Bedarf, beteuern beide Seiten, sei | |
dringend. | |
„Die Schülerzahlen im Bezirk steigen, wir brauchen Schulen“, sagt Cerstin | |
Richter-Kotowski (CDU), Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf. | |
Allein am Osteweg sind in den vergangenen Jahren 4.000 Wohnungen für rund | |
12.000 Menschen entstanden. Viele jungen Familien leben hier. Die nächste | |
öffentliche Grundschule, die Schweizerhof-Grundschule, ist aber zwei | |
Kilometer Fußweg entfernt. | |
Bereits seit 2014 fordert der Bezirk die beiden Grundstücke Osteweg 63 und | |
53 (das Telefunken-Gebäude) vom Land zurück. Auf der Brache will der Bezirk | |
eine Turnhalle bauen lassen. Das alte Gebäude soll saniert und dann von der | |
Anna-Essinger-Gemeinschaftsschule genutzt werden, die derzeit auf zwei | |
Standorte verteilt ist – wodurch anderswo im Bezirk Schulplatzkapazitäten | |
frei würden. | |
## Kaputte Schulen | |
Und noch aus einem anderen Grund hätte der Bezirk die Grundstücke gerne | |
wieder: „Wir möchten dort die Schulen auslagern, die grundsaniert werden | |
müssen“, sagt Richter-Kotowski. Steglitz-Zehlendorf hat berlinweit den | |
höchsten Sanierungsbedarf bei Schulgebäuden und die teuersten | |
„Großschadensfälle“. „Als der Senat 2017 die Pläne für die | |
Flüchtlingsunterkunft öffentlich gemacht hat, habe ich dem deshalb sofort | |
widersprochen“, beteuert Richter-Kotowski. Denn ohne Turnhalle könne der | |
Schulstandort nicht realisiert werden. | |
„Das Land Berlin ist zur menschenwürdigen Unterbringung der zu uns | |
gekommenen Personen verpflichtet“, kontert die Finanzverwaltung von Senator | |
Matthias Kollatz (SPD). Gerade Unterkünfte wie am Osteweg, die langfristig | |
mal als ganz normale Wohnhäuser für eine gemischte Mieterschaft | |
funktionieren sollen, seien nötig. | |
Und: Der Bezirk selbst habe den Osteweg 63 im vergangenen Jahr für den Bau | |
einer MUF – Amtssprech für modulare Unterkunft für Flüchtlinge – | |
vorgeschlagen, beziehungsweise es versäumt, einen geeigneten Ersatzstandort | |
zu benennen. Stimmt so nicht, widerspricht Richter-Kotowski. Lediglich aus | |
Mangel an Alternativen habe man den Osteweg auf der Senatsliste für die | |
MUF-Bauten belassen – „aber versehen mit der niedrigsten Priorität“. | |
Der Konflikt in Lichterfelde ist exemplarisch dafür, wie hart der Kampf um | |
die knappen landeseigenen Grundstücke in dieser Stadt geworden ist – und | |
wie lähmend dabei das Verantwortlichkeits-Pingpong zwischen Senat und | |
Bezirken sein kann. Im Fall Osteweg 63 sitzt der Senat am längeren Hebel. | |
Das Grundstück gehört der Berliner Immobilienmanagement GmbH, kurz BIM, die | |
sich um die landeseigenen Grundstücke kümmert. Laut einer Sprecherin des | |
Finanzsenators habe die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Bauherrin | |
bereits mit der Detailplanung für den Bau einer viergeschossigen Unterkunft | |
für rund 220 Menschen begonnen. Baubeginn: noch unklar. | |
## Initiative gegründet | |
Inzwischen hat sich eine Bürgerinitiative „Schulstandort Osteweg“ | |
gegründet. Seit Ende Mai hat sie mehr als 2.000 Unterschriften gegen die | |
Senatspläne gesammelt (siehe Kasten). Carsten Knorr, einer der Initiatoren, | |
sagt, es gehe keinesfalls darum, Wohnungen für Geflüchtete zu verhindern. | |
„Aber dieses Grundstück kann nur ein absoluter Laie für geeignet befunden | |
haben.“ Knorr zeigt in Richtung des schmalen Betonstreifens und betont: | |
„Wenn Sie hier bauen, weiß ich nicht, wo man da zum Beispiel auch noch | |
einen Spielplatz unterbringen will.“ Immerhin sei die MUF ja besonders für | |
junge Familien gedacht. | |
Die Finanzverwaltung widerspricht: Man habe einen Bedarf von 4.500 | |
Quadratmetern errechnet, das Grundstück sei knapp 5.700 Quadratmeter groß. | |
Im übrigen handele es sich bei den zukünftigen BewohnerInnen um einen | |
bereits gut integrierten Personenkreis, da sei der „Gemeinflächenbedarf“ | |
geringer – auch wenn selbstverständlich Investitionen zum Beispiel in | |
Schulen oder eine Sporthalle nötig seien. Aber das sei Bezirkssache. | |
„Diese Argumentation ist an Zynismus nicht zu überbieten“, findet wiederum | |
Knorr. Der Senat verhindere einen Schul- und Turnhallenstandort, fordere | |
dann eben diesen und verstecke sich dabei hinter dem Bezirk. Der wiederum | |
hebt in Gestalt der Bezirksbürgermeisterin auch nur hilflos die Hände und | |
sagt: Sorry, geeignete Grundstücke sind aus.Die Initiative bringt nun | |
ihrerseits zwei landeseigene Areale am Ostpreußendamm und am | |
Hohentwielsteig ins Gespräch. Die allerdings sind aus Sicht der | |
Finanzverwaltung völlig ungeeignet. | |
## Geld spielt keine Rolle mehr | |
Vor zehn Jahren war der Osteweg übrigens schon mal als Schulstandort im | |
Gespräch. 2011 wurden die Pläne eingestampft, dem damaligen Bezirksamt | |
wurde es zu teuer. Die Grundstücke gingen ans Land. Inzwischen spielt Geld | |
keine Rolle mehr, der Schulbau ist in den kommenden Jahren das größte | |
Investitionsvorhaben Berlins. Nur der Grund und Boden, auf dem das alles | |
realisiert werden soll, der ist knapper und umkämpfter denn je. | |
26 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
## TAGS | |
Steglitz | |
Berliner Bezirke | |
Matthias Kollatz-Ahnen | |
Stadtentwicklung | |
Finanzsenator Matthias Kollatz | |
Flüchtlinge | |
BSR | |
Grüne Berlin | |
R2G Berlin | |
Zweckentfremdungsverbot | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Senat: Rot-Rot-Grün setzt auf Reserve | |
Die Landesregierung will Grundstücke für die Zukunft horten, um flexibel zu | |
bleiben – und nicht unter Druck zu geraten. | |
Streit um Flüchtlingsunterkunft: Schule oder MUF? | |
Trotz des Widerstands von Bezirk und einer Bürgerinitiative will die | |
Finanzverwaltung eine Modulare Flüchtlingsunterkunft in Zehlendorf bauen. | |
Berliner Stadtreinigung: Besen schwingen im Park | |
Die Chefin der Stadtreinigung möchte alle Berliner Grünanlagen von der BSR | |
reinigen lassen. 130 Millionen soll das im Jahr kosten. Bezirke bekommen | |
viel weniger. | |
Mehr Neubau in Berlin: Wohnungen statt Bäume | |
Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) reagiert auf den Druck der SPD und | |
will den Wohnungsbau beschleunigen. Die Grünen kritisieren die Vorschläge | |
scharf. | |
Wohnungsneubau in Berlin: Wie lange hält die neue Liebe? | |
Bei der Besichtigung städtischer Neubauprojekte zeigen Michael Müller (SPD) | |
und Katrin Lompscher (Linke) demonstrativ Einigkeit. Der Friede kann beiden | |
nur nützen. | |
Ferienwohnungen in Berlin: Willkommen in der Illegalität | |
Ab Mittwoch braucht jede Ferienwohnung eine Registriernummer. Doch kaum ein | |
Anbieter hat sie beantragt. Jetzt drohen hohe Strafen. |