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# taz.de -- Wohnungsneubau in Berlin: Wie lange hält die neue Liebe?
> Bei der Besichtigung städtischer Neubauprojekte zeigen Michael Müller
> (SPD) und Katrin Lompscher (Linke) demonstrativ Einigkeit. Der Friede
> kann beiden nur nützen.
Bild: Bausenatorin und Regierender Bürgermeister besichtigen eine Neubauwohnun…
So viel Andrang hatte David Eberhard nicht erwartet. Der Sprecher des
Verbandes Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU hatte vor zwei
Jahren schon einmal eine Neubautour organisiert – damals allerdings mit
mäßigem Erfolg.
An diesem Freitag aber war der Bus bis auf den letzten Platz ausgebucht.
Nicht nur Berliner Journalisten hatten sich angemeldet, sondern auch
überregionale Medien. Kein Wunder, denn mit an Bord war neben Bausenatorin
Katrin Lompscher (Linke) auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael
Müller (SPD).
Politischer Streit auf offener rot-rot-grüner Bühne war also zumindest
nicht ausgeschlossen. Erst im Juli waren Müller und Lompscher bei der
Senatsklausur aneinandergeraten.
Der Regierende hatte die Bausenatorin angezählt, weil diese einräumen
musste, dass die sechs landeseigenen Gesellschaften die geplanten 30.000
neuen Wohnungen in dieser Legislaturperiode nicht schaffen würden.
## Schlechte Laune noch auf der Senatsklausur
Die Linke wiederum machte die SPD dafür mitverantwortlich: Lompscher müsse
„eine schwierige Situation aufarbeiten, nachdem es nicht wenige
Versäumnisse in den vergangenen Legislaturperioden gegeben hat“, sagte
Fraktionschef Udo Wolf dem Neuen Deutschland und spielte damit auf die Zeit
an, in der Müller selbst Bausenator gewesen war. Schlechte Laune, hieß es
hinterher aus Koalitionskreisen, habe es auf der Senatsklausur gegeben.
Nun also eine gemeinsame Tour, die zeigen sollte, dass die landeseigenen
Gesellschaften doch bauen können. Sechs Neubauprojekte von Gesobau,
Gewobag, Degewo, Howoge, Stadt und Land sowie der WBM standen zur
Besichtigung. Und dazu die Frage, ob Müller und Lompscher das Kriegsbeil
begraben würden – oder ob Müller an Bord gekommen war, um Lompscher ein
weiteres Mal anzuzählen.
Ganz so, wie es die Junge Union forderte, die beim Auftakt in Pankow zu
einer kleinen Kundgebung Aufstellung genommen hatte: „Wir wollen wohnen“,
skandierten sie und, an die Adresse Müllers gerichtet: „Entlassen Sie Frau
Lompscher!“
Am Ende des Tages war Lompscher immer noch im Amt. Schon zu Beginn der Tour
hatte Müller die Kollegin mit „liebe Katrin Lompscher“ angesprochen. Über
die Sitzordnung – Lompscher saß eine Reihe vor ihm – scherzte Müller, das
habe eine Arbeitsgruppe aus Senatskanzlei und Bauverwaltung mühsam
aushandeln müssen.
## „Alles, was die Senatorin braucht…“
Tatsächlich demonstrierten Müller und Lompscher eine nicht mehr für möglich
gehaltene Einigkeit. Gefragt, wo für sie die Prioritäten lägen, antwortete
die Bausenatorin während eines Pressegesprächs im Bus, sie verfolge „zwei
Säulen“: „Einmal den Schutz der Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung. Z…
Zweiten den Neubau.“ Lompscher sagte also das, was sie immer sagt und was
immer wieder auch Anlass für Kritik der SPD gewesen war, die ihre
Prioritäten eindeutig im Neubau sieht.
Umso überraschender war es, dass Müller diese Position nicht wiederholte,
sondern Lompscher ausdrücklich Unterstützung zusicherte: „Alles, was die
Senatorin braucht, um die Ziele, die wir uns vorgenommen haben, zu
erreichen, wird aus dem Roten Rathaus organisiert.“
Nicht einmal das Mantra „Bauen, bauen, bauen“ wiederholte der Regierende
Bürgermeister, sondern betonte, wie wichtig etwa das Vorkaufsrecht der
Bezirke sei. Dazu sei aber nötig, dass noch mehr Milieuschutzgebiete
ausgewiesen würden. Müller nannte als negatives Beispiel das schwarz-grün
regierte Steglitz-Zehlendorf, wo es noch immer keine Schutzmöglichkeiten
für Mieterinnen und Mieter gibt.
Lompscher wiederum sicherte dem Regierenden Bürgermeister Unterstützung bei
seinen Bemühungen zu, den Siemens Campus nach Berlin zu holen: „Dann können
auch in der Siemensstadt neue Wohnungen gebaut werden.“
## Ist das Kriegsbeil begraben?
Ist das Kriegsbeil also begraben? Oder herrscht nur ein Burgfrieden?
Zumindest hat die SPD gemerkt, dass sie von Dauerattacken nicht profitiert.
Zuletzt lagen die Berliner Sozialdemokraten in Umfragen nur noch bei 17
Prozent, während die Linke auf 21 Prozent kletterte. Gute Ratschläge von
schlechten Verlierern – das kommt nicht gut an.
Und vielleicht hat Michael Müller auch eingesehen, dass die ausschließliche
Orientierung auf Neubau bei vielen den Eindruck erweckt, als konzentriere
sich die Politik nur auf Neuberliner. Lompschers Bestandspolitik dagegen
schützt auch die, die da sind – eine Klientel, die auch die SPD nicht
vernachlässigen darf.
Zumal es Müller selbst war, der als Bausenator viele Instrumente wie das
Umwandlungsverbot oder das mietdämpfende Bündnis mit den landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften auf den Weg gebracht hat.
Aber auch eine andere Tatsache mag die SPD zum Umdenken gebracht haben.
Schon bei der Vorstellung des jährlichen Wohnungsmarktberichts der
Investitionsbank Berlin (IBB) im Mai hatte deren Chef Jürgen Allerkamp von
steigenden Neubauzahlen und Baugenehmigungen gesprochen. „Wir sind auf
einem guten Weg“, lobte Allerkamp damit auch die Bausenatorin.
## Koalitionsbruch will keiner
Und auch die Wohnungsbaugesellschaften wissen offenbar, was sie an
Lompscher haben. An einem Bruch der Koalition kann ihnen nicht gelegen
sein, weil ein CDU-Senat deutlich mehr auf private Bauträger setzen würde.
Also sicherte der Sprecher der landeseigenen Gesellschaften, Gesobau-Chef
Jörg Franzen, dem Senat – etwa beim Erwerb von Wohnungen und Flächen des
Bundes – seine Unterstützung zu.
„Wir würden uns aber auch freuen, wenn Flächen, die derzeit zurückgestellt
sind, wieder aktiviert werden könnten“, sagte Franzen – eine Anspielung auf
das Tempelhofer Feld und die Elisabethaue in Pankow.
Wie lange wird der Friede dauern? Bis Ende des Monats soll Lompscher ein
Konzept vorlegen, wie der Wohnungsbau beschleunigt werden kann. Denn statt
der anvisierten 30.000 landeseigenen Wohnungen werden bis 2021 wohl nur
25.000 fertig. Das birgt weiter viel Potenzial für Streit – aber auch
dafür, gemeinsam die Ärmel hochkrempeln zu wollen.
26 Aug 2018
## AUTOREN
Uwe Rada
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