| # taz.de -- Müller versus Lompscher: Der Streit um einen Plan | |
| > Kurz vor seiner Verabschiedung stoppt Michael Müller den | |
| > Stadtentwicklungsplan Wohnen. Im Rat der Bürgermeister knallt es. Was ist | |
| > das für ein Plan? | |
| Bild: Lichtenberg ist der Bezirk der vielen Gesichter | |
| Er ist Regierender Bürgermeister, Wissenschaftssenator, und ein bisschen | |
| fühlt sich Michael Müller (SPD) wohl noch als Bausenator. Jedenfalls ist | |
| Müller am Dienstag extra aus dem Sommerurlaub zurückgekehrt, um bei der | |
| Senatssitzung den Stadtentwicklungsplan Wohnen zu stoppen. Zuvor war das | |
| Papier aus dem Hause der offiziellen Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) | |
| von den Staatssekretären der rot-rot-grünen Koalition abgesegnet worden. | |
| Einer, der Müller für diesen Alleingang scharf kritisiert hat, ist | |
| Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst. Der Linken-Politiker | |
| zitierte auf Facebook ein afrikanisches Sprichwort: „Wenn du schnell gehen | |
| willst, dann geh alleine. Wenn du weit gehen willst, dann musst du mit | |
| anderen zusammen gehen.“ Deutliche Worte – aber ist dieser | |
| Stadtentwicklungsplan (kurz: Step) überhaupt den Zwist wert, den er in der | |
| Koalition ausgelöst hat? | |
| Tatsächlich ist der 100-seitige Entwurf zunächst nichts anderes als eine | |
| Auflistung der Wohnungsbaupotenziale in Berlin. Den größten Brocken nehmen | |
| dabei die sogenannten 14 neuen Stadtquartiere ein. Auf den Buckower | |
| Feldern, in der Wasserstadt Oberhavel oder im Blankenburger Süden sollen | |
| sie entstehen. Das Tempelhofer Feld und die Elisabeth-Aue in Pankow gehören | |
| nicht dazu. Bei diesen 14 Quartieren gehört der größte Teil des Grund und | |
| Bodens dem Land. Bauen sollen die landeseigenen Wohnungsgesellschaften, | |
| aber auch Genossenschaften. | |
| Weitere Potenziale sieht der Plan in „Wohnungsneubaustandorten ab 200 | |
| Wohnungen“, die über die zwölf Berliner Bezirke verteilt sind. Als dritter | |
| Schwerpunkt ist die „Weiterentwicklung bestehender Siedlungen“ geplant. | |
| Insgesamt erkennt der Plan Potenziale für 200.000 neue Wohnungen bis 2030. | |
| Die Hälfte davon soll gemeinwohlorientiert, also von | |
| Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften, gebaut werden. Aber auch | |
| private Bauherren zählen dazu, wenn sie Fördermittel nutzen und ein Drittel | |
| der Wohnungen als Sozialwohnungen vermieten. | |
| Der Bezirk des Linken-Bürgermeisters Michael Grunst ist im Step Wohnen | |
| nicht mit einem der 14 neuen Stadtquartiere vertreten. „Aber wir bauen auch | |
| in Lichtenberg wie die Weltmeister“, sagt Grunst der taz. Und das ist auch | |
| nötig, schließlich wächst neben Pankow kein Bezirk so schnell wie | |
| Lichtenberg. „2012 hatten wir noch 260.000 Einwohner, inzwischen sind wir | |
| bei 290.000“, so Grunst. Die gute Nachricht für die Mieterinnen und Mieter: | |
| „Bei uns sind zwei Drittel des Wohnungsbestands im Besitz der städtischen | |
| Wohnungsbaugesellschaften und von Genossenschaften.“ Vor allem die | |
| landeseigene Howoge ist mit 55.000 Wohnungen der große Player im Bezirk. | |
| Dass nun ausgerechnet der Stadtentwicklungsplan das Bauen in seinem Bezirk | |
| noch einmal befeuern könnte, glaubt Grunst nicht. „Bis 2030 sind in | |
| Lichtenberg Potenziale von 10.000 bis 15.000 Wohnungen identifiziert“, | |
| rechnet er vor. Darin seien die Baulücken, in denen man ohne Bebauungspläne | |
| bauen kann, noch nicht einmal enthalten. „Unser Problem ist nicht das | |
| Bauen, sondern die Infrastruktur“, weiß der Bezirksbürgermeister. „Wir | |
| kommen mit der Verkehrsanbindung, mit Schulen und Kitas nicht mehr | |
| hinterher.“ | |
| Vor allem bei Bürgerversammlungen sei das ein Thema. „Außerhalb des | |
| S-Bahn-Rings sind wir in den vergangenen Jahren keinen Schritt weiter | |
| gekommen“, kritisiert Grunst. „Weder gibt es die Tangentialverbindung Ost | |
| noch die Ortsumgehung Ahrensfelde oder neue Radwege.“ Was den | |
| Schienenverkehr betrifft, plädiert er sogar dafür, noch größer zu denken. | |
| „Wir müssen perspektivisch schauen, ob wir einen zweiten S-Bahn-Ring | |
| brauchen.“ | |
| All das spielt im Entwurf des Step Wohnen keine Rolle. Wohl aber die | |
| prognostizierte Entwicklung der Bevölkerung: Den Potenzialen von 200.000 | |
| Wohnungen stellt der Plan einen Bedarf von 194.000 Wohnungen gegenüber. Die | |
| Rechnung, die dem zugrunde liegt, basiert auf der aktuellen | |
| Bevölkerungsprognose. Jährlich müssten also 20.000 Wohnungen gebaut werden. | |
| Doch das ist dem Regierenden zu wenig. Er verweist darauf, dass die | |
| aktuelle Bevölkerungsprognose schon wieder von der Realität überholt sei. | |
| Aber letztlich soll das nicht der eigentliche Grund für den Streit zwischen | |
| Müller und Lompscher sein, die sich schon so manches Mal über das Wie und | |
| Wieviel beim Wohnungsbau gezofft haben. „Wichtiger ist, dass wir endlich | |
| mal anfangen, das zu bauen, was wir in der Pipeline haben“, heißt es aus | |
| Müllers Senatskanzlei. | |
| Der Regierungschef hatte für die jüngste Senatssitzung von Lompschers | |
| Bauverwaltung einen Vorschlag erwartet, klar festzuschreiben, dass man mehr | |
| und schneller bauen will. So sei es Anfang Juli im Senat verabredet | |
| gewesen. Ein solches Bekenntnis zu mehr Anstrengung habe es aber am | |
| Dienstag nicht gegeben, heißt es, stattdessen bloß eine Darstellung | |
| bisheriger, aus Müllers Sicht nicht ausreichender Bemühungen. In anderthalb | |
| Wochen soll es einen neuen Anlauf geben. | |
| Wird es dann Ruhe um den Stadtentwicklungsplan geben? Zweifel sind erlaubt. | |
| Bei der Sitzung des Rats der Bürgermeister am Donnerstag, heiß es von | |
| verschiedenen Seiten, soll es ordentlich „gescheppert“ haben. | |
| 25 Jul 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
| Uwe Rada | |
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