# taz.de -- Abgeordnetenhaus: Zwischen Recht und Gesetz | |
> Die CDU pocht im Bauausschuss auf das Grundgesetz, die SPD konstatiert | |
> „unterschiedliche Meinungen“ bei R2G und Regierungschef Müller ist sauer | |
> auf seine Koalitionspartner | |
Bild: Ärgert sich wegen der Hausbesetzung weiter über Linke und Grüne: Micha… | |
„Frau Senatorin, bekennen Sie sich ausdrücklich zum Grundgesetz?“ Der | |
CDU-Abgeordnete Christian Gräff will es in Saal 311 des Abgeordnetenhauses, | |
wo gerade der Stadtentwicklungsausschuss tagt, genau wissen. Und | |
Bausenatorin Katrin Lompscher von der Linkspartei hat kein Problem mit der | |
Antwort: „Das kann ich bejahen.“ Es ist eine der wenigen nüchternen | |
Aussagen in einem emotionalen Nachklapp zur Neuköllner Hausbesetzung am | |
Pfingstsonntag. Wo die Christdemokraten einen Skandal vermuten, sieht die | |
Linksfraktion nur „eine PR-Nummer und eine inhaltslose Debatte“. | |
Die Diskussion ist auf Drängen der CDU nachträglich noch auf eine | |
Tagesordnung gekommen, die mit Themen wie Quartiersräten, dem Streit um die | |
Zukunft des Flughafens Tegel und das Straßen-Großbauprojekt TVO ohnehin | |
schon dicht war. Und die Koalition macht nicht den Eindruck, als hätte sie | |
übergroßes Interesse, dass am Ende wirklich noch genug Zeit für eine | |
Nachlese zur Besetzung bleibt. Da will der eine oder andere schon mal etwas | |
ganz grundsätzlich wissen und macht noch eine Extra-Ausführung, was den | |
CDU-Mann Gräff immer wieder zu protestierenden Zwischenrufen veranlasst. | |
Hintergrund des Ganzen ist die billigende Haltung von Grünen und Linken zur | |
Besetzung, die sie als „politische Aktion“ bezeichnen und für legitim | |
halten und auch an diesem Mittwochmittag so argumentiert. Führende Köpfe | |
der SPD hingegen haben eine Besetzung als Rechtsbruch eingeordnet, „Der | |
Zweck heiligt nicht die Mittel“, sagte Regierungschef Michael Müller der | |
taz am Tag nach der Besetzung. | |
Als Iris Spranger, die führende Baupolitikerin der SPD-Fraktion, das auch | |
im Ausschusssaal klar macht, grollt Donner zum offenen Fenster herein, was | |
in der Opposition den Ruf „Koalitionskrach“ auslöst. Für Spranger ein zu | |
starker Begriff: Man könne durchaus in einer Koalition mal | |
unterschiedlicher Meinung sein. Anlass zur „Koalitionskrach“-Vermutung hat | |
allerdings der oberste Berliner Sozialdemokrat selbst gegeben: Als | |
„Skandal“ soll Michael Müller tags zuvor in der Senatssitzung die Haltung | |
seiner Koalitionspartner zu Hausbesetzungen bezeichnet haben. | |
Im Ausschuss wird die Sache mit dem Rechtsbruch zunehmend zur Frage | |
persönlicher Haltung. Sie wisse nicht, warum Gräff in die Politik gegangen | |
sei, sagt die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger, „ich mache Politik, | |
um Gesetze zu verändern“. Dass man eine Gesetzeslage etwas anders bewerte – | |
„ha, etwas anders!“, ruft Gräff dazwischen –, heiße nicht, dass man sich | |
nicht auf dem Boden des Grundgesetzes bewege, argumentiert die Grüne. | |
Gräffs Gesicht würde, wenn nicht schon gut gebräunt, nun vermutlich | |
dunkelrot gefärbt sein. Ein Skandal sei das, findet er. Er bewertet | |
Schmidbergers Worte so, dass für die Grüne heutiges Recht nicht gilt, weil | |
sie es ändern würde. „Sie schaffen auch damit ein Klima, dass Menschen | |
gegen Recht verstoßen“, sagt der CDU-Mann, „ich bin unfassbar schockiert.�… | |
Unterstützung bekommt er von FDP-Mann Stefan Förster: Schmidbergs Haltung | |
sei „nicht das Rechtsstaatsverständnis, das wir brauchen“. | |
Die Debatte endet aus Zeitgründen nach einer Dreiviertelstunde, Argumente | |
und Vorwürfe sind auch ausgetauscht. Gräff allerdings, der sich wegen einer | |
Formalie noch mit der Ausschussvorsitzenden von der SPD beharkt, wirkt | |
nicht so, als ob der das Thema in Saal 311 nicht wieder ansprechen wird. | |
30 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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