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# taz.de -- Pressefreiheit in Sachsen: Pegidisten als Hilfspolizei
> Bei einer Anti-Merkel-Demo in Dresden wird ein ZDF-Team an der Arbeit
> gehindert. Die Polizei pfeift die Journalisten zurück. Ein Zwischenruf.
Bild: Schützt die sächsische Polizei eher DemonstrantInnen als die Pressefrei…
Ein Eingriff in die Pressefreiheit ist in Deutschland beunruhigend einfach
geworden. Es reichen dafür: Ein Pegida-Demonstrant mit Deutschlandhut, der
pseudojuristische Vokabeln gelernt hat. Ein paar Polizisten, die sich
einlullen lassen. Und ein Ministerpräsident, [1][der ohne Not die
Journalisten diskreditiert]. Bei dem Vorfall vergangene Woche in Dresden
könnte man einfach eine verbale Rangelei um ein Kamerateam auf irgendeiner
Demo sehen. Aber bei näherem Hinsehen wird klar, dass das Land, in dem so
ein Vorgang Alltag würde, ein Problem hätte.
Der Reihe nach. Am Donnerstag vergangener Woche reist die Kanzlerin nach
Sachsen. Vom Maschinenbauer Trumpf in Neukirch geht es in den Dresdener
Landtag und abends auf das Sommerfest der CDU-Fraktion. In Dresden
protestieren ein paar hundert Anhänger von Pegida und der AfD. Vom Landtag
aus ziehen die Rechten zur nächsten Station. Ein Kameramann im Auftrag des
ZDF filmt die Kundgebung. Im Hintergrund schallt es „Lügenpresse“.
Ein Demonstrant mit Deutschlandhut und Sonnenbrille ruft: „Hören Sie auf
mich zu filmen.“ Kameramann: „Gehen Sie doch weiter.“ Demonstrant: „Hö…
Sie auf mich zu filmen. Sie halten die Kamera direkt auf mich zu. Sie
begehen eine Straftat.“ Kameramann: „Gehen Sie doch weiter.“ Demonstrant:
„Sie haben mich ins Gesicht gefilmt. Das dürfen Sie nicht. Frontalaufnahme.
Sie haben eine Straftat begangen. Wir klären das jetzt polizeilich.“
Andere pflichten dem Mann mit dem Hut bei. Dieser erreicht, dass ein
Polizeibeamter den Kameramann wegführt und seinen Presseausweis verlangt.
Inzwischen kommt der Kollege des Kameramanns hinzu, der freie Reporter
Arndt Ginzel, der schon seit Jahren für das ZDF-Magazin „Frontal 21“
arbeitet. Ein Polizist sagt: „Das ist jetzt eine polizeiliche Maßnahme.“
Ginzel: „Die sich gegen einen Kameramann richtet.“ Polizist: „Das ist jet…
erstmal vollkommen egal.“
## Das darf nicht Schule machen
Am Ende werden die Ausweise von Ginzel und seinem Kollegen mehrfach
kontrolliert, die Polizei filmt sie, es dauert. Ein anderer
Pegida-Demonstrant zeigt Ginzel wegen Beleidigung an, weil der ihn als
Hartz IV-Empfänger beschimpft habe. Ginzel sagt, er werde mit einem anderen
verwechselt, die Filmaufnahmen zeigten das. Die Polizei nimmt die Anzeige
auf. Die ganze Prozedur, sagt Ginzel, dauert rund 45 Minuten. Kurz vor
knapp kommen sie zu Merkels nächster Station, um ihre Arbeit zu machen.
Aufmerken lässt das Vokabular des Mannes mit dem Deutschlandhut:
„Strafbar“, „polizeilich“, „Frontalaufnahme“. Das klingt geschult. …
sagte sogar, er wolle den Kameramann vorläufig festsetzen. Die Rechten als
Rechtspfleger, Pegidisten als Hilfspolizisten – das darf nicht Schule
machen. Wenn sie damit Erfolg haben, dann werden sie mehr und mehr
versuchen, die Polizei zu involvieren.
Die rechte Bürgerinitiative Freital hat im Netz schon angefangen. Ginzel
habe in Dresden Demonstranten provoziert. Alle, denen Ähnliches passiert
sei, sollten den Journalisten „auf einer Polizeidienststelle des Freistaats
Sachsen“ melden und zur Anzeige bringen, wenn „solche Vorfälle nachzuweisen
sind.“
Ginzel verbreitet am Sonnabendfrüh [2][über Twitter und Facebook ein kurzes
Video der Vorfälle]. Auf den Tweet antwortet Sachsens Ministerpräsident
Michael Kretschmer (CDU): „Die einzigen Personen, die in diesem Video
seriös auftreten, sind Polizisten. Der Vorfall wird ohne Frage aufgeklärt.
Der Polizeipräsident hat auch schon angeboten mit den betroffenen
Journalisten zu sprechen.“
Man kann verstehen, dass ein Ministerpräsident sich hinter Polizeibeamte
stellt. Interessant ist jedoch seine Bewertung der Journalisten. Der
Reporter und sein Kameramann, die für das ZDF über eine Demonstration gegen
die Kanzlerin berichten: nicht seriös.
Ja, was ist denn seriös? Seriös ist das Grundgesetz, in dessen Artikel 5 es
heißt: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch
Rundfunk und Film werden gewährleistet.“ Seriös ist es da
selbstverständlich, wenn Journalisten Demonstranten filmen. Seriös wäre es,
wenn die Polizei sie davor schützt, an ihrer Arbeit gehindert zu werden.
Stattdessen veranstaltet die Polizei eine Maßnahme, deren Begründung
fadenscheinig und deren Umständlichkeit sagenhaft sind. Seriös wäre es,
wenn die Polizei die Behauptung eines Mannes, bei einer Demonstration nicht
gefilmt werden zu dürfen, ins Verhältnis setzt gegen das öffentliche
Interesse an der Berichterstattung.
Das ZDF muss sich wehren. Gut, dass es Aufklärung verlangt. Und Sachsens
Ministerpräsident muss sich zur Pressefreiheit bekennen. Das wäre seriös.
19 Aug 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/MPKretschmer/status/1030836322863329281
[2] https://twitter.com/GKDJournalisten/status/1030618683465523200
## AUTOREN
Georg Löwisch
## TAGS
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