# taz.de -- Neonazi-Aufmarsch in Berlin: Alte Nazis im linken Kiez | |
> Rechtsradikale wollten am Samstag in Berlin-Spandau demonstrieren. Wegen | |
> angekündigter Gegendemos wichen sie in die Innenstadt aus. | |
Bild: Kein Ort für Nazis: In Berlin waren am Samstag viel mehr Gegendemonstran… | |
Berlin taz | Wo sind sie denn nun, die Neonazis? In Berlin-Spandau | |
jedenfalls waren am Samstag kaum Rechtsradikale zu sehen. Dabei hatten sie | |
eigentlich zur alljährlichen Großdemonstration dort aufgerufen, um dem | |
Hitler-Vize Rudolf Heß zu gedenken, der sich am 17. Juli 1987 im alliierten | |
Kriegsverbrechergefängnis Spandau umgebracht hatte. | |
Dieses Jahr aber wichen die Rechten überraschend in die Berliner Innenstadt | |
aus. Einige hundert von ihnen zogen mit Flaggen und Bannern durch | |
Friedrichshain und Lichtenberg. Die Polizei gab an, es sei eine mittlere | |
dreistellige Zahl der Rechtsradikalen unterwegs gewesen. | |
Das einheitliche Outfit der Neonazis – weißes Hemd, schwarze Hose – sorgte | |
dabei nicht für die vermutlich eigentlich beabsichtigte Wirkung. „Guck mal, | |
die ganzen Kellner“, kommentierte einer der zahlreichen | |
GegendemonstrantInnen, die dafür sorgten, dass die Rechtsradikalen nicht | |
ungestört marschieren konnten. Andere versuchten direkt, lautstark | |
Essensbestellungen aufzugeben. | |
Zwischen 400 und 800 Menschen waren es laut der Polizei, die in der | |
Innenstadt an ihrer Meinung zu rechtem Gedankengut keinen Zweifel ließen. | |
„Haut ab“ schallte es den Neonazis immer wieder entgegen. Von denen war | |
dagegen außer gelegentlichen Pöbeleien und etwas klassischer Musik aus dem | |
Lautsprecher fast nichts zu hören. Immer wieder mussten die Rechtsradikalen | |
stehen bleiben, weil die Route durch linke AktivistInnen blockiert wurde. | |
## Die Neonazis wurden aus Spandau ferngehalten | |
Zu den Gegendemonstrationen hatte das Bündnis Berlin gegen Rechts | |
aufgerufen, dem unter anderem die Grüne Jugend, die Linke und Verdi, aber | |
auch Initiativen der Antifa angehören. Die OrganisatorInnen hatten | |
eigentlich damit gerechnet, dass die Neonazis wie in den Vorjahren nach | |
Spandau kommen würden, entsprechend sammelten sich die | |
GegendemonstrantInnen zuerst dort. Als gegen Mittag allerdings klar wurde, | |
dass die Rechtsradikalen nicht mehr auftauchen würden, machten sich viele | |
der rund 2.000 linken DemonstrantInnen auf in die Innenstadt. | |
„Ein Erfolg“, so die Sprecherin des lokalen Spandauer Bündnis gegen Rechts | |
Anne Düren. Schließlich sei es gelungen, die Neonazis aus dem Viertel | |
fernzuhalten. „Zum Kotzen“ fand sie dagegen das Verhalten der | |
Rechtsradikalen, die [1][mehrere Demonstrationen angemeldet hatten] um die | |
eigentliche Marschroute zu verschleiern. | |
Es half den Rechtsradikalen nicht viel. Als ihre Demo gegen 14 Uhr in | |
Friedrichshain begann, waren die Gegendemonstranten ebenfalls da. Die Lage | |
wurde nun zunehmend unübersichtlich, immer wieder kam es zu Rangeleien | |
zwischen GegendemonstrantInnen und der Berliner Polizei. | |
Deren Sprecher Thilo Cablitz zog nach Ende der Demonstrationen gegen 19 Uhr | |
dennoch ein verhalten positives Fazit. „Es blieb weitgehend friedlich“, | |
sagte er am Samstagabend. Gelegentlich hätten linke DemonstrantInnen | |
allerdings Steine und Flaschen auf Beamte und Neonazis geworfen, es sei zu | |
Festnahmen im unteren zweistelligen Bereich gekommen, außerdem sei ein LKW | |
in Flammen aufgegangen. Damit seien die Demonstrationen dieses Jahr ähnlich | |
unruhig verlaufen wie im letzten Jahr. | |
## Spendenlauf gegen Rechts | |
Im Vergleich zu damals fiel vor allem die Zahl der PolizistInnen auf, die | |
dieses Mal im Einsatz war. Laut Cablitz begleiteten rund 2.300 BeamtInnen | |
die Demonstrationen – mehr als doppelt so viele wie 2017. Die hohe Zahl | |
begründete der Polizeisprecher damit, dass dieses Mal schlicht eine größere | |
Fläche gesichert werden musste, auch die Behörden hätten im Vorfeld nicht | |
gewusst, ob die Nazis in Spandau oder in der Innenstadt demonstrieren | |
würden. | |
Der Ortswechsel änderte indessen nichts daran, dass die Neonazis | |
unfreiwillig an einem Spendenlauf teilnahmen, [2][den die Initiative Berlin | |
gegen Nazis organisiert hatte]. Für jeden Rechtsradikalen, der in Berlin | |
unterwegs war, spendeten Partner wie etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund | |
oder die Evangelische Kirche Berlin Mitte eine vorher festgelegte Summe. | |
„Uns ist dabei egal, wo die Nazis laufen“, sagte der Projektkoordinator Ulf | |
Baler. Laut ihm kamen dank der Rechtsradikalen 14.640 Euro zusammen. Das | |
Geld geht nun an die Organisation Seawatch, die im Mittelmeer Geflüchtete | |
rettet. | |
19 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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