# taz.de -- Kolumne Fremd und befremdlich: Gleiche Rechte unerwünscht | |
> Viele Firmen machen wegen schlechter Behandlung von | |
> Werksvertragsarbeitern von sich reden. Warum schaffen sie keine | |
> Gleichheit unter Arbeitern? | |
Bild: Tragen die gleichen Helme, werden aber unterschiedlich behandelt: Mitarbe… | |
Die arbeiten aufm Schloss, sagte der Taxifahrer grinsend über einige Männer | |
mit dunklen Gesichtern, die zusammengedrängt an einer Bushaltestelle | |
warteten. „Die arbeiten da für acht Euro. Aber dann wird ihnen das | |
Mittagessen abgezogen, obwohl sie gar kein Mittagessen kriegen. Und so | |
arbeiten sie dann für weniger als acht Euro. Man zieht einfach ein paar | |
Sachen ab, für irgendwas. So machen die das.“ | |
Das Schloss stand unweit unseres Ferienhauses und es beherbergte unter | |
anderem ein hochpreisiges Hotel und ein hochpreisiges Restaurant. Wir sahen | |
uns das später an, unser Ferienhaus stand nur ein paar Meter davon | |
entfernt. | |
Ich dachte darüber nach, warum gerade an solchen Orten, wo sehr viel Wert | |
auf Renommee und Luxus gelegt wird, am Personal gespart wird. Warum kann | |
sich ein Restaurant, das so anständige Preise verlangt, keine Angestellten | |
leisten, die wenigstens zum gesetzlichen Mindestlohn arbeiten? Ist es | |
einfach nur Unmoral? | |
Manche Firmen behaupten, sie müssten schließen, wenn sie sich nicht solcher | |
Arbeitskräfte bedienten, und dann wäre ja keinem geholfen, die ganze Region | |
litte unter dem Schließen einer großen Firma, und das stimmt ja auch. Wenn | |
eine große Firma zumacht, dann werden viele Menschen arbeitslos. | |
Aber diese Überlegungen gehen immer nur an eine bestimmte Stelle. Und es | |
wird dabei sogar oft mit Vernunft argumentiert. Aus Vernunftgründen müsse | |
man sich Kräfte holen die bis an die Grenzen der Legalität, und darüber | |
hinaus, ausgebeutet würden. | |
## Verzicht wird nach unten durchgereicht | |
Aus diesen selben Gründen würden aber andere, die in derselben Firma | |
angestellt sind, nicht auf einen Euro verzichten. Sie würden nicht einmal | |
auf die Gehaltserhöhung verzichten. Der Verzicht wird immer an unterster | |
Stelle, sozusagen, auferlegt. | |
Die Meyer-Werft ist ein großer Arbeitgeber in Niedersachsen. Wenn es | |
negative Berichte über die Meyer-Werft gibt, in der Presse, dann finden | |
sich in den Kommentaren immer Verteidiger. Es gibt anscheinend viele | |
Arbeiter der Meyer-Werft, die sich verbunden fühlen. Die irgendwie stolz | |
sind, auf die Arbeit in einer solchen Firma. Die vielleicht stolz sind, | |
wenn ein prächtiges Schiff ausläuft, an dem sie selber mitgebaut haben. | |
Ich kann einen solchen Stolz und eine solche Verbundenheit verstehen. Mein | |
Vater war Maurer, und er hat relativ eigenverantwortlich mit anderen | |
Kollegen kleine Häuser gebaut, damals, in der DDR. Er ist auch oft stolz | |
gewesen, und er hat gern gearbeitet. | |
Ich denke, es gibt ein Bedürfnis danach, stolz auf seine Arbeit sein zu | |
können. Weil sonst ja das eigene Leben so relativ sinnlos wäre. Es gibt | |
immer noch Menschen, die ihr Herz an eine Firma hängen, die sich damit | |
identifizieren und die sehr gekränkt sind, wenn es über diese Firma | |
Schlechtes zu sagen gibt. | |
## Wie ein Kriminalfall | |
Aktuell wurde im Spiegel (wieder einmal) von schlechten Arbeits- und | |
Lebensbedingungen von Werkvertragsarbeitern auf der Meyer-Werft berichtet. | |
Weil diese Arbeiter gar nicht bei der Meyer-Werft angestellt sind, sondern | |
bei dem Werkunternehmer, kann die Meyer-Werft jetzt sagen, dass sie das | |
erst einmal untersuchen müsse. Es scheint gar nicht so einfach | |
herauszufinden sein, wie lang die Schichten eines Arbeiters sind, wie viel | |
er verdient oder wo er versichert ist. Man muss es erst einmal untersuchen. | |
Es ist wie ein Kriminalfall, ganz schön knifflig. | |
Aber warum bedient man sich überhaupt solcher Strukturen, die kriminelle | |
Ausbeutung begünstigen? Strukturen, die sich den arbeitsrechtlichen | |
Vorschriften, der gewerkschaftlichen Obhut und der betrieblichen Fürsorge | |
entziehen? | |
Warum schafft man nicht Gleichheit unter den Arbeitern? Hat denn eine | |
Meyer-Werft nicht die Macht gegenüber einem Subunternehmer, der 150 | |
Arbeiter unter Vertrag hat? Kann sie nicht durchsetzen, dass die | |
Werkvertragsarbeiter den anderen Arbeitern gleichgestellt werden, wenn sie | |
denn auf diese vorübergehenden Arbeitskräfte nicht verzichten kann? | |
Und kann man nicht eine rechtliche Grundlage schaffen, die solche | |
Gleichheit verpflichtend macht, für alle Firmen, die sich solcher | |
Subunternehmer bedienen? Oder gäbe es dann vielleicht gar keine | |
Werksvertragsarbeiterfirmen mehr? | |
4 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Katrin Seddig | |
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