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# taz.de -- Lohndrückerei in der Fleischindustrie: Schlachterei tauscht Belegs…
> In Dissen ersetzte eine Großschlachterei zwölf Festangestellte durch
> billige Werksverträgler – die Betroffenen ziehen gegen die Kündigungen
> vor Gericht.
Bild: Geht immer noch ein bisschen billiger: Schlachtrinder werden zerlegt.
HAMBURG taz | Die Großschlachterei Gausepohl im niedersächsischen Dissen
hat ihre zwölf fest angestellten Schlachter komplett durch
Werkvertragsmitarbeiter der polnischen Firma Europol ersetzt. Weil die
langjährigen Mitarbeiter die Kündigung nicht akzeptieren wollen, verhandelt
nun das Arbeitsgericht Osnabrück über den Fall. Am Freitag findet die
zweite Güteverhandlung statt, außergerichtliche Gespräche zwischen
Betroffenen und Gausepohl sollen folgen. Wenn keine Einigung erzielt wird,
entscheidet im Februar 2014 die dritte Kammer des Arbeitsgerichts über die
Rechtmäßigkeit der Kündigungen.
Das Ausgliedern eigener Mitarbeiter an Fremdfirmen ist in der
fleischverarbeitenden Industrie gängige Praxis. „20 Prozent eigene Arbeiter
und 80 Prozent Leih- und Werksarbeiter arbeiten heute in der
Schlachtindustrie“, sagt Bernhard Hemsing von der Gewerkschaft Nahrung
Genuss Gaststätten (NGG). Schleichend seien immer mehr ausländische
Arbeiter in die Arbeitsprozesse eingebunden worden – zu geringeren Löhnen
und schlechteren Arbeitsbedingungen. Die Branche rechtfertigt dies meist
mit der starken Konkurrenzsituation.
„Mit einem Mindestlohn wäre der Konkurrenzdruck unter den Unternehmen
längst nicht so groß“, hält Hemsing dagegen. Die Kündigungen der Firma
Gausepohl hält der Gewerkschafter für einen Skandal: „Die Arbeitnehmer
wurden da nach 30 Jahren einfach vor die Tür gesetzt.“
Auch für den Schlachter Helmut Laermann kam die Kündigung nach 29 Jahren im
Unternehmen Gausepohl unerwartet mit der Post – ohne eine Begründung. Zuvor
hatte der Schlachter abgelehnt, einen neuen Arbeitsvertrag zu
unterschreiben, der eine Lohnkürzung von bis zu 50 Prozent vorsah. „Das kam
für mich einer Kündigung gleich“, erinnert sich Laermann.
In einer Pressemitteilung verteidigt das Unternehmen Gausepohl seine
Lohnpolitik. So hätten die Mitarbeiter auch im neuen Lohnmodell „in der
Summe aus fixem und variablem Lohn brutto genauso viel verdient“ wie
bisher. Laermanns Anwalt Johannes Eichholz bezeichnet das als falsche
Rechnung, denn die Mitarbeiter müssten nun für den gleichen Lohn deutlich
mehr Rinder schlachten.
Einen Betriebsrat, der die Mitarbeiter unterstützen könnte, gab es in der
Großschlachterei nicht. „Erst jetzt sollte einer gegründet werden“, sagt
Eichholz. Gausepohl habe vor fünf Jahren die Gründung von Betriebsräten
massiv durch Einzelgespräche unterdrückt, erinnert sich Laermann. Das
Unternehmen habe mit Entlassung gedroht. „Heute ist das unser Nachteil“,
sagt er.
Das Unternehmen äußerte sich nicht offiziell zu diesen Vorwürfen, verwies
aber darauf, dass Gausepohl Qualitätsfleisch erst im Frühjahr dieses Jahres
von der Geschäftsführerin Yvonne Gausepohl neu gegründet wurde. Vor Gericht
geht es den zwölf Betroffenen nun darum, eine Wiedereinstellung oder hohe
Abfindungen zu erwirken.
16 Oct 2013
## AUTOREN
Andrea Scharpen
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