# taz.de -- Arbeitsmigranten: Nur als Sklaven erwünscht | |
> Das niedersächsische Steinfeld ist mit der Versorgung obdachloser Rumänen | |
> und Bulgaren überfordert. Als Lohnsklaven der Fleischindustrie sind sie | |
> beliebt. | |
Bild: In Steinfeld leben Rumänen und Bulgaren unter schlimmen Bedingungen - al… | |
BREMEN taz | Alarm schlägt die Bürgermeisterin der niedersächsischen | |
Gemeinde Steinfeld, nahe Vechta: Zehn bis 15 Menschen leben dort im Wald, | |
in selbst gebastelten Behausungen oder schlafen unter der Dorflinde. Die | |
Kommune sei davon überfordert, sagt Bürgermeisterin Manuela Honkomp und | |
wandte sich an den Landkreis, an Bundes- und Europaabgeordnete. Das | |
Problem: Die Obdachlosen im Wald sind hauptsächlich Rumänen und Bulgaren | |
und haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen. | |
„Ich weiß auch keine Lösung“, sagt Christian Wölke, katholischer | |
Gemeindepfarrer im Ort. Die Menschen bettelten vor dem Pfarrhaus um Essen. | |
Er helfe, sagt Wölke, aber er könne die Caritas-Kasse nur einmal leeren. | |
Unterkünfte zu stellen, sei nicht möglich: „Dann kommen die nächsten“, s… | |
er. „Was macht man, wenn die nicht gehen?“ Denn eigentlich seien sie hier | |
ja „illegal“. | |
„Illegale“, so nennt sie auch das Ordnungsamt der Gemeinde, weil sie keine | |
Meldeadresse hätten und keine Arbeit. Deshalb würden sie zur Rückreise | |
„animiert“, so heißt es. Das Busticket werde bezahlt. Auch regionale Medien | |
berichten von den „Illegalen“, die „irgendwie“ Deutschland „erreicht�… | |
hätten. Doch Rumänen und Bulgaren sind EU-Bürger, die Freizügigkeit | |
genießen. Erst, wenn die Ausländerbehörde ihnen diese individuell | |
aberkennt, dürfen sie sich nicht mehr in Deutschland aufhalten. Dass sie | |
keine Flüchtlinge sind, sondern EU-Ausländer, ist gerade das Problem: Sie | |
haben keinen Anspruch auf soziale Sicherung. | |
Diese Regelung sei ein „Skandal“, sagt Claudius Voigt von der | |
„Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender“ aus Münste… | |
„Es ist das völlige Versagen des Sozialsystems. Durch den sozialrechtlichen | |
Ausschluss produziert man die künftigen Generationen der | |
Integrations-Verlierer.“ Leicht verbessern würde sich die Situation 2014. | |
Ab dem 1. Januar werden Bulgaren und Rumänen das Recht erlangen, auch ohne | |
Arbeitserlaubnis jeder Beschäftigung in der EU nachzugehen. | |
Die Menschen kommen aber schon jetzt. Bulgarien und Rumänien sind die | |
ärmsten EU-Mitgliedsstaaten. 2012 hatte Rumänien einen durchschnittlichen | |
Bruttojahresverdienst von 5.689 Euro, Bulgarien von 4.361 Euro. „Es sind | |
Länder mit einer manifesten Unterschicht“, sagt Voigt. In die Region um | |
Vechta reisen sie, weil hier in der Landwirtschaft und vor allem in der | |
Fleischindustrie billige Arbeitskräfte gesucht werden. | |
Denn da sind sie beliebt: Im Juni deckte der ARD-Dokumentarfilm | |
„Lohnsklaven in Deutschland“ ein System sogenannter Werkverträge auf, das | |
besonders in der Fleisch-Region um Vechta praktiziert wird. Menschen werden | |
in Osteuropa angeworben, um für einen Hungerlohn von 400 bis 700 Euro | |
brutto im Monat in den Schlachthöfen zu schuften. | |
Zentral in der Kritik ist die Fleischfirma Steinemann in Steinfeld. Bei | |
letzterer lebten laut ARD-Bericht 70 Rumänen in einer Massenunterkunft | |
unter strenger Kontrolle. Die Firma will sich bessern, laut | |
Pressemitteilung hat sie dem alten Subunternehmer Ende Juni gekündigt. | |
Schwierig aber sei es, in der Region genügend Arbeitskräfte zu finden. Laut | |
Bürgermeisterin Honkomp haben die Menschen im Wald jedoch keine | |
Werkverträge gehabt. | |
26 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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