# taz.de -- Leiharbeiter in deutschen AKWs: Fetter Eintrag im Strahlenpass | |
> Im Durchschnitt sind die Leiharbeiter in den AKWs doppelt so hohen | |
> Strahlenlasten ausgesetzt wie Festangestellte. Die Linke spricht von | |
> "Strahlenproletariat". Ärzte erachten die Grenzwerte als zufällig. | |
Bild: Wahrscheinlich nicht ausgeliehen: Arbeiter in der Castoren-Halle im ehema… | |
BERLIN afp | In deutschen Atomkraftwerken werden in großem Umfang | |
Leiharbeiter eingesetzt, um auch gefährliche Arbeiten zu erledigen. Diese | |
sind durchschnittlich einer fast doppelt so hohen Strahlenbelastung | |
ausgesetzt wie Festangestellte, wie aus einer am Montag bekannt gewordenen | |
Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. | |
Atomkraftgegner und Gewerkschaften kritisierten den hohen Druck, der auf | |
den Fremdarbeitern laste. | |
Nach Angaben der Bundesregierung wurden im Jahr 2009 in den 17 deutschen | |
Leichtwasserreaktoren knapp 6000 Mitarbeiter überwacht, die zum eigenen | |
Personal zählten. Deutlich höher war mit mehr als 24.000 Menschen im selben | |
Jahr die Zahl des überwachten Fremdpersonals, zu denen die Bundesregierung | |
Leih- und Werkarbeiter zählt. Diese werden vor allem während der | |
sogenannten Revision beschäftigt, wenn ein Akw zur Wartung zeitweise | |
heruntergefahren wird. Die Leih- oder Werksarbeiter sind nicht direkt beim | |
Akw-Betreiber angestellt, sondern bei einer Verleihfirma oder einem anderen | |
Arbeitgeber. | |
## 12,8 Sievert bei Fremdbeschäftigten | |
Festangestellte und Fremdarbeiter sind dabei deutlich unterschiedlichen | |
Strahlenbelastungen ausgesetzt, wie aus der Antwort auf die Linken-Anfrage | |
hervorgeht. Die Jahresdosis für das gesamte Eigenpersonal beziffert die | |
Regierung auf insgesamt 1,7 Sievert, der Maßeinheit für die | |
Strahlenbelastung. Bei den Fremdbeschäftigten sind es für alle | |
zusammengerechnet 12,8 Sievert. Dies bedeutet eine durchschnittliche | |
Belastung von rund 0,28 Milisievert für einen Festangestellten und rund | |
0,53 Milisievert für Fremdangestellte. Der erlaubte Jahresgrenzwert pro | |
Person liegt bei 20 Milisievert. | |
In Deutschland haben mehr als 67.000 Beschäftigte einen Strahlenpass, in | |
dem die radioaktive Belastung notiert wird. Da immer mehr Zeitarbeiter auch | |
in ausländischen Anlagen tätig sind, setzt sich die Regierung nach eigenen | |
Angaben für die Einführung eines einheitlichen europäischen Strahlenpasses | |
ein. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) betonte zudem in Berlin: | |
"Für eigenes und fremdes Akw-Personal gelten die gleichen | |
Strahlenschutzvorschriften." | |
## Linkspartei spricht von Strahlenproletariat | |
Die Linkspartei kritisierte die Lage der Akw-Fremdarbeiter als "skandalös". | |
Die Bundesregierung habe mit ihrem Bericht "das Strahlenproletariat in | |
deutschen Atomkraftwerken" bestätigt, erklärte die Linken-Abgeordnete Jutta | |
Krellmann. Leih- und Werksarbeiter bekämen fast 90 Prozent der Stahlendosen | |
ab, die Stammbeschäftigten nur etwas mehr als ein Zehntel. Die | |
Linken-Abgeordnete Dorothée Menzner äußerte die Befürchtung, dass | |
angesichts eines fehlenden internationalen Strahlenpasses Beschäftigte auf | |
mehreren Pässen arbeiten und so die Strahlenhöchstdosen überschreiten | |
könnten. | |
Die Gewerkschaft Verdi forderte die Atom-Konzerne auf, die generellen | |
Arbeits- und Gesundheitsstandards auch auf Fremd- und Leiharbeitnehmer | |
auszuweiten. Es könne nicht sein, dass diese Kollegen einem vielfachen | |
Risiko ausgesetzt würden, sagte der Verdi-Fachgruppenleiter für Energie und | |
Bergbau, Sven Bergelin. | |
Der Verein Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW) kritisierte die | |
hohe Arbeitsbelastung der Arbeiter von Fremdfirmen, die mitunter | |
Zehn-Stunden-Schichten in gefährlicher Umgebung verbrächten. Den | |
Betroffenen werde "eine wahnsinnige Verantwortung" aufgebürdet, kritisierte | |
der Strahlungsexperte Henrik Paulitz. Die bestehenden Strahlen-Grenzwerte | |
wies Paulitz als "statistische Zufallsgröße" zurück, die ignoriere, dass | |
Menschen unterschiedlich strahlensensibel seien. | |
wes/cha | |
6 Jun 2011 | |
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