# taz.de -- Studie über geringfügig Beschäftigte: Nur die Billigreserve | |
> Gedemütigt und ausgebeutet: Eine neue Studie zeigt, dass MigrantInnen, | |
> die als Leiharbeiter beschäftigt sind, schlechte Karten haben. | |
Bild: Arbeit schafft Integration? Die Realität sieht oft anders aus. | |
BERLIN taz | "Gefällt ihnen eine Person nicht, dann schmeißen sie dich weg | |
und nehmen eine neue." So beschreibt eine Leiharbeiterin mit | |
Migrationshintergrund ein bisher wenig erforschtes Thema: Unter welchen | |
Bedingungen arbeiten MigrantInnen in der Leiharbeit - und wie wirken sich | |
diese Arbeitsverhältnisse auf ihre gesellschaftliche Integration aus? | |
Am Dienstag wurde dazu die erste Studie veröffentlicht. Die Soziologin | |
Sandra Siebenhüter hat sie für die Otto-Brenner-Stiftung der Gewerkschaft | |
IG Metall gemacht. Sie führte in Südbayern 116 Interviews mit | |
LeiharbeiterInnen, Arbeitgebern und Betriebsräten, die vornehmlich in der | |
Metall-, Elektro- und Druckindustrie tätig sind. | |
Siebenhüter kommt zu dem Schluss, dass MigrantInnen, die lange als | |
Leiharbeiter tätig sind, "um ihre Teilhabechancen gebracht werden. Ihr | |
Bemühen und das ihrer Familien um Integration ist von vornherein zum | |
Scheitern verurteilt". Sie fordert deswegen, dem Mantra "Arbeit schafft | |
Integration" die realen Probleme der Arbeitswelt entgegenzuhalten. | |
Und die sehen so aus: Da wird einem türkischen Leiharbeiter halbjährlich | |
der Lohn um 25 Cent gekürzt - er wolle doch in Deutschland bleiben, | |
erklärte ihm sein Arbeitgeber. Da sieht ein Mitarbeiter schon "grün" aus, | |
doch der Vorarbeiter lässt ihn nicht nach Hause gehen, erzählt eine | |
Personalchefin. Andere Leiharbeiter wurden aufgefordert, sich für eine | |
Festanstellung erkenntlich zu zeigen. "Männer zahlen eher, um sich Vorteile | |
zu verschaffen, bei Frauen läuft das häufig anders, wenn der Vorarbeiter | |
oder Meister ein Mann ist", berichtet eine Leiharbeiterin. | |
## Leiharbeiter als Helfer eingruppiert | |
Siebenhüters Studie erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Sie zeigt | |
jedoch Abhängigkeiten und Herabstufungen auf: MigrantInnen haben nicht nur | |
überdurchschnittlich häufig Leiharbeitjobs (dafür in | |
sozialversicherungspflichtiger Normalbeschäftigung unterrepräsentiert), sie | |
werden auch oftmals, trotz besserer Qualifizierung, als Helfer | |
eingruppiert. | |
Das zieht nicht nur niedrige, nicht existenzsichernde Löhne nach sich (wenn | |
Tarifverträge überhaupt gelten, sind es 6,89 Euro Stundenlohn im Osten und | |
7,79 Euro im Westen), sondern immer wieder Rauswürfe und Neueinstellungen | |
bei unterschiedlichen Arbeitgebern. | |
Die boomende Branche - noch in diesem Jahr soll zum ersten Mal die Marke | |
von einer Million Beschäftigten geknackt werden - verlagert laut | |
Siebenhüter ihren gnadenlosen Konkurrenzkampf auf die Beschäftigten. Die | |
mehr als 10.000 Verleiher, darunter viele kleine Klitschen, unterbieten | |
gegenseitig ihre Preise für die Arbeitskraft - oder werden von Entleihern | |
unter Druck gesetzt, es zu tun. | |
Harsche Kritik übt Siebenhüter an den strukturellen und institutionellen | |
Voraussetzungen, die MigrantInnen in solche Situationen bringen. Dazu | |
gehört, dass der Aufenthaltsstatus an einen Job gekoppelt ist. Vor allem | |
aber, dass immer noch zu wenige ausländische Berufsabschlüsse in | |
Deutschland anerkannt werden. So haben fast 30 Prozent aller MigrantInnen, | |
die Sozialhilfe bekommen, einen Berufsabschluss, der hierzulande bisher | |
nichts wert ist. Die Suche nach Fachkräften im Ausland sieht Siebenhüter | |
deswegen als "billigeren und unsolidarischen Weg": billig, weil nicht in | |
die Nachqualifizierung der MigrantInnen investiert wird. Unsolidarisch, | |
weil aus ärmeren Volkswirtschaften dort ausgebildete und benötigte | |
Fachkräfte abgeworben würden. Vor allem aber bleibt MigrantInnen | |
hierzulande damit der Weg in eine existenzsichernde Arbeit verbaut. | |
4 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Eva Völpel | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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