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# taz.de -- Mindestlohn reicht in vielen Städten nicht: Überleben nur in Leip…
> Wer die vorgeschriebenen 8,84 Euro pro Stunde verdient, ist in fast allen
> Großstädten zusätzlich auf staatliche Unterstützung angewiesen.
Bild: Reicht der Lohn beim Fensterputzen? Die Gewerkschaftsstudie sorgt für Du…
Berlin taz | Der aktuelle Mindestlohn von 8,84 Euro reicht für ein Leben
ohne Hartz IV – aber nur, wenn man in Leipzig wohnt. In allen weiteren der
19 größten Städte in Deutschland ist das nicht der Fall. Das hat das zur
gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gehörende Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) errechnet.
Es hat ermittelt, wie hoch der Stundenlohn eines Single-Arbeitnehmers mit
37,7-Stunden-Woche sein müsste, damit der Betroffene keinen Anspruch auf
Aufstockungsleistungen – also Hartz IV – mehr hätte. Geringverdiener
erhalten staatliche Zuschüsse, sofern ihr Verdienst unter der Anspruchshöhe
des Arbeitslosengelds II liegt.
In Leipzig reicht laut WSI ein Stundenlohn von 8,48 Euro, um nicht mehr
anspruchsberechtigt zu sein. In München müsste man hingegen 12,77 Euro pro
Stunde verdienen – knapp 45 Prozent mehr als der aktuelle Mindestlohn. „Der
Mindestlohn ist vielerorts nicht existenzsichernd“, sagt Thorsten Schulten,
der die Berechnungen für eine Stellungnahme des WSI bei der
Mindestlohnkommission durchgeführt hat. „Das liegt vor allem an den hohen
Mieten in den Großstädten.“
Die Forscher haben den Regelsatz mit Heizkosten, Freibeträgen und den
Wohnkosten addiert, die die lokalen Jobcenter übernehmen. Die Berechnungen
zeigen, dass einige Städte für Geringverdiener unerschwinglich sind und die
hohen Mietkosten vom Staat subventioniert werden müssen.
## „Über Ortszuschläge nachdenken“
Vor allem demonstrieren sie aber, dass der gesetzliche Mindestlohn
zumindest in Großstädten nicht für ein Leben oberhalb des Existenzminimums
ausreicht. Das WSI befürwortet deshalb eine Erhöhung des Lohnminimums über
die Tarifentwicklung hinaus. „In besonders teuren Städten wie München
sollte über einen Ortszuschlag nachgedacht werden“, fordert Thorsten
Schulten.
Das WSI zieht dennoch eine positive Bilanz des 2015 eingeführten
Mindestlohns. Denn vor allem die einkommensschwächsten fünf Prozent hätten
stark profitiert. 2014 kamen Arbeitnehmer in dieser Gruppe nur auf einen
Stundenlohn von 6,83 Euro. 2016 waren es 7,58 Euro und damit elf Prozent
mehr. Aktuellere Zahlen sind noch nicht verfügbar.
Vor allem Frauen profitierten vom Mindestlohn. Der Gender Pay Gap – also
der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen – ist im unteren
Einkommenszehntel zwischen 2014 und 2016 von 22 auf 15 Prozent
zurückgegangen. Das liegt laut Schulten daran, dass Frauen im
Niedriglohnsektor überrepräsentiert sind – vor allem in Branchen wie dem
Friseurhandwerk oder der Floristik.
Ende Juni will die Mindestlohnkommission ihren Bericht zu den Auswirkungen
des gesetzlichen Lohnminimums veröffentlichen und Empfehlungen für die
Anpassung aussprechen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat bereits
verlauten lassen, er werde den Vorschlägen der Kommission folgen.
Änderungen würden Anfang 2019 in Kraft treten.
20 Apr 2018
## AUTOREN
Jörg Wimalasena
## TAGS
Mindestlohn
Hans-Böckler-Stiftung
DGB
München
Leipzig
Mieten
Agentur für Arbeit
Mindestlohn
Hartz IV
Ausbeutung
Soziale Gerechtigkeit
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